Neues Tool der ETH
KI erkennt jetzt auch Mangelernährung

Mangelernährung betrifft vor allem kranke und alte Menschen – auch in der Schweiz. Mittels eines KI-Trackers will ein ETH-Start-up nun das Problem in den Fokus rücken. In Kürze wird ein kostenloser Online-Selbsttest lanciert, der Mangelernährung erkennen soll.
Publiziert: 29.04.2024 um 09:33 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2024 um 08:33 Uhr
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Ernährst du dich richtig? Selbst in der wohlhabenden Schweiz ist das Phänomen der Mangelernährung weiter verbreitet, als vielfach angenommen.

Das hat ökonomische Folgen. «Jeder fünfte Patient und jeder zweite Bewohner im Altersheim ist nachweislich mangelernährt, was jährlich allein in der Schweiz zu Gesundheitskosten in Höhe von 500 Millionen Franken führt», erklärt Robert Schreiber, Mitarbeiter bei Professorin und Projektleiterin Katrien De Bock am Lehrstuhl «Bewegung und Gesundheit» an der ETH Zürich. In Europa betrügen die Gesundheitskosten wegen Mangelernährung 170 Milliarden Franken.

Deshalb entwickelt er mit einem Team des ETH-Start-ups Alpinasana Lösungen für die Therapie von Mangelernährung. Und greift dabei auf künstliche Intelligenz (KI) zurück.

Ein Team von ETH-Forschern unter der Leitung von Robert Schreiber (r.) Raban Iten (Bildmitte) und Jotam Bergfreund (l.) entwickelte einen Tracker, der mit Hilfe von KI die Nährwerte einer Mahlzeit erfassen kann.
Foto: ETH Zürich (ZVG)
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Eine Kamera, eine Software – et voilà

Die Lösung klingt simpel: Eine 3D-Kamera misst mithilfe von KI genau, welche Nährstoffe eine Person zu sich genommen hat. Zuerst nimmt sie das Menü bildlich auf und berechnet anhand der vorhandenen Speisen und Mengen den Nährwert. Nach der Mahlzeit wird der Rest nochmals aufgenommen. Aus der Differenz ergibt sich, wie viele Nährstoffe die Person zu sich genommen hat.

Die 3D-Kamera ist Industriestandard. Neu ist dagegen die Software.

In diesen Tagen lanciert Alpinasana einen kostenlosen, öffentlichen Schnelltest auf der eigenen Website. «Unser Ziel ist, besonders die Angehörigen von älteren Menschen auf das Problem aufmerksam zu machen», sagt Schreiber.

Spitäler zeigen Interesse

Im Fokus stehen allerdings nicht Konsumenten, sondern Spitäler. Bereits mit 70 Spitälern sei Schreiber im Austausch. Im September wird der Tracker in einer grösseren Studie im Waidspital Zürich getestet sowie 2025 im Kantonsspital Frauenfeld, im Spital Emmental und im Kantonsspital St.Gallen.

Erkennt der Tracker, dass ein Patient zu wenig gegessen hat, kann dies mit Nahrungsergänzungsmitteln gezielt kompensiert werden. Parallel zum Tracker entwickelt Schreiber deshalb am gleichen Institut wie die bekannte Firma Planted Ergänzungsnahrung. Besonders das Defizit an Protein, Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralstoffen soll über diese ausgeglichen werden.

Der Forscher geht davon aus, dass die meisten Patienten viel zu wenig für eine gute Genesung essen. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen: «Wenn ein Patient im Spital mangelernährt ist, treten 30 Prozent mehr Komplikationen auf, und die Wundheilung verläuft um 20 Prozent länger», so Schreiber.

Mangelernährt im Wohlstandsland Schweiz?

Dass Menschen in einem Land, das allgemein für seinen Wohlstand bekannt ist, mangelernährt sein können, mag verwundern. Dennoch gibt es hierzulande verschiedene Faktoren, die einen Einfluss darauf haben können. Gemäss Schreiber kann das gesellschaftliche und finanzielle Gründe haben. Insbesondere ältere Menschen sind sparsam und leisten sich häufig keine ausgewogene Mahlzeit.

Über 65-Jährige sind auch anfällig für Mangelernährung, da sie aufgrund von Altersanzeichen Mühe beim Einkaufen oder Kochen haben. Bei jüngeren Menschen hingegen kann Mangelernährung im Fall von psychischen Beschwerden vermehrt auftreten. Das psychische Wohlbefinden einer Person hat Einfluss auf ihren Ernährungszustand. Spüren wir eine depressive Verstimmung oder stehen unter akutem Stress, kann uns auch einmal der Appetit vergehen.

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