Rabatte immer höher, Kunden immer geiziger, Angebot verödet
Die Rabattschlacht kennt nur Verlierer

Schon Wochen vor dem offiziellen Sommeranfang trommelten die Läden zum Ausverkauf. GfK-Experte Thomas Hochreutener sagt: «Wer mit 70-Prozent-Rabatten im Ausverkauf wirbt, ist im Jahr darauf weg vom Fenster.»
Publiziert: 29.06.2017 um 09:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:14 Uhr
BLICK gestern vor Ort auf einem Streifzug in der Basler Innenstadt.
Foto: STEFAN BOHRER
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Ulrich Rotzinger

Die Schweiz im Dauerausverkauf. Diesen Eindruck gewinnt, wer derzeit wieder einmal in die Innenstadt zum Shoppen geht. «Sale – jetzt starten wir», prangt in Grossbuchstaben auf dem Schaufenster der von C&A. Mehr noch als die Hitze bringen die satten Rabatte die Schnäppchenjäger ins Schwitzen: «Diverse Artikel bereits über 50 Prozent reduziert», lockt Ochsner Sport in der Freie Strasse in Basel.

Sales-Aufkleber sieht man auch im Zürcher Shoppingcenter Sihlcity überall: 50 Prozent Nachlass gibts bei Tally Weijl, 40 Prozent beim Dessous-Händler Triumph, 50 Prozent bei Max Shoes.

Nicht nur Kleider- und Schuhläden springen auf den Ausverkaufszug, sondern auch Kosmetikläden wie Kiko Milano.

«Das ganze Jahr ein Dauerausverkauf»

«Sommerschlussverkauf, Mid-Season-Sale, Dauerrabatte, Knallerwochen. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass irgendeiner mit grossen Rabatten um Aufmerksamkeit buhlt», sagt Thomas Hochreutener, Direktor Handel bei GfK Switzerland. «Der Ausverkauf beginnt nicht nur immer früher. Das ganze Handelsjahr ist inzwischen ein Dauerausverkauf.»

Letzten Sommer begründeten die Läden den Ausverkauf Anfang Juni mit dem nasskaltem Wetter. Sie hätten Mühe, bei dem vielen Regen die Sommerkollektionen loszuwerden, hiess es. In diesem Sommer ist es heiss. Trotzdem läuft der Ausverkauf bereits auf Hochtouren.

Sales startet meist schon Anfang Juni

«Der bisherige Verkauf, Lagerbestand und die aktuelle Konkurrenzsituation bestimmen unseren Sales-Beginn», sagt C&A-Sprecherin Jessica Frei. Der Sommer-Ausverkauf habe sich bei vielen Anbietern schon in der ersten Juni-Hälfte eingependelt. Mit den Verkäufen ist C&A zufrieden, sie liegen bislang über Vorjahr.

So auch die PKZ-Gruppe, die den Ausverkauf in ihren Modehäusern Mitte Juni lancierte, wie eine Sprecherin bekannt gibt. 

Mitarbeiter und Lädeli auf der Verliererseite

So verlockend die Rabattschlacht für die Konsumenten ist, sie kennt auch Verlierer: Handelsexperte Hochreutener spricht von einer «ganz gefährlichen Entwicklung». Die Kunden gewöhnten sich an den frühen Ausverkauf und die tiefen Preise. Schlimmer noch: Sie liessen sich kaum mehr umerziehen. «Der Kunde fragt sich zu Recht, warum er überhaupt noch zu Normalpreisen shoppen soll», sagt Hochreutener.

Folglich loben die Läden immer häufiger und höhere Rabatte aus – bis das Limit erreicht ist: «Wenn ein Händler 70 Prozent Rabatt gibt, ist er im nächsten Jahr weg vom Fenster», sagt Hochreutener.

5000 Lädeli und 30'000 Arbeitsplätze weg

Bekannte Namen wie Blackout, Switcher, Yendi und Charles Vögele sind in vielen Städten bereits Geschichte. In den letzten sieben Jahren gingen 5000 Lädeli ein, besagt eine kürzlich veröffentlichte GfK-Studie. Fehlende Umsätze hätten den Detailhandel seit 2011 über 30'000 Arbeitsplätze gekostet, bilanzierte Migros-Chef Herbert Bolliger im April im BLICK-Interview.

Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht: «Die Lage ist heute ernst, ein massiver Jobabbau droht kurzfristig», sagt Handelsexperte Thomas Rudolph (siehe Interview). Selbst die Konsumenten profitieren langfristig nicht. Das Angebot verödet. Rudolph: «Der Personalabbau wirkt sich negativ auf die Servicequalität aus.»

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