«Jemand wollte sogar ein Schiff verpfänden»
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So funktioniert das Pfandhaus:«Jemand wollte sogar ein Schiff verpfänden»

Letzter Ausweg Pfandhaus
«Je schlechter es den Leuten geht, desto besser läuft unser Geschäft»

Die Teuerung betrifft alle. Das bestätigen die Betreiber vom Pfandhaus in Grenchen SO. Die dortigen Pfandleiher haben seit Wochen alle Hände voll zu tun, erfährt Blick bei einem Augenschein.
Publiziert: 30.01.2023 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2023 um 13:57 Uhr
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Samuel WalderRingier Journalistenschüler

Ein Velo, Schmuck, Bilder oder Handys. Die Betreiber der Pfandbox in Grenchen SO nehmen fast alles an. Die beiden Geschäftsleiter Bruno Megaro (59) und Stefan Gautschi (57) haben ihr Pfandhaus vor gut sieben Jahren eröffnet. Jetzt spielt die Inflation den beiden mehr denn je in die Karten.

In einem Hinterzimmer des Ladenlokals sitzt Blick mit den beiden Männern an einem Tisch. Nebenan ist ihr Büro. Dort dürfen Unbefugte aber nicht rein. Denn all ihr Geld sei in diesem Zimmer, so die beiden. Megaro nippt an seinem Kaffee und beginnt zu sprechen: «Auch wir spüren die Teuerung.» Diese zeige sich an einer erhöhten Nachfrage. «Je schlechter es den Leuten geht, desto besser läuft unser Geschäft», sagen die beiden.

Nach Corona hätten die Leute noch Geld gehabt, weil sie sparen konnten. «Jetzt, mit den steigenden Preisen, kommen aber immer mehr Menschen, die etwas verpfänden wollen.»

Stefan Gautschi (57) und Bruno Megaro (59, r.) betreiben in Grenchen SO ein Pfandhaus.
Foto: Samuel Walder
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Blick liegt eine repräsentative Erhebung des Vergleichportals Comparis vor, die für Blick Ende 2022 durchgeführt wurde. «Vier von hundert Personen wollen zum Pfandleiher gehen, weil die Preise gestiegen sind», heisst es darin. Vergleichswerte mit Vorjahren gibt es keine.

Auffallend, so Comparis-Finanzexperte Michael Kuhn (43): «Die Teuerung treibt Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zu den Pfandleihern.» Vor allem Männer bis 65 Jahre erwägen, Schmuck, Kleider und andere Wertsachen gegen Bargeld zu hinterlegen. Interessant auch: Mehr Menschen mit hoher Bildung sowie Haushalte mit Kindern planen den Gang zum Pfandleiher, so Kuhn.

So funktioniert ein Pfandhaus

Das Konzept eines Pfandhauses ist einfach. «Jemand, der Geld braucht, kommt zu uns und zeigt uns einen Gegenstand, den er nicht zwingend braucht», erklärt Megaro von der Pfandbox. Danach schätzen die beiden den Wert des Gegenstands. Kunde und Pfandleiher einigen sich auf eine Summe. «Die Summe muss jedoch unter dem eigentlichen Wert des Objekts liegen.» Sonst könne man es im Zweifelsfall nicht mehr verkaufen.

«Wir zahlen die abgemachte Summe», sagt Megaro. Ab dann habe der Kunde drei Monate Zeit, das geliehene Geld plus Zinsen zurückzuzahlen. Falls der Kunde nicht zurückkommt, geben Megaro und Gautschi der Person eine neue Frist. Wenn der Kunde gar nicht mehr kommt, gehört der Gegenstand automatisch dem Pfandhaus. «In so einem Fall versuchen wir, das Objekt zu verkaufen», sagt Megaro.

Pfandhäuser bieten Alternativen zu Bankkrediten

«Viele wollen Gold- und Silberschmuck verpfänden», sagt Megaro. «Da müssen wir immer den aktuellen Preis vor Augen haben.» Sonst zahlen sie eine falsche Summe aus. Zudem müssen die beiden ständig den Goldmarkt im Auge behalten. Wegen des Weltgeschehens verändert sich der Markt stetig.

«Meistens sind es Beträge zwischen 100 und 1000 Franken, die wir herausgeben.» Das sei das schnelle Geld. Im Gegensatz zu heute habe es sich in der Vergangenheit grösstenteils um Menschen gehandelt, die am Existenzminimum leben und Ende Monat noch Rechnungen bezahlen müssen.

Das Pfandhaus ist für diese Menschen oft eine willkommene Alternative zur Bank. «Anstatt einen Kredit aufzunehmen, kommen sie für rasches Geld zu uns, und müssen dieses nicht zwingend zurückerstatten», sagt Megaro. Er bestätigt die Comparis-Untersuchung: «Es kommen alle Gesellschaftsschichten bei uns vorbei.» Geschäftsleute, Ober-, Mittel-, Unterschicht – «es ist alles dabei», so Megaro.

Kaum jemand holt den Schmuck zurück

Und wie verdient ein Pfandhaus sein Geld? Ein Beispiel: Eine Frau bringt eine Goldkette vorbei. «Dafür geben wir ihr 500 Franken», so Megaro. Auf diese 500 Franken hat das Pfandhaus einen Zins von 3,5 Prozent. «Nach drei Monaten muss die Frau also die 500 Franken inklusive 3,5 Prozent Monatszins zurückzahlen. Das macht dann 552.50 Franken.»

Heutzutage kommt aber selten jemand den Goldschmuck zurückholen. «80 Prozent des Goldschmucks, der bei uns zurückbleibt, schmelzen wir ein», sagt Gautschi. So könne man Gold besser verkaufen.

Die beiden Pfandleiher schauen zuversichtlich in die Zukunft: «Wir denken, dass die Pfandhäuser in den nächsten Jahren wieder mehr aufkommen.» Das dürfte davon abhängen, ob die Inflation längere Zeit auf dem hohen Niveau bleibt.

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