Miese Stimmung, kurze Ruhezeiten und zu wenig Personal
Müde Kabinen-Crews verhindern Starts von Swiss-Fliegern

Hunderte Swiss-Passagiere sind dieser Tage am Boden geblieben. Die Crews hatten sich wegen Übermüdung krank gemeldet, die Flüge fielen aus. In einer internen Facebook-Gruppe machen die Flight Attendants ihrem Ärger über die Arbeitsbedingungen Luft.
Publiziert: 02.05.2022 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2022 um 08:04 Uhr
Sarah Frattaroli

Ohne Crew, kein Flug. Das bekam die Swiss dieser Tage gleich doppelt zu spüren: Am 23. und 30. April konnte sie ihre Flüge zwischen Sao Paulo (Brasilien) und Buenos Aires (Argentinien) nicht wie geplant durchführen. Die Kabinencrew hatte sich kollektiv krank gemeldet. Grund: Ermüdung.

Der Flug am 23. April fiel komplett aus. Der am 30. April konnte immerhin als Cargo-Flug mit weniger Personal durchgeführt werden. Die Passagiere allerdings blieben am Boden. Die Swiss bestätigt die Vorfälle auf Anfrage von Blick. Mehrere Hundert Reisende waren betroffen. Die Swiss musste sie auf andere Flüge umbuchen. Wie viel das die Airline kostete, will sie nicht sagen.

Miserable Ergebnis bei Mitarbeiterbefragung

«Es ist wohl der einzige Weg, gehört zu werden», schreibt eine Swiss-Angestellte in einer internen Facebook-Gruppe. Andere feiern die betroffenen Crews für ihre Arbeitsverweigerung. Die Aktion wird ganz offensichtlich als stiller Protest aufgefasst. «Der Crew ein riesen Dankeschön für euren Mut und das Durchhalten!», schreibt einer.

Das Swiss-Kabinenpersonal von zwei Flügen hat sich wegen Ermüdung kollektiv krank gemeldet. (Archivbild)
Foto: Keystone
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Ein Flight Attendant erzählt Blick anonym vom Fall. Dass es dem Personal ausgerechnet zwischen Sao Paulo und Buenos Aires zu viel wurde, sei kein Zufall. «Das ist eine unheimlich anstrengende Rotation», so der Blick-Informant. Die Crews fliegen zuerst von Zürich nach Sao Paulo. Nach wenigen Stunden Schlaf geht es direkt weiter nach Buenos Aires und zurück. Und schon Tags darauf folgt der Rückflug von Sao Paulo nach Zürich.

Doch das Problem geht weit über die Sao-Paulo-Flüge hinaus. «Es herrscht eine schlechte Grundstimmung», sagt der Blick-Informant und weist auf die jüngste Mitarbeiterbefragung der Swiss hin. Das Swiss-Personal stellt seinen Chefs darin ein hundsmiserables Zeugnis aus.

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Langstreckenflüge werden zur Tortur

Sandrine Nikolic-Fuss (53) von der Gewerkschaft des Kabinenpersonals Kapers bestätigt den Frust: «Das Personal muss seit einem Jahr viel auf sich nehmen.» Wegen der Pandemie ist bei der Swiss ein spezieller Krisen-Gesamtarbeitsvertrag (GAV) in Kraft. Damit die Airline nicht pleite ging, gab es Massenentlassungen, ein Teil des 13. Monatslohns wurde gestrichen, die Rotationen verkürzt.

Den Arbeitseinsatz mit ein paar Tagen Entspannung in den Tropen verbinden? Das war einmal. Auf Langstrecken fliegt das Personal zum Beispiel nach Hongkong, verbringt dort wenige Stunden in einem Hotel und fliegt direkt wieder zurück. Die Airline selber gibt auf Anfrage zu, dass die Arbeitsbedingungen für das Personal «sehr anspruchsvoll und herausfordernd» seien.

«Die natürliche Fluktuation beim Kabinenpersonal ist schon in normalen Zeiten hoch», ergänzt Gewerkschafterin Nikolic-Fuss. «Nun verlassen uns noch mehr Leute.» Gepaart mit der Entlassung von über 500 Angestellten in der Pandemie führt das zu einem massiven Personalmangel. Im Sommer fallen Hunderte Swiss-Flüge aus, weil das Personal fehlt.

Die Swiss stellt nun laut eigenen Angaben im Laufe des Jahres neues Kabinenpersonal «im dreistelligen Bereich» ein. «Aber das geht nicht von heute auf morgen», so Nikolic-Fuss. «Es braucht Zeit, bis die Leute ausgebildet und eingearbeitet sind, bis eine Routine entsteht.» Immerhin: Ein Teil der Neulinge sind alte Hasen. Die Hälfte der Corona-bedingt Entlassenen kehrt zur Swiss zurück.

Swiss-Führung krebst zurück

Die Flugausfälle zwischen Sao Paulo und Buenos Aires setzen die Swiss nun zusätzlich unter Druck. Der Protest des Kabinenpersonals reiht sich ein in vorangehende Aktionen: So tragen mehrere hundert Swiss-Angestellte bei der Arbeit seit Anfang April einen Zitronen-Pin. Die Aussage: Die Zitrone ist ausgepresst!

Und siehe da, die Aktion trägt im wahrsten Sinne des Wortes Früchte. Mitte April hat die Swiss-Spitze dem Personal Verbesserungen vorgestellt, «um der aktuell herausfordernden und belastenden Situation entgegenzuwirken», wie die Airline schreibt. Neu bleiben die Crews bei gewissen Langstreckenflügen wieder zwei Nächte statt einer in der Zieldestination, bevor sie zurückfliegen. Für Einsätze zu Randzeiten gibt es mehr Geld. Die Gewerkschaft Kapers spricht von «spürbaren Erleichterungen».

Fast genauso wichtig ist Gewerkschafterin Nikolic-Fuss, dass die Protestaktionen der Crews auch bei den Reisenden auf offene Ohren stossen. «Ein Stammkunde hat uns letztens Pralinen an Bord gebracht. Das zeigt mir, dass wir gehört werden.»

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