Laut Bankenexperte
Behörden bei CS-Rettung inkonsistent

Martin Hellwig, einer der weltweit angesehensten Bankenexperten, kritisiert die Schweizer Behörden bei der Rettung der CS. Er fordert ausserdem, dass Banken, die «zocken», deutlich mehr Eigenkapital halten sollen.
Publiziert: 23.05.2023 um 13:01 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2023 um 15:53 Uhr

Die Schweizer Behörden haben sich bei der Rettung der Credit Suisse laut Wirtschaftsprofessor Martin Hellwig (74) ungeschickt und inkonsistent verhalten. Unverständlich sei etwa, weshalb man die CS-Aktionäre geschont habe, sagte der Bankenexperte in einem Interview.

Er gibt sich zudem überzeugt, dass das Scheitern der CS mit deutlich mehr Eigenkapital hätte verhindert werden können. Bei einem «Bank-Run» wie bei der CS tauche immer wieder der «Mythos» auf, dass es sich «bloss um ein Liquiditätsproblem» handle, sagte Hellwig in einem am Dienstag online veröffentlichten Interview mit der «Handelszeitung». Das möge vordergründig auch stimmen.

Dass ein Run aus heiterem Himmel und ohne tieferen Grund komme, sei aber realitätsfremd. «Meine Interpretation des CS-Kollapses ist, dass die Einleger beunruhigt waren, dass die Bank auf dem Weg war, insolvent zu werden», sagte der Deutsche.

Martin Hellwig ist einer der angesehensten Bankenexperten.
Foto: Christoph Papsch/laif
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Breitseite gegen Finma und KKS

Auch das Verhalten der Finanzmarktaufsicht Finma oder der Bundesrätin Karin Keller-Sutter (59) sei «zweideutig und inkonsistent» gewesen: Diese hätten damals erklärt, man habe die für insolvente Banken vorgesehenen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nicht anwenden können, weil es einen Vertrauensverlust und ein «schreckliches Liquiditätsproblem» gab.

«Aber wenn es ein reines Liquiditätsproblem war, was war dann die Grundlage für die vollständige Entwertung der AT1-Anleihen?», so Hellwig. Und warum brauche man die 9 Milliarden Staatsgarantie für Verluste über 5 Milliarden? «Die Verlustbeteiligung der Gläubiger und der Steuerzahler war nur nötig, wenn man davon ausging, dass es ein Solvenzproblem gebe.»

Für die Lösung der Zwangsübernahme der angeschlagenen Grossbank durch die UBS habe er zwar grosses Verständnis, allerdings nicht dafür, dass man die Aktionäre geschont habe, so der Bankenexperte. Er frage sich im Übrigen auch, warum der Bund nur an überraschenden Verlusten beteiligt werde und nicht auch an «überraschenden Gewinnen».

Banken, die «zocken», sollen mehr Eigenkapital halten

Dass eine Sanierung oder Abwicklung einer international tätigen Grossbank wie der CS gemäss der «Too-big-to-Fail-Regulierung» nicht funktioniere, davon habe man ausgehen müssen, so Hellwig. So sähen die Pläne etwa vor, dass eine einzige Instanz für die Abwicklung zuständig sei. «Aber dass das politisch funktioniert, ist eine Illusion.» So werde es die USA nie zulassen, dass eine europäische Behörde für die Sanierung und Abwicklung einer US-Tochter zuständig sei.

Für den Ökonomen gibt es bei den Grossbanken zu viel implizite Staatsgarantien, die die Haftung ausschalten. Diese liessen sich einzig über deutlich höhere Eigenkapitalvorschriften ausschalten: «Die relevante Quote muss das Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme sein – 20 bis 30 Prozent sind angemessen.» Beginne die Bank zu «zocken», sollte es gar noch mehr sein. Zum Vergleich: Die UBS wies per Ende 2022 eine «Leverage Ratio» von 4,4 Prozent aus. (SDA/sfa)

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