Mieten steigen, Eigenheim-Preise explodieren
Wie Milliardär Sawiris das Bergdorf Andermatt umpflügt

Der von Samih Sawiris initiierte touristische Ausbau Andermatts hat das Dorf im Urserental stark verändert. Die Zahl der Einwohner und Touristen ist gestiegen. In die Höhe geschossen sind auch Immobilienpreise und Mieten, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt.
Publiziert: 05.06.2021 um 15:11 Uhr

Seit Samih Sawiris (64) in Andermatt UR 2009 die grosse Investitions-Offensive gestartet hat, weht im Bauerndorf ein neuer Wind. Neue Hotels im gehobenen Segment, neue Ferienwohnungen und Villen, ein Konzertsaal, ein Golfplatz oder neue Skilifte und Pisten: Das Gesicht des Durchfahrtsorts auf dem Weg zum Gotthard-Pass hat sich drastisch verändert.

Das kriegt die Bevölkerung auf zwiespältige Art und Weise zu spüren. Zwar hat Sawiris das ganze Urserental aus dem touristischen Dornröschenschlaf gerissen. Doch mit der Luxus-pur-Strategie des ägyptischen Milliardärs schiessen Mieten und Immobilienpreise in ungeahnte Höhen. Das kommt nicht bei allen gut an.

Andermatt wird zum teuren Pflaster

Die Hochschule Luzern untersuchte in mehreren Studien die langfristigen Folgen des Tourismusprojekts. Am Freitag legte sie die vierte und letzte Teilstudie der Jahre 2019 und 2020 vor.

Andermatt UR wird zum teuren Pflaster!
Foto: PIUS KOLLER
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Gemäss der Studie sind seit 2010 die Mietzinsen insgesamt um etwa 45 bis 50 Prozent in die Höhe geklettert. Eine Preissteigerung war vor allem ab 2017 feststellbar. Zum Vergleich: Im Urner Hauptort Altdorf stiegen die Mieten nur um 5 Prozent.

Starke Preissteigerungen gab es auch für das Wohneigentum. Um bis zu 500 Prozent schnellten die Preise für Einfamilienhäuser in die Höhe – und das innert 14 Jahren! Selbst die Preise für Eigentumswohnungen stiegen im gleichen Zeitraum um 200 Prozent und werden damit für viele Andermatter zum unbezahlbaren Gut.

Doch nicht nur Wohneigentum wird zum Luxusgut: Gemäss der Studie sind seit 2010 die Mietzinsen insgesamt um etwa 45 bis 50 Prozent in die Höhe geklettert. Eine Preissteigerung war vor allem ab 2017 feststellbar. Zum Vergleich: Im Urner Hauptort Altdorf stiegen die Mieten nur um 5 Prozent.

Furcht vor Zweiklassengesellschaft

Optisch besteht Andermatt heute aus zwei Dörfern – der alte Kern, entlang der alten Gotthardstrasse und das neue Resort. Die Studie zeigt, dass dies nicht bei allen Einheimischen gut ankommt. Sie fürchten, dass es auch gesellschaftlich zwei Andermatt geben könnte, und sie sich nicht mehr zugehörig fühlen könnten.

Wer in Andermatt eine Wohnung mieten möchte, brauche ein grösseres Budget, erklärten die Studienverfasser. Sie führen dies darauf zurück, dass die Bevölkerung von Andermatt grösser geworden, das Angebot an Mietwohnungen aber nicht im gleichen Ausmass gewachsen sei.

Trotz der höheren Wohnkosten nahm die Bevölkerung von 2009 bis 2019 von 1260 auf 1410 zu, was einem Wachstum von elf Prozent in zehn Jahren entspricht. Im gleichen Zeitraum verdoppelten sich die Kantonssteuereinnahmen auf der Gemeindeebene.

Ehrenbürger Sawiris

Damit stoppt Super-Investor Sawiris einen langanhaltenden Trend. Zwischen 1970 und 2000 verlor Andermatt rund 20 Prozent seiner Einwohner. Das Dorf drohte mit zunehmender Urbanisierung und fehlender Wirtschaftskraft in der Versenkung zu verschwinden.

Für die Tourismusbranche hat sich der Ausbau des Ferienorts gelohnt. Von 2009 bis 2019 kletterte die Zahl der jährlichen Logiernächte von 73'000 auf 129'000. Zudem gibt es in Andermatt ein breiteres Freizeit- und Kulturangebot, das auch die Einheimischen nutzen können.

Zumindest die lokale Politik rühmt Sawiris Engagement: Erst kürzlich überreichte der Präsident des Landrats Ruedy Zgraggen (68, CVP) dem Ägypter die Ehrenbürgerurkunde. Die Laudatio hielt hielt der wohl berühmteste Andermatter, der ehemalige Abfahrtsolympiasieger Bernhard Russi (72), der selbst am Projekt mitgearbeitet hatte.

Doch auch viele Einwohnerinnen und Einwohner blicken positiv in die Zukunft und würden mehr Chancen als Nachteile sehen, die das Resort bringe, heisst es in der Studie. Ein Schlüssel für eine positive weitere Entwicklung sei, dass die Bevölkerung in diese integriert werden könne. (ste/SDA)

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