Kryptowährung boomt wieder
Steinreich mit Bitcoin? So erhöht man seine Chancen

Kryptowährungen haben eine Eigenschaft, dank der bestimmte Strategien besonders gut funktionieren. Eine Erläuterung und Chancenbeurteilung.
Publiziert: 08.12.2023 um 13:00 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2024 um 17:28 Uhr
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Patrick Herger
Handelszeitung

Stellen Sie sich vor, Sie sprechen per Handy mit einem sehr wichtigen Geschäftspartner. Gerade als Sie abgemacht haben, sich am folgenden Tag um zwölf Uhr in Zürich zu treffen, bricht die Verbindung ab. Ihr Akku ist heiss gelaufen und hat das Handy zerstört, mit allen gespeicherten Telefonnummern. Es besteht also keine Möglichkeit, erneut mit Ihrem Geschäftspartner zu kommunizieren. Was tun Sie?

Sie haben den Zeitpunkt des Treffens festgelegt, aber nicht den Ort. Daher müssen Sie einen Punkt finden, an dem Sie Ihren Geschäftspartner wahrscheinlich antreffen, weil dieser umgekehrt ebenfalls erwartet, Sie dort anzutreffen. Ein wahrscheinlicher Ort dafür ist etwa der «Treffpunkt» am Zürcher Hauptbahnhof. Wird das Treffen klappen? Vielleicht nicht. Aber am «Treffpunkt» haben Sie vermutlich die besten Chancen.

Blindflug mit Bitcoin

Was hat das alles mit gewinnträchtigen Kryptostrategien zu tun, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Ungeheuer viel, lautet die Antwort. Der Grund ist folgender: Kryptowährungen haben im Gegensatz zu Aktien keine Fundamentalfaktoren, die prinzipiell eine von allen Marktakteuren akzeptierte Bestimmung des inneren Werts erlauben. Dazu kommt, dass Kryptowährungen aus sich heraus weder Erträge noch Cashflows generieren und es auch keine fundamentalen Vorhersagesignale wie Rechnungslegungsberichte gibt.

Der Bitcoin-Kurs hat in den vergangenen Wochen stark zugelegt.
Foto: keystone-sda.ch
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Artikel aus der «Handelszeitung»

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Mit anderen Worten: Es ist viel schwieriger, den angemessenen Preis von Kryptowährungen zu bestimmen als etwa den angemessenen Preis von Aktien. Woran also sollen sich die Marktakteurinnen für Preisprognosen bei Bitcoin, Ether und Co. halten? Hier kommt unsere Geschichte mit dem Treffpunkt am Zürcher Hauptbahnhof ins Spiel. Wenn sich zwei Leute zu einer bestimmten Zeit treffen wollen, ohne aber den Ort zu kennen, werden sie sich mangels anderer Informationen an sogenannten Fokalpunkten orientieren.

Fokalpunkte ersetzen fehlende Informationen

Dabei handelt es sich um Punkte, auf die sich die Aufmerksamkeit und das Handeln von Akteuren konzentriert, weil sie im Vergleich zur Umgebung eine gewisse Prominenz aufweisen. Solche Fokalpunkte sind nun nicht nur bei defekten Handys wichtig, sondern auch und vor allem bei Assets wie Kryptowährungen, deren Preise sich nicht aus Fundamentalfaktoren ableiten lassen.

Die Fokalpunkte sind bei Kryptowährungen die Werte, die sich aus technischen Indikatoren ergeben, also beispielsweise aus gleitenden Durchschnitten. Das scheint unmittelbar plausibel. Denn es gibt praktisch keine Alternativen, weil bei Kryptowährungen Fundamentalfaktoren als Fokalpunkte ja nicht infrage kommen.

Dabei gibt es Fokalpunkte, sprich technische Indikatoren, die besser funktionieren als andere. Der «Treffpunkt» am Zürcher Hauptbahnhof im obigen Handybeispiel gehört sicher zu den Orten mit einer der höchsten Wahrscheinlichkeiten dafür, dass das Treffen klappt. Aber andere sind ebenfalls denkbar, etwa der Paradeplatz oder das Grossmünster.

Eine simple Strategie

Ganz ähnlich ist es bei Kryptowährungen. Ein Hauptfokalpunkt bei Kryptowährungen sind gleitende Durchschnitte. Aber daneben gibt es auch andere Fokalpunkte. Das Wichtige ist jedoch, dass insbesondere bei Kryptowährungen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Überrenditen besteht, wenn man sich an den Fokalpunkten orientiert, sprich an technischen Indikatoren.

Das bestätigt über allgemeine Plausibilitätsüberlegungen hinaus auch die Finanzmarktforschung. Nur ein Beispiel: Die Abhandlung «Learning and Predictability via Technical Analysis: Evidence from Bitcoin and Stocks with Hard-to-Value Fundamentals» kommt zum Schluss, dass gleitende Durchschnitte ein wirtschaftlich signifikantes Alpha sowie überdurchschnittliche risikoadjustierte Gewinne generieren, verglichen etwa mit Buy-and-Hold-Strategien.

Dass dies nicht nur akademische und damit für die Investmentpraxis weitgehend vernachlässigbare Erkenntnisse sind, kann eventuell die folgende simple, auf gleitenden Durchschnitten basierende Strategie verdeutlichen. Die Regeln der Strategie lauten wie folgt:

  1. Immer am letzten Handelstag einer Woche – kurz vor Börsenschluss – vergleichen Sie den einfachen gleitenden Durchschnitt des Bitcoins über vier Tage mit dem einfachen gleitenden Durchschnitt über 60 Tage.
  2. Wenn der Vier-Tage-Durchschnitt höher ist als der Sechzig-Tage-Durchschnitt, investieren Sie in Bitcoin, andernfalls gehen Sie in Cash.
  3. Als zusätzliche Sicherheit gehen Sie auch unter der Woche in Cash, sobald Sie mit der Strategie einen Wochenverlust von 5 Prozent oder mehr gemacht haben.
  4. Halten Sie ansonsten die Position bis zum letzten Handelstag der Folgewoche, und wiederholen Sie das Prozedere.

Wie hätte diese Strategie in den letzten Jahren abgeschnitten? Die Grafik zeigt die Antwort.

Seit 2018 wären mit der auf gleitenden Durchschnitten basierenden Strategie aus 10’000 Dollar über 170’000 Dollar geworden. Wer in dieser Zeit auf Kaufen und Halten des Bitcoins gesetzt hätte, könnte dagegen lediglich ungefähr 29’000 Dollar sein Eigen nennen. Aber die Beispielstrategie hätte nicht nur rund sechsmal so viel eingebracht wie das Kaufen und Halten, sie hätte das auch bei einem sehr viel tieferen Risiko gemacht.

Auf dem Papier funktioniert es

Mit Kaufen und Halten des Bitcoins betrug der maximal mögliche Verlust im Betrachtungszeitraum 74 Prozent. Mit der Beispielstrategie dagegen wären es nur 26 Prozent gewesen. Das ist unglaublich gut. Wie gut, zeigt etwa die Kennzahl «Sortino Ratio». Sie setzt die Gewinne in Beziehung zu den Abwärtsrisiken, wobei für die Kennzahl gilt: je höher, desto besser. Die Strategie Kaufen und Halten des Bitcoins kommt auf eine Sortino Ratio von gut 1, bei der Beispielstrategie beträgt die Sortino Ratio über 3,6 – fast viermal mehr.

Natürlich ist es möglich, dass die hier vorgestellte Strategie in Zukunft weniger gut funktioniert als in der Vergangenheit oder dass eine längere Durststrecke eintritt. Ausserdem wurden die Kosten nicht berücksichtigt (die Beispielstrategie verursachte etwa 14 Trades pro Jahr). Deswegen sollten Anlegende der hier vorgestellten Strategie nicht einfach blindlings folgen.

Die Anlegenden können allerdings zwei Schlüsse aus diesen Ausführungen ziehen. Insbesondere für Leute, die auf Kryptowährungen setzen wollen, kann es vorteilhaft sein, sich eingehender über technische Analysen zu informieren. Und vielleicht noch wichtiger: Falls Sie mit jemandem in Zürich verabredet sind, und zwar die Zeit kennen, aber nicht den Ort, gehen Sie am besten zum «Treffpunkt» am Hauptbahnhof.

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