Raiffeisen-Chefökonom will hohe Immo-Preise mit Verdichtung und Umzonung bekämpfen
Macht Wälder zu Bauland!

Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer kann sich Wohneigentum nicht mehr leisten. Engpass Nummer eins ist das knappe Bauland. Lässt sich daran etwas ändern? Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff (61) macht radikale Vorschläge.
Publiziert: 01.12.2021 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2021 um 07:40 Uhr
Dorothea Vollenweider

Mehr Beton, weniger Grünflächen! Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff (61) fordert die Freigabe von mehr Bauland. Nur so könne das grösste Problem des Schweizer Häusermarkts gelöst werden: das knappe Bauland.

Nicht jede zentrumsnahe Agglomerationsgemeinde brauche einen eigenen Wald, findet er. Neff geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: «Nicht jedes Wohngebäude braucht eine Quotengrünfläche und einen Spielplatz.» Solche Vorgaben seien auf Stufe Siedlung sinnvoll, nicht aber für Einzelüberbauungen. Für Neff ist klipp und klar: Die Raumplanung müsse in der Schweiz generell überdacht werden.

Braucht es das? Oder steht der Spielplatz der Wohnsiedlung Paradies in Zürich der Verdichtung im Weg?
Foto: Keystone
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Bauzone verzweifelt gesucht

Laut dem Top-Mann von Raiffeisen könnten solche Massnahmen der Preisexplosion auf dem Immobilienmarkt entgegenwirken. Die Preise für Wohneigentum haben sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Zum Vergleich: Das Einkommen der Schweizer stieg während dieser Zeit gerade mal um 20 Prozent. Die logische Folge davon: Immer weniger Menschen in der Schweiz können sich ein Eigenheim leisten.

Der Schweizer Immobilienmarkt befindet sich in einer Blase. Zu diesem Schluss kommt die neuste Studie von Raiffeisen, die Neff gestern präsentierte. Dass die Blase bald platzt, glaubt er jedoch nicht. Vielmehr werde ihr bald die Luft ausgehen. Grund: Die Preisentwicklung werde nicht von Spekulationen getrieben, sondern werde von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst.

Bedarf an Wohnraum wächst

So haben in den letzten 20 Jahren nicht nur die Immobilienpreise zugelegt, die Schweiz erlebte auch ein starkes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Immer mehr Menschen brauchen in der Schweiz immer mehr Wohnraum – und das am liebsten in Form von Eigentum.

Die hohe Nachfrage wird durch die tiefen Finanzierungskosten zusätzlich befeuert. Dem gegenüber steht ein extrem knappes Angebot. Bauland ist in der Schweiz ein rares Gut. In Kombination mit den extrem hohen Preisen verbaut das der grossen Mehrheit der Schweizer heute den Traum der eigenen vier Wände.

Mehr Bauland freigeben

Dass auf den wenigen noch freien Baulandparzellen vor allem Mietwohnungen gebaut werden, verschärft die Knappheit weiter. Neff glaubt deshalb, dass künftig mehr Bauland freigegeben werden muss. Er fordert eine stärkere Verdichtung – nicht nur in den Städten, sondern auch in der Agglomeration.

Gerade in urbanen Gebieten sind die regulatorischen Hürden für Neubautätigkeiten gross. Eine Baubewilligung ist hierzulande noch lange keine Garantie für die Umsetzung von Wohnprojekten. Einsprachen können den Baubeginn verzögern oder sogar verhindern.

Einsprachemöglichkeiten beschränken

Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Ersatzneubau beim Brunaupark in Zürich der Pensionskasse der Credit Suisse. Dieser ist besonders umstritten, weil dafür eine bestehende Siedlung mit 240 Wohnungen abgerissen werden muss. Die Bewilligung für die insgesamt knapp 500 Wohnungen wurde zwar erteilt. Einsprachen führten jedoch dazu, dass sich der Ersatzneubau nicht wie geplant realisieren lässt.

«Es braucht eine Beschränkung der Einsprachemöglichkeiten», findet Neff. Dem Chefökonomen geht es nicht nur um die Verdichtung nach innen, sondern auch nach aussen. Und damit um die Frage: Wie viel Beton ist in der Schweiz erlaubt? «Meiner Meinung nach besteht zwischen den Zentren und Gemeinden in den Agglomerationen Raum, der als Erholungszone nicht mehr attraktiv ist und eher bebaut werden könnte als die grünen Wiesen in der weit entlegenen Peripherie», so Neff.

Grünraum steigert das Wohlbefinden

Anderer Meinung ist Thomas Hardegger (65), Vizepräsident von Casafair Schweiz. Der Verband setzt sich für klimafreundliches Bauen, gesundes Wohnen und haushälterische Bodennutzung ein. «Es braucht Begegnungszonen für Mütter und ihre Kinder, für Betagte», sagt er. Das sei essenziell für das Wohlbefinden in einer Wohngemeinde und im Quartier. Auch Naherholungsgebiete seien wichtig. «Und das sind meistens die Grünräume zwischen den Siedlungen in den Gemeinden», so Hardegger.

Der Immobilienexperte ist nicht gegen eine Verdichtung. Diese dürfte jedoch nicht auf Kosten von Grünraum gehen. «Wenn jede Wohnzone ein Geschoss mehr erlauben würde, gäbe das mehr Wohnraum, ohne dass Grünraum verloren ginge.»

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