Baumeister ziehen mit exklusiver Lohnumfrage in Streit mit Gewerkschaften
Poliere haben genug Geld, aber zu wenig Zeit

Baumeister und Gewerkschafter zoffen sich um die Löhne für das nächste Jahr. Eine Lohnerhöhung für Bauarbeiter hatte keine Chance. Jetzt gehts um einen Hunderter für die 7500 Poliere in der Schweiz.
Publiziert: 20.11.2021 um 00:52 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2021 um 09:44 Uhr
Patrik Berger

Auf dem Bau gibt es nächstes Jahr keine generelle Lohnerhöhung. Verhandlungen zwischen Baumeistern und Gewerkschaften sind Anfang November gescheitert. Die Gewerkschaften forderten für Bauarbeiter 100 Franken mehr Lohn pro Monat. Vergebens.

Noch verhandelt wird über eine Lohnerhöhung für die 7500 Poliere. Auch hier stehen die Zeichen allerdings nicht auf Einigung. Eine erste Gesprächsrunde wurde ergebnislos abgebrochen. Es wird ebenfalls um einen Hunderter im Monat gestritten.

Dabei boomt die Baubranche – trotz Corona. Die Auftragsbücher sind voll, die Zahl der Baugesuche ist rekordhoch. Das hat Folgen: Der Markt für gut ausgebildete Fachkräfte ist ausgetrocknet, der Termindruck nimmt zu, das Risiko von Unfällen steigt.

Normale Bauarbeiter bekommen keine Lohnerhöhung.
Foto: EQ Images
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Seit Jahren sinkt die Zahl der Lehrlinge drastisch, jeder zweite ausgebildete Maurer verlässt den Bau früher oder später. «Mit ihrer falschen Politik tragen die Baumeister zum wachsenden Fachkräftemangel bei», sagt Chris Kelley (35), Co-Leiter Sektor Bau bei der Unia.

Lohn steht weit unten im Sorgenbarometer

Blick liegt eine noch unveröffentlichte Umfrage des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) bei 600 Polieren aus dem ganzen Land vor. Sie soll die Behauptung der Gewerkschaften widerlegen, dass das zu tiefe Lohnniveau Auslöser für den Fachkräftemangel ist.

«68 Prozent der befragten Poliere sind mit ihrem Lohn zufrieden bis sehr zufrieden», sagt der stellvertretende SBV-Direktor Bernhard Salzmann (41). «Berufserfahrung und gute Leistung sorgen gerade bei Polieren rasch für individuelle Lohnerhöhungen.» 32 Prozent finden, dass ihr Lohn gemessen an ihrer Leistung eher nicht fair ist.

14 Prozent der Poliere verdienen im Bauhauptgewerbe weniger als 90'000 Franken im Jahr. 21 Prozent erhalten mehr als 110'000 Franken. Selbst für die Poliere, die weniger als 100'000 Franken verdienen, steht der Lohn weit unten im Sorgenbarometer.

Jeder Dritte würde gerne Teilzeit arbeiten

Die Poliere plagen nämlich andere Sorgen als der Lohn. Drei von fünf Polieren würden ihren Berufsalltag laut der Studie zeitlich gerne flexibler gestalten. Jeder dritte Polier würde gerne Teilzeit arbeiten. Bei ihren Chefs stossen sie damit aber meist auf taube Ohren. «An diesem Punkt können Baufirmen ansetzen, um als Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter attraktiver zu werden», glaubt Salzmann.

Ein grosses Thema ist auch der Zeitdruck. 92 Prozent sprechen von einem zu hohen Zeitdruck bei ihren Bauprojekten. Sie machen laut der Studie die zweifelhafte Qualität der Planer, zu enge Zeitvorgaben bei öffentlichen Vergaben und Defizite bei der Professionalität der Bauherrschaften verantwortlich. Weiter beklagen sich die Poliere über zu wenig Personal und einen hohen administrativen Aufwand.

«Die Poliere tragen eine riesige Verantwortung. Sie spüren den steigenden Druck am direktesten und haben eine Lohnerhöhung von 100 Franken mehr als verdient», sagt Gewerkschafter Kelley. «Man kann nicht über fehlende Fachkräfte jammern, die Arbeitsbedingungen aber verschlechtern.»

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