Milliardär und Philanthrop Hansjörg Wyss (86) prüft Kauf des Champions-League-Gewinners von Oligarch Abramowitsch
«Ich kann mir den Einstieg bei Chelsea gut vorstellen»

Der in den USA lebende Hansjörg Wyss ist einer der reichsten und einflussreichsten Schweizer. Im exklusiven Blick-Interview packt er über den Ukraine-Krieg aus, attackiert den Bundesrat und verrät, dass er den Kauf des FC Chelsea prüft.
Publiziert: 01.03.2022 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 11.11.2022 um 11:44 Uhr
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Nicola ImfeldTeamlead Wirtschaft-Desk

Hansjörg Wyss (86) ist der wohl einflussreichste Schweizer weltweit. Der gebürtige Berner wird in Amerika als politischer Strippenzieher angesehen. Öffentlich äussert er sich kaum, gilt als Phantom. Die Ereignisse der letzten Tage mit dem Beginn eines Krieges in Europa haben Wyss aufgewühlt. Im exklusiven Blick-Interview packt er nun aus.

Blick: Waren Sie überrascht, dass Wladimir Putin aufs Ganze geht und seine Truppen in die Ukraine einmarschieren lässt?
Hansjörg Wyss: Nein, überhaupt nicht. Putin stellt doch nicht ohne Angriffsplan über 150'000 Soldaten an der ostukrainischen und belarussischen Grenze auf. Meine indirekten Kontakte in Washington und im Weissen Haus haben schon vor Wochen gesagt, dass Putin den Krieg unbedingt will. Sie haben uns immer wieder gesagt: Putin ist ausser Kontrolle!

Amerika hat mit seinen westlichen Nato-Partnern in Europa ausgeschlossen, militärisch in der Ukraine einzugreifen. Stattdessen überziehen sie Russland mit Sanktionen. Ist das der richtige Weg?
Das Vorgehen des Westens ist ausgezeichnet. Der Westen kann doch mit den Russen keinen Krieg in der Ukraine beginnen. Aber jede Bestrafung in Form von Sanktionen ist richtig und wichtig. Gerade dass die russischen Oligarchen von den Amerikanern und Europäern ins Visier genommen werden, ist zentral. Denn sie haben womöglich einen Einfluss auf Putin.

Der Schweizer Milliardär Hansjörg Wyss prüft den Kauf des englischen Fussballklubs Chelsea.
Foto: Keystone
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Einer von ihnen ist Roman Abramowitsch. Er hat am Samstag die Führung des englischen Fussballklubs Chelsea abgegeben.
Abramowitsch gehört zu den engsten Beratern und Freunden von Putin. Er ist wie alle anderen Oligarchen auch in Panik. Abramowitsch versucht gerade, alle seine Villen in England zu verkaufen. Auch Chelsea will er nun schnell loswerden. Ich habe mit drei weiteren Personen am Dienstag ein Angebot erhalten, um Chelsea von Abramowitsch zu kaufen.

Wie bitte? Werden Sie Chelsea kaufen?
Da muss ich jetzt vier bis fünf Tage zuwarten. Abramowitsch fordert derzeit viel zu viel. Wissen Sie: Chelsea steht bei ihm mit zwei Milliarden Pfund in der Kreide. Aber Chelsea hat kein Geld. Bedeutet: Diejenigen, die Chelsea kaufen, sollen Abramowitsch entschädigen.

Aber Sie hätten das Geld ...
Wir kennen Stand heute noch nicht den genauen Verkaufspreis. Ich kann mir den Einstieg bei Chelsea mit Partnern gut vorstellen. Aber die Rahmenbedingungen muss ich jetzt zuerst genau prüfen. Was ich aber schon sagen kann: So etwas mache ich ganz sicher nicht alleine. Wenn ich Chelsea kaufe, dann mit einem Konsortium bestehend aus sechs bis sieben Kapitalgebern.

Zurück zur Politik: Der Bundesrat wollte die angesprochenen EU-Sanktionen zuerst aus Neutralitätsgründen nicht übernehmen und hat am Montag dann doch noch eingelenkt. Konnten Sie das Vorgehen verstehen?
Ich war über das Wochenende sehr beunruhigt, dass wir nicht das Vorgehen der EU, der USA und anderen westlichen Staaten unterstützten. Es ist beschämend, wie unvorbereitet der Bundesrat und seine Departemente auf diese Krise waren. Er hätte bereits am Samstag oder Sonntag in einer ausserordentlichen Sitzung seinen Entscheid revidieren sollen. So sind wir auf der ganzen Welt in die Kritik geraten – und das völlig zu Recht!

SVP-Stratege Christoph Blocher ist mit vielen Parteimitgliedern anderer Meinung. Die Schweiz verletze mit der Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland ihre Neutralität.
Schwachsinn! Wir waren in Konflikten doch noch nie neutral. Christoph Blocher soll zurück in den Geschichtsunterricht. Im Zweiten Weltkrieg beispielsweise haben wir Waffen an beide Seiten verkauft. Und wir haben auch Hitlers Güterzüge nach Italien durchgelassen. Auch im Kalten Krieg waren wir nicht neutral – nur darüber spricht niemand.

Die Schweiz war doch sehr wohl neutral im Kalten Krieg.
Unsere Generäle haben mit der Nato einen Plan entwickelt, wie sich die Schweiz im Falle eines Angriffs von Russland verhalten soll. Das habe ich aus erster Hand. Aber ich werde die Namen nicht preisgeben.

Und wie sah dieser Plan denn aus?
Die Schweiz war geografisch ideal positioniert, um einen Angriff der russischen Panzer durch den Mittellandkanal zu erleben und dann zuschauen zu müssen, wie diese den Nato-Truppen in den Rücken fallen. Der Westen wusste das und bereitete die Schweiz darauf vor, dies zu verhindern. Unsere Generäle besuchten damals dafür Militärakademien in den USA und in Deutschland. Sie sehen also: Die Schweiz war nie neutral.

Welche Rolle kann die Schweiz im Ukraine-Konflikt denn jetzt noch spielen, wenn sie nicht neutral agiert?
Der Bundesrat soll heute Mittwoch umgehend Brüssel und Washington konsultieren und die Sanktionen gemeinsam mit den westlichen Partnern auf Belarus ausweiten. Wir müssen jetzt zeigen, dass wir solidarisch sind mit Amerika, der EU und Grossbritannien.

Aber dann können wir uns einen Friedensgipfel in Genf endgültig abschminken.
Es spielt doch keine Rolle, wo diese Verhandlungen letztlich stattfinden. Wir befinden uns im Herzen Europas, inmitten der EU. Die Schweiz darf nicht den Goodwill verspielen, nur um auf mögliche Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu spekulieren. Der Preis, den wir dafür bezahlen, ist viel zu hoch.

Schweizer Milliardär in Amerika

Hansjörg Wyss (86) wurden die Milliarden nicht in die Wiege gelegt. Aufgewachsen in einer kleinen Dreizimmerwohnung im Berner Weissensteinquartier, brachte es Wyss zum Multimilliardär. Er studierte an der ETH Zürich Bauingenieurwesen und später an der renommierten Harvard Business School. Im Jahr 1977 kaufte er sich in die Orthopädiefirma Synthes ein, die sich als Goldgrube entpuppte. 2012 verkaufte Wyss Synthes an den US-Pharmariesen Johnson & Johnson. Mit seiner Wyss Foundation setzt er sich für den Erhalt der Landschaft und den Artenschutz ein. Wyss lebt seit 40 Jahren in Amerika, ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Hansjörg Wyss (86) wurden die Milliarden nicht in die Wiege gelegt. Aufgewachsen in einer kleinen Dreizimmerwohnung im Berner Weissensteinquartier, brachte es Wyss zum Multimilliardär. Er studierte an der ETH Zürich Bauingenieurwesen und später an der renommierten Harvard Business School. Im Jahr 1977 kaufte er sich in die Orthopädiefirma Synthes ein, die sich als Goldgrube entpuppte. 2012 verkaufte Wyss Synthes an den US-Pharmariesen Johnson & Johnson. Mit seiner Wyss Foundation setzt er sich für den Erhalt der Landschaft und den Artenschutz ein. Wyss lebt seit 40 Jahren in Amerika, ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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Putin hat die Ukraine angegriffen. Wozu ist er noch fähig?
Das Problem ist, dass Putin derzeit isoliert ist. Er hat keine guten Berater um sich. Der Druck im Inland steigt. Das macht Putin umso gefährlicher und unberechenbarer. Sein Ziel ist es, Grossrussland wieder herzustellen. Es ist deshalb denkbar, dass er auch andere baltische Staaten noch angreift.

Dann würde aber die Nato eingreifen. Das wäre wohl der dritte Weltkrieg.
Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt. Aber leider ist Putin derzeit ausser Rand und Band. Er hat die Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Ihm ist alles zuzutrauen.

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