Mount Everest und Elefantenjagd
So holen sich Reiche den ultimativen Kick

Der Untergang des «Titanic»-Tauchbootes «Titan» rückte das Abenteuerbusiness für Superreiche in den Fokus. Das sind die extremsten Angebote.
Publiziert: 26.07.2023 um 09:49 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2024 um 14:31 Uhr
Gabriel Knupfer
Handelszeitung

Der ultimative Thrill ist käuflich und manchmal tödlich. Im Juni starb der britische Milliardär Hamish Harding gemeinsam mit dem pakistanischen Geschäftsmann Shahzada Dawood und dessen Sohn sowie zwei weiteren Männern auf einer Expedition zum Wrack der «Titanic» im eisigen Nordatlantik. Zuvor war Harding unter anderem mit Jeff Bezos’ Weltraumtourismusanbieter Blue Origin im erdnahen Weltall gewesen und mit White Desert Antarctica am Südpol.

Harding, der sein Geld als Flugzeugvermittler in Dubai verdiente, ist damit ein Paradebeispiel für einen Typus von Superreichen, die als Abenteurer nach Erfüllung suchen. Findige Geschäftsleute wie Oceangate-Chef Stockton Rush, der beim «Titan»-Unglück ebenfalls starb, liefern ihnen Erfahrungen, die Normalsterblichen grösstenteils verschlossen bleiben – oder nur mit einem völlig auf das Ziel ausgerichteten Leben erreichbar sind.

Um als echte Abenteurer zu gelten, ist einigen Superreichen kein Preis zu hoch. So kostete der tödliche Ausflug zur «Titanic» 250’000 Dollar. Um die Kundschaft bei der Stange zu halten, müssen sich die Anbieter oft vom Tourismuslabel distanzieren, auch wenn der angebliche wissenschaftliche oder anderweitige Nutzen für die Menschheit eher weit hergeholt ist. In einem Werbevideo für die «Titanic»-Expeditionen betonte Oceangate, dass die zahlenden Gäste nicht Touristinnen und Touristen, sondern «Missionsspezialisten» seien. Sie würden für die Expedition ausgebildet und bekämen Aufgaben in der Wartung des Tauchboots und bei der Beobachtung des Wracks der «Titanic», dessen Zerfall zu dokumentieren das erklärte Ziel der Firma war.

Manche Reiche sind bereit, für die Jagd ihres Lebens viel Geld zu bezahlen – je nach Land, Begleitung und Abschussrechten bis hunderttausend Franken.
Foto: Keystone
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Hamish Harding nach seinem Blue-Origin-Flug. Harding starb an Bord der «Titan».
Foto: Keystone

Dass mit dem bei der Katastrophe ebenfalls verstorbenen Paul-Henry Nargeolet ein «Titanic»-Forscher als Guide teilnahm, gehört ebenfalls zum wissenschaftlichen Anstrich, den sich das Business gibt. In der Realität geht es bei all diesen Abenteuern eher um Selbstbestätigung und Prestige für die Teilnehmenden. Das zeigt das Beispiel des 19-jährigen Suleman Dawood, der einen Rubikwürfel an Bord des verunglückten Tauchboots mitnahm, um einen Eintrag ins «Guinessbuch der Rekorde» zu schaffen.

Seit der Pandemie habe sich das Geschäft verändert, sagte Expeditionsleiter Garrett Madison von Madison Mountaineering gegenüber der Zeitschrift «Wired». Reiche würden heute ganze Expeditionen buchen, zum Beispiel zur Besteigung des Mount Vinson, des höchsten Berges der Antarktis. «Das ist der neueste Trend: Milliardäre, die ihr eigenes privates Abenteuer mit Freunden erleben wollen. Sie fliegen mit einem Privatjet in die Antarktis. Das ist die nächste Stufe.»

Das Ende der «Titan» dürfte dem Geschäft mit dem Abenteuer keinen Abbruch tun. Denn die Todesgefahr ist Teil des Reizes solcher Expeditionen. Der britische Entrepreneur Jules Mountain, der unter anderem auf dem Everest und am Nordpol war und mit einem Bell-505-Helikopter den Atlantik überquerte, drückte es gegenüber «Wire» so aus: «Solche Abenteuer sind immer mit Risiken verbunden. Sonst würde sie jeder machen.»

Elefant in Botswana: Das Land hat eine besonders hohe Konzentration der begehrten Ziele von Trophäenjagden.
Foto: IMAGO/VWPics

Elefantenjagd

Prestige: 1 von 5 Sternen

Preis: 2 von 5 Sternen

Für die meisten Menschen ist es eine abscheuliche Vorstellung, einen Elefanten zu erschiessen. Doch manche Reiche sind bereit, für die Jagd ihres Lebens viel Geld zu bezahlen. Davon zeugen die vielen Anbieter, die im Internet solche Jagden anpreisen. Elefanten dürfen in den acht afrikanischen Ländern Kamerun, Tansania, Sambia, Mosambik, Simbabwe, Botswana, Namibia und Südafrika geschossen werden. Besonders beliebt ist dabei Botswana, wo die Konzentration der Elefanten am höchsten ist. Die Trophäenjagdindustrie bringt diesen Ländern einen Teil ihres Tourismuseinkommens.

Eine Elefantenjagd sei «wahrscheinlich die härteste Jagd, die Sie jemals in Afrika erleben werden», heisst es beim Online-Portal Bookyourhunt.com. Zum Adrenalinschub während der Jagd auf das grösste Landtier komme die Gefahr, «dass Sie zum Gejagten werden, wenn ein Elefant verwundet wird».

Mit Trophäe kostet eine Elefantenjagd mehrere zehn- bis hunderttausend Franken, je nach Land, Begleitung und Abschussrechten. Oft können dabei auch weitere Wildtiere wie Leoparden oder sogar Löwen geschossen werden. Für die Elefanten hängt der Preis stark von der Grösse der Stosszähne ab und kann deshalb nicht generell festgelegt werden. Deutlich günstiger sind Jagden ohne Ausfuhrgenehmigung für die Trophäen.

Prahlen kann man mit dem Abschuss eines Elefanten aber ohnehin nicht. Viel eher droht bei Bekanntwerden ein Shitstorm. Ausserdem gibt es in der Schweiz und in anderen Ländern Bestrebungen, die Einfuhr von Jagdtrophäen seltener Tiere zu verbieten.

2019 kam es am Mount Everest zu einem berühmten Stau, weil so viele Menschen am gleichen Tag auf den Gipfel wollten.
Foto: Keystone

Mount Everest

Prestige: 4 von 5 Sternen

Preis: 1 von 5 Sternen

Der höchste Berg der Welt übt schon lange eine grosse Faszination auf die Menschen aus. Inzwischen ist es aber auch mit relativ bescheidenen bergsteigerischen Fähigkeiten möglich, den Gipfel auf 8848 Metern über Meer zu erreichen. Es sei zwar vielleicht keine sportliche Extremleistung und sicher keine Errungenschaft für die Menschheit mehr, schreibt der Schweizer Anbieter Summitclimb: «Jedoch ist und bleibt es eine starke persönliche Leistung, auf den Gipfel zu gelangen.»

Trotz den Berichten über Müll und Massentourismus standen bisher erst rund 10’000 Menschen auf dem Gipfel des Everest. Es ist also weiterhin ein exklusiver Klub, auch wenn die Zahl der Besteigungen in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. Dazu kommt als weiterer Anreiz die Gefahr: Über 300 Menschen starben bisher am Berg. Die Todesrate beträgt je nach Berechnungsmethode zwischen 1 und 3,5 Prozent. Laut Expeditionsleiter Garrett Madison liegt sie damit höher als die Todesrate für US-Soldaten in den jüngsten Kriegen.

Wer den Everest besteigen will, sollte laut Summitclimb Höhenerfahrung aus mehreren Expeditionen auf über 7000 Metern Höhe und eine überdurchschnittlich starke Kondition mitbringen. Vorteilhaft sei schon vorhandene 8000-Meter-Erfahrung. Ein persönlicher Sherpa mit 1:1-Führung könne diese Voraussetzungen etwas abschwächen und die Chancen auf Erfolg erhöhen, schreibt Summitclimb. Preislich sind je nach Anbieter und Unterstützung etwa 40’000 Franken realistisch. Dazu kommen Ausrüstung und Training, die individuell sehr unterschiedlich sein können, aber einen weiteren grossen Kostenpunkt darstellen.

Jeff Bezos posiert nach dem ersten Blue-Origin-Flug mit seinem Halbbruder Mark sowie den Bezahlgästen Oliver Daemen und Wally Funk.
Foto: Keystone

Suborbitaler Raumflug

Prestige: 2 von 5 Sternen

Preis: 4 von 5 Sternen

Während die Besteigung des Everests monatelange Vorbereitung und oft eine mehrwöchige Expedition erfordert, dauert ein suborbitaler Raumflug mit Jeff Bezos’ Blue Origin nur elf Minuten und stellt keinerlei körperliche Ansprüche an die Teilnehmenden. Dass das Abenteuer dennoch begehrt ist, liegt an der Exklusivität von Weltraumflügen: Weniger als tausend Menschen haben bisher die Kármán-Linie in hundert Kilometern Höhe überquert, die die Erdatmosphäre vom Weltraum abgrenzt.

Mit der Suborbitalrakete «New Shepard» erfahren die Weltraumtouristen und -touristinnen mehrere Minuten der Schwerelosigkeit und können die Erde aus dem «grössten Fenster im Weltraum» betrachten. Bei den meisten bisherigen Flügen waren sowohl Bezahlgäste als auch Prominente dabei, die von Blue Origin eingeladen worden waren. Dazu gehörten mit Wally Funk, die bei ihrem Flug 82 Jahre alt war, und dem Schauspieler William Shatner, der bei seinem Flug sogar schon 90 war, die bislang ältesten Menschen im Weltall. Der erste Bezahlgast war der damals 18-jährige Oliver Daemen, der bisher jüngste Mensch im Weltall.

Der erste Sitz in einem Blue-Origin-Flug wurde für 28 Millionen Dollar vom chinesischen Kryptounternehmer Justin Sun ersteigert, der aber aus Zeitgründen nicht teilnehmen konnte. In der Zwischenzeit ist der Preis deutlich gesunken. Zwar passt Blue Origin den Ticketpreis jeweils für die Teilnehmenden individuell an, aber die 2,5 Millionen Dollar, die eine Kryptofirma 2022 für zwei Plätze bezahlte, gibt einen Eindruck vom Rahmen, in dem sich die Kosten bewegen.

Selbst die Antarktis wird zum Spielplatz für Superreiche, wie dieses Pressefoto von White Desert zeigt.
Foto: ZVG

Südpol

Prestige: 2 von 5 Sternen

Preis: 3 von 5 Sternen

Die Antarktisforschung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war geprägt von schier unmenschlichen Entbehrungen und kulminierte im Duell zwischen dem Norweger Roald Amundsen und dem Briten Robert Scott, der nach seiner Niederlage auf der Rückreise vom Südpol mit seinen Männern an Kälte und Unterernährung starb. Die heroische Geschichte mag die anhaltende Faszination des Südpols erklären, doch mit der Realität vor Ort hat sie wenig zu tun. Heute lassen sich die Reichen mit dem Flugzeug direkt an den südlichsten Punkt der Erde fliegen.

Den Reisenden mangelt es an nichts. So bietet beispielsweise White Desert für umgerechnet knapp 100’000 Franken einen einwöchigen «Glamping»-Trip zum Südpol, inklusive Abstecher zu den Kaiserpinguinen, an. Übernachtet wird im Luxuscamp mit futuristischen Kapseln, die aussehen, als wären sie direkt vom Mars gebeamt worden. Die möglichen Aktivitäten ums Camp umfassen neben Skifahren und Campen in einem Expeditionszelt auch «Fatbiken», Bergsteigen und Abseilen.

Der beim «Titan»-Unglück verstorbene Hamish Harding sei ein guter Freund gewesen, teilte White-Desert-Gründer Patrick Woodhead laut dem Magazin «Wired» mit. «Er ist schon mehrmals mit uns in die Antarktis gereist, unter anderem mit dem Astronauten Buzz Aldrin.»

Bei anderen Anbietern ist die Reise zum Südpol auch schon für rund 50’000 Franken zu haben. Ebenfalls beliebt sind Besteigungen des höchsten Berges der Antarktis, des fast 5000 Meter hohen Mount Vinson. Kostenpunkt: rund 40’000 Franken.

Die Internationale Raumstation (ISS) soll in den nächsten Jahren stärker auf kommerzielle Raumflüge ausgerichtet werden.
Foto: imago images/ZUMA Wire

International Space Station (ISS)

Prestige: 5 von 5 Sternen

Preis: 5 von 5 Sternen

Die Internationale Raumstation (ISS) ist die grösste und langlebigste Raumstation der Menschheit und das grösste menschengemachte Objekt im All. Rekordverdächtig sind auch die Kosten für Bau und Betrieb: Bereits 2010 wurden sie auf 150 Milliarden Dollar geschätzt, bis heute dürften sie sich auf über 200 Milliarden Dollar erhöht haben.

Normalerweise ist die Raumstation der Forschung vorbehalten, doch auch einige Superreiche kauften sich einen der begehrten Aufenthalte im Weltall. Während die ersten Weltraumtouristen und -touristinnen mit russischen Sojus-Kapseln zur ISS flogen, vermittelt inzwischen das Unternehmen Axiom Space Flüge mit der Crew-Dragon-Raumkapsel von Elon Musks Raumfahrtfirma Space X. Die drei Plätze für die «Axiom Mission 2» im Mai 2023 wurden für je 55 Millionen Dollar verkauft.

Gemeinsam mit der Nasa will Axiom die Raumfahrt weiter kommerzialisieren. Die Firma wurde ausgewählt, dafür zusätzliche Stationsmodule an die ISS anzukoppeln. Die Raumstation könnte so zu einer Art Hotel für die Reichsten der Reichen werden.

Eine weltraumtouristische Mission mit einer Space-X-Kapsel im Jahr 2021 führte sogar noch höher als die ISS, die in 408 Kilometern Höhe um die Erde kreist: Die vom Milliardär Jared Isaacman gecharterte Crew Dragon entfernte sich mit drei weiteren eingeladenen Personen bis zu 580 Kilometer von der Erdoberfläche. Isaacman hat zudem mehrere weitere Flüge in Auftrag gegeben, bei denen er als Kommandant einer Crew ins All fliegen und erstmals auch einen touristischen Weltraumausstieg durchführen will.

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