Pharmariese verlost Medikament – Ethikerin entsetzt
Novartis spielt mit dem Leben der Kranken!

Novartis verlost 100 Dosen der teuren Gentherapie Zolgensma. Das sei inakzeptabel, kritisieren die Gesundheitsminister mehrerer Länder. Aus Sicht einer Ethikerin ist es extrem problematisch, wenn das Los über den Zugang zu einem aussichtsreichen Medikament entscheidet.
Publiziert: 30.01.2020 um 23:09 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2020 um 20:31 Uhr
Novartis gab Ende Dezember bekannt, dass dieses Jahr 100 Dosen der millionenteuren Gentherapie Zolgensma verlost werden – in Ländern ausserhalb der USA. In den USA ist die Therapie schon zugelassen.
Foto: AFP
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Claudia Gnehm

Novartis hat Eltern von Kindern bis zwei Jahren, die an der seltenen Muskelschwundkrankheit SMA leiden, in einen Ausnahmezustand von Hoffen und Bangen versetzt. Denn dieses Jahr will Novartis 100 Dosen der millionenteuren Gentherapie Zolgensma verlosen – in Ländern ausserhalb der USA, wo die Therapie noch nicht zugelassen ist.

Die Ethikprofessorin Nikola Biller-Andorno (48) ist entsetzt. Per Los zu entscheiden, wer ein aussichtsreiches Medikament für eine schwere Krankheit erhalten solle, sei ein sehr problematisches Konzept, sagt die Direktorin des Instituts für Biomedizinische Ethik an der Universität Zürich dem BLICK. «Es kommt einem ein bisschen so vor, als würde mit dem Leben oder mit dem Wohlergehen von Menschen gespielt», ergänzt sie.

Zwar könnte man einwenden, eine Lotterie sei immer noch fairer, als wenn es darauf ankomme, bei welcher Kasse man versichert sei oder ob man persönliche Beziehungen oder andere Vorteile habe. Aber, sagt sie, der Anspruch an das Gesundheitswesen sei, effektive Therapien für alle zur Verfügung zu stellen, die sie benötigten.

Scharfe Kritik aus EU-Ländern

Aus Sicht der Medizinethikerin wäre es statt der Lotterie sinnvoller, für eine zügige Prüfung der Zulassung und einen vernünftigen Preis zu sorgen. Angesichts der hohen Summen, die die Schweizer für das Gesundheitswesen und die medizinische Forschung aufwendeten, sollten auch alle bedarfsgerecht versorgt werden.

Biller-Andorno hat Verständnis für die Kritik, die die Gesundheitsdirektoren von Österreich, Irland, Holland und Belgien am Donnerstag in einer gemeinsamen Mitteilung veröffentlichten. Verlosungen seien zwar erlaubt, aber die grosse Verunsicherung, die damit ausgelöst werde, sowie die Intransparenz seien komplett inakzeptabel, schreiben die Minister. Weiter: «Damit wird das Leiden der betroffenen Familien nur vergrössert.»

Novartis findet Los die bestmögliche Lösung

Novartis betont, dass das Vergabeprogramm mit einem unabhängigen Medizinethik-Ausschuss entwickelt wurde. Es solle, ohne ein Kind vor dem anderen zu bevorzugen, mit der beschränkten Zahl von Zolgensma-Dosen die bestmögliche Verteilung ermöglichen. Dem Pharmakonzern sei die Problematik einer Verlosung bewusst.

Damit Patienten an einer der zweiwöchentlichen Verlosungen teilnehmen können, muss eine Bewilligung der Gesundheitsbehörde für die Behandlung vorliegen. Das Gesuch für die Teilnahme an der Verlosung müssen dann die Ärzte des Patienten bei Novartis einreichen, beziehungsweise der Herstellertochter Avexis.

Etwa eines von 10'000 Neugeborenen kommt mit der Krankheit SMA zur Welt, Auslöser ist ein Gendefekt.

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