Mitangeklagter Stocker im Vincenz-Prozess über die U-Haft
«Als Erstes bekam ich ein rosarotes Kondom. Da wusste ich, das kommt nicht gut»

Am 25. Januar beginnt einer der grössten Wirtschaftsprozesse der Schweizer Geschichte. Einer der Hauptangeklagten im Raiffeisen-Prozess redet nun erstmals offen über seine Zeit in Untersuchungshaft.
Publiziert: 02.01.2022 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 02.01.2022 um 15:16 Uhr

Beat Stocker (61) arbeitete lange Jahre Seite an Seite mit dem damaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz (65). Der Mann der grossen Auftritte war er nie. Diese Rolle überliess er Vincenz. Stocker wirkte im Hintergrund. Damit ist nun offenbar Schluss. «Früher riefen die Fotografen bei gemeinsamen Auftritten, ob der Mann neben Pierin Vincenz bitte aus dem Bild gehen könne», erinnert er sich.

Wenige Wochen vor Beginn des grössten Wirtschaftsstrafrechts-Prozesses der letzten Dekade am Bezirksgericht Zürich hat sich der frühere Strategieberater entschieden, seine Sicht auf die Geschichte rund um die damaligen Ereignisse in der «NZZ am Sonntag» erstmals öffentlich zu schildern. «Ich schaue mit gemischten Gefühlen auf den Prozess. Ich glaube, würde man in der Öffentlichkeit heute fragen, wer ich bin, käme die Antwort, ich sei irgend so ein smarter Berater und Einflüsterer von Herrn Vincenz», so Stocker.

«Im Interesse des Arbeitgebers gehandelt»

Die Anklage wirft Vincenz und Stocker vor, sie hätten sich verdeckt privat an mehreren Start-ups beteiligt. In der Folge hätten die beiden ihre Rollen als oberste Kader bei der Bankengruppe Raiffeisen und bei der Kreditkartenfirma Aduno ausgenützt. Sie hätten auf die Übernahme dieser Start-ups hingearbeitet und so Millionen in die eigenen Taschen geleitet, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Zürich III.

Beat Stocker, Mitangeklagter im Raiffeisen-Prozess.
Foto: ZVG
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Stocker wehrt sich nun vehement gegen diese Darstellung. Für ihn sei es klar gewesen, dass «ich diese privaten Positionen in meiner Rolle als selbständiger Unternehmer tragen durfte», sagt Stocker in der «NZZ am Sonntag». Das sehe er auch heute noch so. Er argumentiert gar, er habe mit diesen privaten Engagements zuerst in seiner Rolle als CEO und später als Verwaltungsrat der Aduno «stets im Interesse meines Arbeitgebers» gehandelt.

«Jetzt können Sie duschen»

Selbstkritisch sieht Stocker heute, dass er damals seine privaten Engagements nicht mit dem Verwaltungsrat diskutiert habe. Und er erinnert sich an den Februar 2018. «Ich war noch sehr zuversichtlich, als die Kantonspolizei an jenem Morgen um sechs Uhr bei mir klingelte. Erst mein Anwalt erklärte mir, wie ernst die Situation ist. Auf dem Polizeiposten wurden mir das erste Mal Handschellen angelegt, und ich verbrachte die Nacht im Polizeigefängnis mit einem Mexikaner, der offensichtlich einen Drogenflash hatte», so Stocker weiter.

Die Zeit als Multimillionär im Knast sei der Horror gewesen.

«Das kommt nicht gut»

Gleich zu Beginn sei ihm im Gefängnis Pfäffikon ZH ein Stapel mit Bettlaken und einem Badetuch übergeben worden. «Obendrauf lag ein rosarotes Kondom. Und dann hiess es, Sie können jetzt duschen, Herr Stocker. Ich dachte, ou Stocker, das kommt nicht gut.»

Der Prozess gegen Stocker und sechs weitere Beschuldigte beginnt am 25. Januar. Den beiden Hauptangeklagten Vincenz und Stocker drohen mehrjährige Haftstrafen. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. (pbe)

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