Kolumne von Stefan Meierhans
Ein guter Anfang – gewisse medizinische Produkte werden günstiger

Krücken, Blutzuckerstreifen, Inkontinenzeinlagen – jeder braucht im Laufe seines Lebens mal ein medizinisches Hilfsmittel. In der Schweiz sind diese oft sehr viel teurer als im Ausland. Das wird sich zumindest teilweise ändern, freut sich der Preisüberwacher.
Publiziert: 18.09.2021 um 13:33 Uhr
Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Heute kann ich einen ersten zaghaften Erfolg vermelden im Kampf gegen die hohen Preise im Gesundheitswesen: Nach jahrelanger Überzeugungsarbeit hat der Bundesrat diesen Monat angekündigt, dass – leider frühestens ab 2023 – die Kosten für bestimmte medizinische Hilfsmittel und Geräte, die im Ausland (konkret im EWR-Raum) gekauft werden, von unseren Krankenversicherern übernommen werden. Klingt nach nicht viel, ist es aber – schauen Sie selbst:

  • Für ein Blutzucker-Messgerät muss die Krankenkasse in der Schweiz 43 Franken vergüten. In Deutschland hingegen bekommt man es für etwas die Hälfte, nämlich für unter 20 Franken.
  • Wer wegen einer Fehlstellung des grossen Zehs eine Halluxschiene braucht, verursacht Kosten in Höhe von 30.60 Franken. Könnte man das gleiche Produkt in Deutschland oder Österreich kaufen, würden sich die Kosten ebenfalls nur auf die Hälfte (15.87 Euro) belaufen.
  • Auch bei den grösseren Beträgen finden wir ein ähnliches Bild: Wenn Sie unter Schlafapnoe leiden und ein Gerät brauchen, das Ihnen beim Atmen hilft, dann kostet das bei uns 1223 Franken. Die deutschen Nachbarn hingegen können für rund 300 Franken weniger (839 Euro) besser durchatmen.

Schon heute kaufen viele Schweizer Patientinnen und Patienten viele nicht rezeptpflichtigen Mittel im Ausland ein, weil sie dort das gleiche Produkt viel günstiger erhalten. Seien es Kontaktlinsen, Bandagen, Schuheinlagen – die Liste ist lang, weil das Sparpotenzial gross ist.

Ohne Rezept hat man die freie Wahl, im In- oder Ausland zu kaufen. Mit Rezept liegt der Fall (vorläufig noch) anders: Ein Schweizer Rezept für medizinische Mittel und Gegenstände wird bisher nur dann vergütet, wenn es auch in der Schweiz eingelöst wird. Das ist mir und auch vielen Patientinnen und Patienten schon lange ein grosses Ärgernis. Gerade Menschen, die jahrelang dasselbe Produkt brauchen, haben sich immer wieder bei mir gemeldet und beteuert, wie gern sie «ihr Produkt» in einem Nachbarland beziehen würden, weil es da viel günstiger ist.

Preisüberwacher Stefan Meierhans.
Foto: Keystone

Leider mussten sie dieses Ansinnen meist aufgeben, weil die Schweizer Krankenkassen die Kosten für Auslandskäufe nicht übernehmen durften – obwohl die Produkte identisch waren. Der teure Schweizer Preis wurde vergütet, der günstigere Auslandspreis hingegen – keine Chance. Für den Einzelnen macht es therapeutisch keinen Unterschied, das Produkt ist dasselbe. Schlecht hingegen ist es für die Krankenkassenprämien, gut dafür für die Hersteller und Händler, die bekanntermassen ihre Preise sehr gern auf die Kaufkraft des jeweiligen Landes ausrichten.

Wenn nun frühestens ab 2023 (fragen Sie mich nicht, warum das so lange dauert …) die preisbewussten Patientinnen und Patienten ihre medizinischen Geräte und Hilfsmittel wie etwa Inkontinenzeinlagen oder Verbände im Ausland beziehen und diese von der heimischen obligatorischen Krankenkasse vergütet bekommen, dann sind das wirklich gute News für unsere Krankenkassenprämien. Der so entstehende Wettbewerb übt nämlich auch Druck auf unsere inländischen Preise aus! So darf man hoffen, dass der «Schweiz-Aufschlag» zusammenschmelzen wird – sodass es über die Zeit hoffentlich gar nicht mehr nötig sein wird, im «grossen Kanton» oder im anderen grenznahen Ausland einzukaufen.

Ebenfalls nicht vergessen sollten wir, dass wir auf diese Art auch unseren Zugang zu qualitativ hochwertigen Produkten, zu günstigen (Auslands-)Preisen verbessern.

Leider wird die neue Regelung nur für etwa 60 Prozent der Produkte, die auf der sogenannten Mittel und Gegenständeliste (MiGeL-Liste) figurieren, gelten. Auf der MiGeL-Liste stehen grundsätzlich nur Mittel und Gegenstände, die niedrige oder moderate Anforderungen an den Versicherten und/oder eine Hilfsperson, die nicht vom Fach ist, stellen. Deshalb hätte ich gerne gesehen, dass die Vergütung alle Produkte dieser Liste einschliesst. Wieso beispielsweise ein im Ausland eingelöstes Rezept für einen Kompressionsstrumpf nicht vergütet wird, aber das für Blutzuckerteststreifen eben schon – ich weiss es nicht.

Aus meiner Sicht sollten die Versicherten selber beurteilen und entscheiden können, ob sie das gewünschte Produkt lieber in der Schweiz oder im Ausland erwerben wollen. Wichtig ist nur, dass sie die freie Wahl haben und kein Zwang besteht. Wenn sich jemand wohler fühlt, ein Produkt vom ortsansässigen Händler zu beziehen, dann soll das immer möglich sein. Menschen, die sich fragen, ob die Sicherheit denn auch gewährleistet ist: Die neue Regelung gilt für Produkte im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Die schweizerischen und europäischen Bestimmungen zur Produktsicherheit und zur Produkthaftung sind derzeit praktisch gleichwertig. Das EWR-Recht schützt die Konsumentinnen und Konsumenten sogar besser als das Schweizer Recht.

Mein Fazit deshalb: Endlich geht was – zwar zu zögerlich und zaghaft –, aber die Richtung stimmt.

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