«Ein halbes Prozent Zinsen mehr sind keine Peanuts»
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Immo-Experte über Hypotheken:«Ein halbes Prozent Zinsen mehr sind keine Peanuts»

Kommen erste in Hypozins-Zahlungsnot?
Rascher Zinsanstieg macht Hausbesitzer deutlich verletzlicher

Die Zinsen für Festhypotheken steigen fast täglich. Wie hoch dürfen sie noch klettern, bevor die ersten Hausbesitzer in Zahlungsnot geraten?
Publiziert: 15.04.2022 um 00:18 Uhr
Wenn die Hypozinsen steigen, betrifft das nicht nur jene, die gerade ein Haus kaufen wollen. Mehrfamilienhaus im Bau in Zürich.
Foto: Keystone
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Dorothea Vollenweider

Der Berg Schweizer Hypothekarschulden hiesiger Immobilienbesitzer ist gross: Mit über 1 Billion Franken ist es gar einer der grössten der Welt. Was bedeutet es, wenn die Zinsen für diesen Schuldenberg so rasant steigen wie in den letzten Wochen?

«Unsere Daten zeigen, dass die Tragbarkeitsrisiken seit 2014 in allen Segmenten zugenommen haben und zurzeit auf Höchstständen liegen.» Das sagte Fritz Zurbrügg (62), Vizepräsident der Schweizerische Nationalbank (SNB), während eines Referats im August 2021 an der Universität Luzern. Seither haben sich die Zinsen für zehnjährige Festhypotheken fast verdoppelt.

So stark steigen die Kosten

Doch ab wann werden die steigenden Hypozinsen zu einem finanziellen Problem für Schweizer Haushalte?

Banken stellen zur Beurteilung der Tragbarkeit eines Hypothekarkredits folgende Rechnung an: Die kalkulatorischen Kosten – das sind die Kosten aus Zinslast, Amortisation und Unterhalt – dürften beim selbstgenutzten Wohneigentum nicht mehr als ein Drittel des Bruttoeinkommens betragen.

Banken drücken ein Auge zu

Im Normalfall rechnen die Banken für die Beurteilung der Tragbarkeit mit einem Hypothekarzins von fünf Prozent. Das heisst: Ein Hausbesitzer müsste auch ein Hypozins von fünf Prozent noch tragen können. Davon sind wir aktuell noch weit entfernt.

Der Haken: Es gibt ganz viele Ausnahmen für diese Regeln. «Banken vergeben in gewissen Fällen auch Kredite, wenn die Tragbarkeitsrechnung mit vier bis fünf Prozent nicht erfüllt ist», sagt Donato Scognamiglio (52), Chef der Immobilienberatungsfirma IAZI. Beispielsweise, wenn ein Haus noch ganz neu sei und in den nächsten Jahren weniger amortisiert werden müsse. Oder wenn eine Familie nur vorübergehend weniger verdient, so dass eine Ausnahme von der Regel gemacht werden kann.

Ab drei Prozent wirds knapp

Im Bericht zur Finanzstabilität 2021 hält die Schweizer Nationalbank fest, bei wie vielen neu vergebenen Hypotheken diese Sicherheitsrechnung nicht erfüllt wird. Anders gesagt: Bei wie vielen Hypothekarnehmern das Verhältnis zwischen Kredit und Einkommen zu hoch ist.

Das Resultat: Beim selbstgenutzten Wohneigentum gelten 20 Prozent der neu vergebenen Hypothekarkredite bei einem Zinsanstieg auf drei Prozent als nicht mehr tragbar. Bei einem Zinsanstieg auf vier Prozent sind es bereits 30 Prozent.

Verschuldung nimmt stark zu

Diese Zahlen zu den Tragbarkeitsrisiken bedeuten zwar nicht, dass bei einem Zinsanstieg all diese Hypothekarkredite ausfallen würden. Denn sie berücksichtigen nur das Einkommen, nicht aber die Vermögenssituation der Hausbesitzer.

Insgesamt machen die Zahlen laut der SNB aber deutlich, dass die Verschuldung der Hypothekarkreditnehmer im Verhältnis zu ihrem Einkommen in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Was nicht zuletzt auf die steigenden Preise von Immobilien zurückzuführen ist. Und das macht Hausbesitzer im Falle eines Zinsanstiegs, wie dies aktuell passiert, deutlich verletzlicher.

Sind Eigenheime noch tragbar?

Heute kostet eine 10-Jährige über 2 Prozent. Vor einem Jahr waren es noch 1,2 Prozent. Eine Beispielrechnung zeigt, dass ein paar Prozentpunkte mehr bei den Hypothekarzinsen für Hausbesitzer einen Kostenanstieg von mehreren Tausend Franken pro Jahr bedeutet.

Wenn ein Hausbesitzer für seine zehnjährige Festhypothek etwa 0,8 Prozent mehr bezahlen als noch vor einem Jahr, bezahlt er bei einer Hypothek über 1 Million Franken pro Jahr 8000 Franken mehr. Über 10 Jahre sind es dann insgesamt 80’000 Franken mehr.

Alle Hausbesitzer betroffen

Dass die Kosten für eine Hypothek so stark steigen, muss nicht nur jene Hausbesitzer kümmern, die aktuell eine Festhypothek abschliessen wollen. Auch jene, die bereits eine Festhypothek abgeschlossen haben – vielleicht noch zu deutlich günstigeren Konditionen –, sind davon betroffen.

Denn auch für sie kommt der Moment, wenn sie die Hypo erneuern müssen. «Für diese Hausbesitzer besteht das Risiko, dass ihre Hypotheke dann deutlich teurer wird», sagt Scognamiglio. Das gilt vor allem für jene, die in den nächsten ein bis zwei Jahren erneuern müssen.

Die gute Nachricht zum Schluss: Noch glauben Brancheninsider nicht, dass die Hypothekarzinsen in nächster Zeit auf über drei Prozent steigen werden. Aber: «Die vergangenen Monate zeigen deutlich, wie unvorhersehbar die Geschehnisse auf der Welt und deren Auswirkungen auf den Immobilienmarkt letztendlich sind», so Scognamiglio.


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