Neuer Flughafen-Chef Lukas Brosi
Er kämpft gegen die Warteschlangen am Flughafen Zürich

Ein neuer CEO in den frühen Vierzigern beim Flughafen Zürich: Lukas Brosi startet im Krisenmodus. Denn der vormalige Vorzeige-Flughafen kämpft mit Gepäckchaos und Warteschlangen. Auch Wachstum liefert das Fluggeschäft kaum noch.
Publiziert: 14.07.2023 um 19:30 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2023 um 19:37 Uhr
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Dirk Ruschmann
Bilanz

Eine Geschichte mit dem Beschreiben des Büros anzufangen, gilt unter Journalisten als lahm und einfallslos. Doch in diesem Fall muss es ausnahmsweise sein. «Das hier ist eigentlich mein Büro», sagt Lukas Brosi, seit Mai CEO der Flughafen Zürich AG – im Sitzungszimmer «Dublin» auf dem 6. Stock des neuen «Circle»; nicht hoch genug, um über die Terminals hinweg Flieger und Rollfeld sehen zu können. «Ich brauche zur Arbeit nur das», deutet Brosi auf seine blaue Laptop-Tasche in der Ecke. Ab und an sitzt er auch oben im 8. Stock, wo dicht an dicht Schreibtische stehen – mit dem Einzug in den «Circle» vor rund drei Jahren institutionalisierte die Flughafen AG das «Shared-Desk-Prinzip». Zwei Bildschirme auf jedem Pult, viele unbesetzt, an der Wand Spinde, schlossgesichert, Nummer 8011 trägt den Namen und ein mässig schmeichelhaftes Passfoto von «Brosi Lukas, Chief Executive Officer». Vier Tischreihen weiter wird der Rücken von Operationschef Stefan Tschudin sichtbar.

Ein Bienenhaus im «Circle»

Die unpersönlichen Arbeitsplätze beschweren Brosi nicht, «ich hatte auch früher praktisch keine privaten Dinge auf dem Pult». Dafür gebe es jetzt am Konzernsitz «mehr Austausch bei uns, wieder einen Bienenhaus-Charakter»: Zuvor auf mehrere Standorte rund um die Pisten verteilt, konnte der Flughafen mit dem Umzug im «Circle» alle Bürolisten zusammenziehen. Die Firma ist hier ihr eigener Mieter. Das Gebäude gehört dem Flughafen zu 51 Prozent, Miteigentümer ist Versicherungs- und Immobilienriese Swiss Life. Den Kaffee zum Gespräch brüht Lukas Brosi eigenhändig auf. Auch sein Postfach leere er selbstverständlich ohne fremde Hilfe, raunt eine Mitarbeiterin.

Speditiv arbeiten sollte der Mann also können. Immerhin hat ihm der Wirtschaftsgott einen Amtsantritt beschert, wie er tückischer kaum sein könnte. Der Flughafen Zürich, weltweit gerühmt für kurze Wege und noch kürzere Durchlaufzeiten von Parkhaus und Bahnhof bis zu den Gates, auch stets vorn gelistet in den vor allem bei selbst ernannten Vielfliegern beliebten Qualitätsrankings – dieser Flughafen leidet neuerdings an ungewohnter Problemdichte. Im Vorjahr strandeten Berge von Koffern in den Gepäckhallen und liessen verstörte Interkontinentalreisende ohne Wechselwäsche zurück, in diesem Frühjahr nun gaben Warteschlangen vor Gepäck- und Passkontrollen, die den Zugang zur Cüpli-Bar zum Orientierungslauf aufwerteten, einen unheilvollen Ausblick auf die Sommer-Reisewelle. Und alles fällt auf den Flughafen und letztlich auf dessen CEO zurück; sogar eine Zeitung, die sich für distinguiert hält, schrieb von einer «Peinlichkeit». «Natürlich stören mich die negativen Schlagzeilen», sagt der Kritisierte, «auch wir sind nicht zufrieden, dass wir am Flughafen die Qualität, die man erwartet und gewohnt ist, derzeit nicht erreichen.» Es solle wieder klassisch «Züri-like» werden, «wir wollen zurück zu den Bestnoten». Immerhin, das ist Brosi wichtig, im Juni liegen die durchschnittlichen Wartezeiten an der Gepäckkontrolle bereits unter 10 Minuten, während es im April noch fast 17 Minuten waren.

«Hands-on» ist eine häufig genannte Eigenschaft des neuen CEO der Flughafen Zürich AG, Lukas Brosi. Der Mann packt an.
Foto: Paolo Dutto für BILANZ
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Das fächelt Hoffnung in die Herzen der Geschäftsreisenden und Urlaubswilligen. Wer allerdings zuvor am Check-in bereits eine halbe Stunde angestanden hat und sich vor dem Gate noch in die Schlange der Passkontrolle einreihen darf, womöglich vor einem USA-Flug auch noch die übliche Sonderbehandlung am Spezial-Counter geniesst, der oder dem helfen die herausgesparten Minuten an der Security nur spärlich weiter. Doch wie am Flughafen üblich, ist das Ganze kompliziert: An der Gepäckkontrolle stellt die Kantonspolizei das Personal, der Flughafen meldet hier seinen Bedarf an. Am Check-in sitzen Mitarbeiter von Ground-Handling-Firmen wie Swissport oder Dnata, bestellt von der jeweiligen Airline, und die Passkontrolle bestückt die Kantonspolizei in eigener Regie, weil das Schützen der Grenze eine hoheitliche Aufgabe ist.

Neue Flaschenhälse

Also: mitgefangen, mitgehangen. Schon daher versagt sich Brosi jegliches Fingerpointing Richtung der Partnerfirmen am «System Flughafen»: «Es geht hier nicht um Schuldzuweisung, sondern alle Beteiligten arbeiten zusammen, damit die Maschine Flughafen wieder rundläuft.» Regelmässig treffen sich diese Firmen auf mehreren Ebenen, auch die Flugsicherung Skyguide sitzt am Tisch – ein Teil der Probleme ist importiert: Lotsenstreik in Frankreich und Lotsenmangel in Deutschland verknappen die Zahl der Slots, also der durchführbaren Flugverbindungen. Die Chefs der Firmen «treffen sich drei bis vier Mal pro Jahr», bestätigt Brosi. Und zwar immer, nicht nur aktuell – weil er weiss und durchblicken lässt: Auch wenn die Koffer wieder rollen und die Kontrollen fliessen, der nächste Flaschenhals entsteht garantiert, nur eben woanders.

Doch Lukas Brosi gehört zur Fraktion der Optimisten: Dass es naiv sei, zu glauben, es laufe 2023 «deutlich reibungsloser als letztes Jahr», hatte sein Vorgänger Stephan Widrig im Frühling gewarnt, und die Flugleitstelle Eurocontrol fürchtete gar «das herausforderndste Jahr seit einem Jahrzehnt» herbei. Brosi hingegen geht davon aus, dass es nicht so schlimm wird wie im Vorjahr. Es brauche jetzt «maximale Flexibilität und Einsatzbereitschaft» aller Beteiligten. Auch hat die Kantonspolizei für die Gepäckdurchleuchtung 200 neue Personen eingestellt, dafür erspart sie sich die Mühe, diesbezügliche Anfragen zu beantworten. Brosi selber will die Flughafen AG, derzeit 2000 Mitarbeiter stark, um 300 Leute aufstocken.

Eine neue Welt: Gehen Koffer verloren, werden Flüge gestrichen oder Anschlüsse verpasst, richtet sich der Zorn fast immer gegen die Airline, ob sie nun tatsächlich Schuld hat oder nicht – Social Media borden über vor Hasskommentaren auf alles, was fliegt, Swiss-Chef Dieter Vranckx kann ganze Symphonien davon singen. Nun macht für einmal der Flughafen Zürich diese Erfahrung; Mitverantwortung für die Pannen tragen viele, «peinlich» ist Brosi. Man könnte sagen: Die Ungerechtigkeiten sind nun gerecht verteilt.

Seit 14 Jahren arbeitet Lukas Brosi für den Flughafen, seit 2017 als Finanzchef, seit Mai als CEO, davor war er 14 Jahre bei der UBS – und doch ist Brosi erst 44. Fun Fact: Damit ist er der zweitälteste CEO in der Geschichte des privatisierten Unternehmens. Widrig war rund ein Jahr jünger, als er antrat, und der erste CEO Josef Felder sogar deutlich unter 40. Lediglich Thomas Kern war bereits 53, als er 2008 Felder im Amt beerbte. Woher diese Kultur kommt, jungen Managern solche Chancen zu geben? Brosi weiss es auch nicht, die habe er schon bei seinem Eintritt vorgefunden. Vielleicht hat der damals so jung eingestiegene Felder sie nach und nach implantiert. Er folgte im Frühjahr, zeitgleich mit Brosis Aufstieg, dem Langzeitpräsidenten Andreas Schmid auf den Chairman-Posten.

Nie nur ein CFO

Mit 16 war Lukas Brosi, Heimatort Hochwald, als Lehrling beim damaligen Bankverein in Basel eingerückt, berufsbegleitend addierte er später ein Studium der Betriebsökonomie an der HWV hinzu. Dann, «mit 30, dachte ich, ich möchte noch einmal etwas anderes machen», und exakt am 30. Geburtstag fand das Bewerbungsgespräch am Flughafen statt, «das war ein gutes Omen». Er verdingte sich im Finanzbereich, avancierte 2017 zum CFO – zum Chef seiner bisherigen Kollegen. Nun hat sich das auf Stufe Geschäftsleitung wiederholt. Für Brosi scheint dieser Schritt, an dem nicht wenige scheitern, jedoch nicht viel Spektakuläres an sich zu haben oder gar als Stolperfalle erschienen zu sein: Nüchtern, wie er alle Fragen beantwortet, denkt er kurz darüber nach. Aber ihm fällt nichts Erwähnenswertes dazu ein.

Es mag daran liegen, dass Finanzchefs meist mehr sind als einer unter Gleichen in einer Konzernleitung. Sie agieren als Einzige auf Augenhöhe mit dem CEO und haben das Ganze im Blick, nicht nur eine Division. Ein Insider im Topmanagement berichtet, Brosi sei «nie nur ein CFO» gewesen, könne mehr als Zahlen zählen. Er habe «ein super Gespür für Business Cases» und sei bereit, bei guten Gelegenheiten auch Risiken mitzugehen, «absolut kein Verhinderer». Er könne durchaus Druck aufsetzen, «aber auf eine gute Art», rein inhaltlich getrieben, und sei grundsätzlich «sehr empathisch». Vorgänger Widrig soll Vertrauten gegenüber Brosi dafür gelobt haben, wie gut der Flughafen durch die Pandemie gekommen sei; daran habe der Finanzchef genauso viel Anteil wie Widrig selber.

Auf der ersten Kadertagung, die Brosi als CEO leitete, schenkte er der «Führungscrew» des Flughafens, gut 30 Leute umfassend, ein pinkes Büchlein mit dem Titel «Zusammen arbeiten». Im Verkauf klebt normalerweise ein Sticker «Ein Wegweiser, um gemeinsam Grosses zu erreichen» auf dem Cover. Auch Felder, heisst es, wurde eines zuteil.

Mit dem Präsidenten kommt Brosi bestens aus – insofern wird der zeitgleiche Doppelwechsel auf beiden Führungssesseln keine Verwerfungen auslösen. Schon für den Finanzchef Brosi war Felder als Vorsitzender des Audit & Finance Committee «die wichtigste Anlaufstelle im Verwaltungsrat», mit Felder habe er «die vergangenen sechs Jahre gut zusammengearbeitet», eben auch in Zeiten von Corona. Insider bestätigen, dass sich die beiden blendend verstehen. Diese Harmonie pflegen sie nun weiter, einfach eine Etage höher. Und im Auswahlverfahren für den CEO-Job war sie sicher nicht schädlich.

Lukas Brosi setzte sich gegen Kandidaten von intern und von aussen durch, überzeugte auch in einem externen Assessment. Felder lässt ausrichten, für Brosi habe, neben seinen fachlichen Kompetenzen, gesprochen, dass er für den Verwaltungsrat immer eine Vertrauensperson gewesen sei, einer, «der die Werte transportiert, die uns wichtig sind: Integrität, Menschlichkeit, Transparenz, Vertrauenswürdigkeit und den Anspruch, sich und seine Themen weiterzuentwickeln». Zudem kenne er das Unternehmen und alle strategischen Projekte «sehr gut», habe die Kernthemen Nachhaltigkeit, ICT und das internationale Beteiligungsgeschäft verantwortet. Solche Noten hätten viele gern im Zeugnis stehen.

Hohe Überzeugungskraft

Brosi selbst sagt, er habe sich die Bewerbung genau überlegt, auch mit Freunden im Vorfeld beraten. Ob er der Richtige sei, die anstehenden Themen anzugehen, «und passt dafür auch das Team um mich herum, das meine Ideen umsetzen soll?». Auch die familiäre Situation habe er sich angeschaut. Offensichtlich konnte sich Brosi überzeugen, dass das gut kommt.

Zwei Kinder erziehen Lukas Brosi und seine Frau, Sohn (13) und Tochter (11) benötigen nach wie vor Betreuung. Sie wohnen im Raum Uster, Brosi kommt mit seinem angejahrten Dienstwagen zur Arbeit, einem BMW Kombi mit 110'000 Kilometern auf der Uhr. Während der Corona-Krise einen neuen anzuschaffen, hätte sich nicht geziemt, findet er. Sport treibt er, um fit zu bleiben, joggen, schwimmen, «nichts auf Spitzenathletenniveau». Im Mitarbeitermagazin «Homebase» des Flughafens spricht er allerdings auch von «Sportferien in Dubai» kürzlich – Langlauf in der Wüstenhitze ist schon eher was für Fortgeschrittene. Die Familie verreist gern gemeinsam, im Sommer steht Florida auf dem Programm.

Spezielle Hobbys pflege er nicht. Die Klarinette bläst er nicht mehr, seit seine bei einem Einbruch gestohlen wurde, «aber vielleicht hat sie auch meine Frau verschwinden lassen». Den Satz bringt er so trocken, dass man beinahe glauben könnte, er vermutet das tatsächlich. Zumal er sich Witze ansonsten spart. Doch auch Lukas Brosi gönnt sich ein wenig Rock ’n’ Roll: Nicht nur spaziert er gern durch die «Winterdiensthalle», um den Kopf auszulüften und weil ihn die dort geparkte Fahrzeugflotte fasziniert, er hat sich sogar einen «Kindheitstraum» erfüllt und den Führerausweis für schwere Lastzüge erworben, «ich könnte also vom Passagierbus bis zu den Kehrblasgeräten alles fahren», legte er im «Homebase» offen. Auf diese Weise sind immerhin die Mitarbeiter gewarnt.

Keine schmückenden Girlanden

Verrückte Strategieschwenks muss hingegen keiner befürchten. Auch bei der Swiss, dem wichtigsten Partner am Flughafen, hat sich schnell die Erkenntnis verbreitet, dass man in Brosi ein kooperatives Gegenüber hat, «wie zuvor Stephan Widrig». In bestem Aviatik-Englisch liefern Topleute der Swiss Brosi-Beschreibungen wie «hands-on», «down-to-earth», «helpful» oder auch «no frills». Letzteres charakterisiert das Geschäftsmodell von Lowcost-Fluglinien, die sich auf die Kernleistung, den Flug von A nach B, konzentrieren und auf schmückende Girlanden verzichten.

Dabei hat Brosi gerade mit Lowcostern nicht viel am Hut. Am ZRH verkehren im Wesentlichen EasyJet und Vueling; keine einzige Maschine ist hier fest stationiert. Zwar könnten Billigflieger die wenigen noch bestehenden Lücken im Flugplan auffüllen, jene also, die in den Wellentälern des Swiss-Flugplans liegen: Die Swiss betreibt ein klassisches Drehkreuzsystem mit mehreren An- und Abflugwellen über den Tag, damit etwa Geschäftsreisende früh an ihre Ziele kommen und Umsteiger tagsüber schnelle Verbindungen vorfinden. Das führt zu zeitweiligen Spitzenbelastungen am Flughafen, aber eben auch zu Zeiten relativer Ruhe. Doch «Lowcoster gezielt bei uns anzusiedeln, würde unserem Auftrag widersprechen», sagt Brosi.

Tatsächlich hat die Flughafen AG, obwohl börsenkotiert und mit gewinnorientierten Aktionären bestückt, keinen expliziten Wachstumsauftrag, sondern soll die Infrastruktur betreiben, um die im Land bestehende Nachfrage nach Verbindungen mit der Welt abwickeln zu können. Das Streckennetz ist in Europa, wo die Lowcoster verkehren, längst dicht geknüpft, und so dürften die wenigen Wachstumschancen, die am ZRH noch bestehen, eher neuen Fernzielen zugutekommen: «Wenn die Swiss oder andere Carrier neue profitable Langstrecken eröffnen wollen», so Brosi, «wird es dafür am Flughafen immer Möglichkeiten geben.» Vor Corona plante die Swiss Osaka und Washington, D.C., als neue Ziele, aktuell werfen Insider auch Seoul, Mexico City oder Bangalore in den Ring.

Der Flughafen Zürich in Zahlen

1,02 Milliarden Franken

hat der Flughafen Zürich im Jahr 2022 umgesetzt. Zum Niveau vor Corona im Jahr 2019 fehlen also noch rund 200 Millionen Franken.

52 Prozent

des Umsatzes hat das Nicht-Flug-Geschäft 2022 eingespielt. Retail und Immobilien sind heute grösser als das Business mit Gebühren.

31 Millionen

Passagiere flogen 2019 – vor Corona – über Zürich. Für die kleine Schweiz ist das viel. Das Land profitiert von guter internationaler Anbindung.

1,02 Milliarden Franken

hat der Flughafen Zürich im Jahr 2022 umgesetzt. Zum Niveau vor Corona im Jahr 2019 fehlen also noch rund 200 Millionen Franken.

52 Prozent

des Umsatzes hat das Nicht-Flug-Geschäft 2022 eingespielt. Retail und Immobilien sind heute grösser als das Business mit Gebühren.

31 Millionen

Passagiere flogen 2019 – vor Corona – über Zürich. Für die kleine Schweiz ist das viel. Das Land profitiert von guter internationaler Anbindung.

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Keinesfalls will Brosi, wie der Flughafen Frankfurt, Billigflieger mit Gebühren-Discounts anlocken (und damit die Lufthansa-Gruppe vergrätzen, die prompt Flugzeuge von Frankfurt nach München verlagert hat), «wir werden an der Ein-Preis-Politik bei den Gebühren festhalten», bekräftigt er. Zumal der deutsche Flugkonzern mehr als zwei Drittel des Verkehrsaufkommens, gemessen an Passagiersitzen, in Zürich liefert, die Swiss allein steht für rund die Hälfte. Zu früheren Zeiten, erinnert sich Brosi, «gab es weniger Miteinander», und spielt damit auf den Gebührenstreit an, den der damalige Swiss-Chef Harry Hohmeister vom Zaun brach. Diese Zeiten sind vorbei, auch dank Corona, sagt Brosi: «In der Krise sind wir noch weiter zusammengerückt.»

Dass Wachstum im Fluggeschäft nur noch in homöopathischen Dosen drinliegt, damit hat sich der Airport abgefunden. Ein grossflächiger Umbau mit Auflösung des gefährlichen Pistenkreuzes wäre vorm Stimmvolk wohl chancenlos, und selbst die Pistenverlängerungen, die mehr Sicherheit bei heiklen Starts und Landungen bringen sollen, werden von den Grünen und Linken bekämpft. Dank dieser Blockade müssen bei Bisenlage, wenn der Flughafen aus Sicherheitsgründen die Kapazität um ein Drittel senkt, viele Tonnen Kerosin sinnlos in Warteschleifen verflogen werden. «Man kann einen Flughafen nicht gegen den Willen der Bevölkerung betreiben», sagt Brosi. Wem dieser Satz bekannt vorkommt, der hat ein gutes Gedächtnis: Josef Felder sagte ihn fast wortgleich, vor fast zwei Jahrzehnten. Genauso stabil zeigt sich die Nachfrage auf Kundenseite; das Fluggeschäft steht wieder bei rund 90 Prozent des Niveaus vor Corona, die Retail-Umsätze in den Airport-Shops «sind sogar darüber», sagt Brosi, und «trotz Homeoffice haben wir kaum Büromieter verloren».

Stillstand und Stabilität – diese Ausgangslage wird Brosis Amtszeit definieren. Präsident Felder gibt vor, die «Strategie werde sich nicht wesentlich ändern, sondern punktuell weiterentwickeln», und Brosi betont gleich mehrfach, «es braucht keine grossen strategischen Anpassungen». Es bleibt beim etablierten Geschäftsmodell: Das Wachstumshemmnis Flugbetrieb wird kompensiert durch steigende Umsätze mit Retail und Immobiliengeschäft sowie den Ausbau der internationalen Beteiligungen, wo Brosis Truppe Schweizer Effizienz in die Betriebsgesellschaften von Flughäfen in aufstrebende Märkte exportiert, namentlich nach Indien und Brasilien. Dort fallen zunächst hohe Investitionen an. Den angepeilten Beitrag am Konzerngewinn von 10 bis 15 Prozent dürfte Brosi womöglich Ende 2024 erreichen, wenn der Flughafen Noida in Delhi die Tore aufsperrt. Es ist Brosis grösstes Auslandsprojekt.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

Während Indigo und Air India, zwei Airlines in Indien, wo Brosi den Flugbetrieb organisiert, gerade auf einen Schlag 750 neue Airbusse bestellt haben, trifft er sich in der Schweiz derzeit viel mit Politikern und anderen Stakeholdern, um «mein Gesamtbild zu schärfen und alle Interessenlagen kennenzulernen», hat er zugleich das Klimaschutzziel «Netto null» von 2050 auf 2040 vorverlegt. Das sollte die Grünen freuen und auch ihre Wähler – mutmasslich dieselben, die sich dann in den Schlangen vor der Sicherheitskontrolle über Wartezeiten nerven. Spricht noch jemand über «Flugscham»? Am ZRH treffen Verbotspolitiker und hochfliegende Klimapläne auf die nackte Realität.

Denn fliegen wollen offensichtlich trotzdem (fast) alle, die Terminals sind voll wie selten. In diesem schmalen strategischen Korridor muss Lukas Brosi operieren. Doch wer ein Kehrblasgerät manövrieren kann, findet womöglich auch hier einen Weg.


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