Lohnt sich der Kauf?
Milchverarbeiter ist die billigste Aktie der Schweiz

Der Milchverarbeiter Hochdorf ist derzeit die billigste Schweizer Aktie. Das jetzige Management versucht den Turnaround – doch die Zeit wird knapp. Ist das eine grosse Einstiegschance für Anlegerinnen und Anleger?
Publiziert: 15.08.2024 um 11:31 Uhr
Hauptgebäude der Hochdorf Gruppe.
Foto: ZVG
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Luca Niederkofler
Cash

Die günstigsten aller an der SIX im «Swiss All Share Index» gelisteten Aktien sind diejenigen des Milchverarbeitungskonszerns Hochdorf. Die Firma fokussiert sich auf die Verarbeitung von Milch- und Molkeproteinen für den Functional-Food-Sektor oder als Babynahrung.

Die Kursentwicklung ist ein einziges Debakel. Seit 2018 haben die Aktien 98 Prozent ihres Werts verloren. Auslöser für diesen Niedergang war die Expansion mit der Übernahme der Mehrheit an Pharmalys Laboratories zwei Jahre zuvor. Pharmalys vermarktete Babynahrung und Cerealien in Afrika und im Nahen Osten. Mit dieser Akquisition wollte Hochdorf erneut direkt für den Endkonsumenten tätig werden und sich neue Vertriebskanäle und Wachstum sichern.

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Hochdorf hat sich in diesen Märkten getäuscht. Aufgrund wesentlich längerer Zahlungsfristen im Nahen Osten und Afrika wurde aus einem positiven operativen Cashflow ein tiefes Minus. Obwohl dieser Zustand bis vor kurzem dauerte, waren die unmittelbaren Jahre nach der Übernahme von Pharmalys die schlimmsten. 

Die Zahlungsunfähigkeit knapp abgewendet

Um von Hochdorf einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen, füllten die Abnehmer von Pharmalys (die teilweise vom Pharmalys Eigentümer beeinflusst wurden) ihre Lager über die benötigten Mengen. So stieg Umsatz und Ergebnis von Pharmalys kurzzeitig an und der an diese beiden Kriterien gebundene Kaufpreis erhöhte sich. 

Nach der Übernahme bauten die Abnehmer die eigenen Lager ab ohne Bedarf an neuen Lieferungen. Gleichzeitig zögerten sie die Bezahlung der ausstehenden Rechnungen auf in Westeuropa nicht gesehene Zahlungsfristen hinaus. Folglich fiel Hochdorfs operativer wie auch freier Cashflow tief ins Minus.

Artikel von «Cash.ch»

Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.

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Um eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit aufgrund der negativen operativen Resultate zu vermeiden, musste Hochdorf Geschäftsbereiche und Vermögenswerte verkaufen und mit Hilfe von Fremdfinanzierungen frische Liquidität aufnehmen. Der sogenannte «Cash-Drain» oder Liquiditätsabfluss führte dazu, dass Hochdorf heute aufgrund von Unternehmensverkäufen einen fast halb so hohen Umsatz von etwa 300 Millionen Franken als im Jahr der Übernahme von 550 Millionen Franken hat. Sogar vom Hauptsitz in der gleichnamigen Gemeinde im Kanton Luzern musste sich Hochdorf trennen.

Damit das Unternehmen solvent blieb, nahm der Milchverarbeiter gleichzeitig Schulden auf. Aus diesem Grund verfügt Hochdorf nun über einen riesigen Schuldenberg und eine Hybridanleihe schnürt dem Unternehmen die Luft ab. Das Verhältnis von Nettoschulden zum Ebtida (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) stieg von 0,7 im Jahr 2015 auf 6,7 an.

Ein Vergleich mit Kompromissen

Eine «günstige» oder «teure» Aktie kann mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis errechnet werden. Dazu muss ein Unternehmen aber Gewinn schreiben. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) lässt eine Bewertung auch für nicht-profitable Unternehmen zu. Diese Kennzahl wird oftmals im Zusammenhang mit Unternehmen mit hohem Wachstum oder Verlusten verwendet. Zudem kann das KUV verwendet werden, um Erholungssituationen bei Turnarounds zu erkennen oder um zu überprüfen, ob das Wachstum eines Unternehmens nicht überbewertet wurde.

Die Nachteile des KUV sind aber nicht unwesentlich. Umsätze geben keine Auskunft über die Ertragsfähigkeit und die Margensituation eines Unternehmens ab und klammern die Verschuldung und die Bedienfähigkeit von Schulden vollständig aus. Vielleicht schneidet Hochdorf gerade deshalb «gut» ab und wird gemäss dem KUV als günstig bewertet. 

Das KUV von Hochdorf, das tiefste am Schweizer Aktienmarkt, beträgt mickrige 0,05. Im Vergleich: Nestlé oder Novartis verfügen über ein KUV von 2,5 respektive 4,5. Teure KUV notieren über einem Verhältnis von 10. Beispielsweise gehören VAT oder Molecular Partners mit 13,4 und 28,2 zu den teureren Schweizer Aktien gemäss dieser Bewertungsgrösse.

Operative Verbesserungen mit weiterhin erheblichen finanziellen Risiken

Urs Kunz von Research Partners deckt als einziger Analyst die Aktie von Hochdorf ab. Er stufte das Unternehmen nach der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen im letzten Jahr von «Verkaufen» auf «Halten» empor, rät jedoch explizit von einem Kauf ab.

Zwar sind erste Anzeichen einer Aufhellung aufgrund von erzielten Margenverbesserungen zu sehen, jedoch bestehen weiterhin enorme Unsicherheiten zur finanziellen Situation des Unternehmens. Während Kunz im vergangenen Jahr noch von einem erhöhten Risiko einer Kapitalerhöhung ausging, meinte der Analyst im Nachgang auf das plötzliche Auf- und Abtauchen des Grossaktionärs Newlat, dass eine Kapitalerhöhung nun nicht mehr in Frage käme.

«Um eine Kapitalerhöhung durchführen zu können, braucht es einen Käufer, und dieser lässt sich derzeit nicht finden», so Kunz. Auch Hochdorf-Finanzchef Thomas Freiburghaus meinte während der Generalversammlung im Mai dass eine Kapitalerhöhung «sehr unrealistisch» sei. 

Gemäss Freiburghaus hat das Unternehmen keine Reserven und benötigt eine Lösung für das Schuldenproblem in zwei Jahren. Hochdorf ist derzeit mit Banken über Rückkaufmöglichkeiten des Hybridbonds im Gespräch und möchte noch dieses Jahr zu einem Abschluss über die Finanzierungsfragen kommen.

Zeit scheint davonzulaufen

Doch auch hier sieht Kunz eine Sackgasse. Es sei schwer vorzustellen, unter welchen Bedingungen die Gläubiger der Hybridanleihe einer Umwandlung in Aktien zustimmen würden – derzeit profitieren sie von einer senioritären Behandlung im Falle einer Liquidation. Und für eine Rückzahlung fehlt die Liquidität.

Dem aktuellen Management kann derweil nichts vorgeworfen werden. Sie haben das Beste aus einer desaströsen Lage gemacht. Doch mit konstant steigenden Schuldzinsen, einer festgefahrenen Schuldensituation und keiner wesentlichen Verbesserung des operativen Geschäfts scheint dem Unternehmen die Zeit davonzulaufen.

Research Partners setzt das zwölfmonatige Kursziel bei 11 Franken fest. Das entspricht einem Potenzial von etwa 60 Prozent. Doch ist bei den Titeln höchste Vorsicht geboten. Sie unterliegen enormen Schwankungen. Im Vorfeld der GV stiegen die Valoren von etwa 1.40 Franken auf 16.80 Franken, nur um nach der GV erneut auf 7 Franken zu sinken. 

Bei dieser Kursvolatilität und finanziellen Unsicherheit ist indes nur eines gewiss: Die Aktien lohnen sich nur für Anleger mit kurzfristigem Zeithorizont mit starken Nerven – die auch bewusst das Risiko eines Totalverlustes eingehen können. Vor diesem Hintergrund sind die Titel von Hochdorf tatsächlich günstig. Doch von einer Unterbewertung ist keine Spur.

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