Referenzzinssatz auf Tiefpunkt
«Mieten könnten heute um 30 Prozent tiefer sein»

Weder rauf noch runter: Der mietrechtlich massgebende Referenzzinssatz für Wohnungsmieten verbleibt auf dem Rekordtief von 1,25 Prozent.
Publiziert: 01.09.2020 um 09:57 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2020 um 11:56 Uhr
Der Referenzzinssatz verbleibt auf 1,25 Prozent, wie das Bundesamt für Wohnungswesen bekannt gibt. Er ist ausschlaggebend für die Mietzinsgestaltung in der ganzen Schweiz.
Foto: Keystone
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Dorothea Vollenweider

Diese Nachricht interessiert alle Mieter: Das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) hat bekannt geben, dass der hypothekarische Referenzzinssatz für Wohnungsmieten auf 1,25 Prozent verbleibt. Er ist damit auf demselben Stand wie der letztmals publizierte Satz. Dieser gilt für die Mietzinsgestaltung in der ganzen Schweiz.

Da er sich im Vergleich zum Vorquartal nicht verändert hat, ergibt sich kein neuer Senkungsanspruch. Falls der Mietzins im einzelnen Mietverhältnis jedoch nicht auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent basiert, können Mieter auch jetzt noch eine Mietpreisreduktion beantragen.

Mieten könnten 30 Prozent tiefer sein

Das Problem: Die meisten Mieter müssen selbst aktiv werden, wollen sie von einer Mietzinssenkung profitieren. Und das tun die wenigsten, wie eine Studie der Raiffeisen zeigt. Laut der Erhebung wurden im Nachgang der letzten drei Referenzzinssatzsenkungen jeweils nur zwischen 18 und 21 Prozent der Mietwohnungen günstiger.

«Hätten alle Mieter von ihrem Recht Gebrauch gemacht, wären ihre Mieten heute um 30 Prozent tiefer», sagt Martin Neff (59), Chefökonom der Raiffeisen. Laut dem Mieterinnen- und Mieterverband (MV) ist Mietern in der Schweiz zu wenig bewusst, dass es gemäss Gesetz keine automatische Senkung gibt, sondern dass sie meist selber aktiv werden müssen. Der Verband bietet deshalb Hilfe: Mit einem Musterformular auf ihrer Website kann der Anspruch auf eine tiefere Miete schnell und einfach eingefordert werden.

Sparpotenzial von 8,5 Milliarden Franken

Jedoch kann der Vermieter den Senkungsanspruch auch ablehnen. Beispielsweise mit der Begründung, dass er die vorgegebenen 40 Prozent der Teuerung sowie die Steigerungen der Unterhalts- und Betriebskosten damit ausgleicht. Viele Hauseigentümer machen auch von ihrem Recht Gebrauch, zum Beispiel Kosten für Renovierung und Instandhaltung ihrer Liegenschaft weiterzugeben.

Sinkt der Referenzzinssatz wie letztmals im März 2020 von 1,5 auf 1,25 Prozent, entspricht dies einer Senkung des Mietzinses von rund 2,9 Prozent. Wären alle Senkungen des Referenzzinssatzes seit 2008 direkt an die Mieter weitergegeben worden, so hätten diese insgesamt rund 8,5 Milliarden Franken Mietkosten gespart. Der Referenzzinssatz wurde im Jahr 2008 eingeführt. Damals lag er noch bei 3,5 Prozent.

Referenzzinssatz sinkt seit 12 Jahren

Seit seiner Einführung ist der Referenzzinssatz noch nie gestiegen. Der hypothekarische Referenzzinssatz sowie der zugrundeliegende Durchschnittszinssatz werden vierteljährlich durch das BWO bekannt gegeben. Der nächste Veröffentlichungstermin ist am 1. Dezember 2020.

Das wichtigste zum Referenzzinssatz

1. Was ist eigentlich ein hypothekarischer Referenzzinssatz?
Der Referenzzinssatz ist eine der Richtgrössen für die Wohnungsmieten. Durch ihn können Veränderungen des Hypothekarzinsniveaus auf die Mieter übertragen werden. Der Referenzzinssatz bildet also die Kosten ab, die dem Hauseigentümer zur Finanzierung einer Liegenschaft entstehen.

2. Wofür braucht es den Referenzzinssatz?
Er ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen.

3. Wann wurde der Referenzzinssatz eingeführt?
Der Referenzzinssatz wurde 2008 eingeführt. Ziel war es, die Mietzinsgestaltung landesweit zu harmonisieren. Seit seinem Bestehen ist er von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken. Im Juni 2023 gab es nun die erste Erhöhung auf 1,5 Prozent seit der Einführung.

4. Kann eine Veränderung des Referenzzinssatzes zu einer Erhöhung des Mietzinses führen?
Ja, wenn der Zinssatz steigt, können Vermieter darauf abgestützt die Mieten um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dann, wenn der Mietvertrag auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.

5. Können Mieter aufgrund des Referenzzinssatzes tiefere Mieten verlangen?
Ja, das können sie, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Wer schon mehrere Jahre in derselben Wohnung lebt und bisher nie eine Mietzinssenkung beantragt hat, der kann sogar geltend machen, dass der Referenzzinssatz im Laufe der Zeit mehrfach gesunken ist. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte entspricht einer Senkung des Mietzinses um rund 2,9 Prozent. Allerdings haben die Vermieter die Möglichkeit, Mietzinssenkungen aufgrund des Hypothekarzinses mit gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft zu verrechnen. Gewisse Vermieter gewähren Mietzinssenkungen von sich aus automatisch.

6. Wie wird der Zinssatz eigentlich berechnet?
Der Referenzzinssatz entspricht dem volumengewichteten durchschnittlichen Zinssatz aller Hypothekarforderungen von Schweizer Banken. Ausgerechnet wird der Satz von der Schweizerischen Nationalbank im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen. Die Banken müssen der Nationalbank dafür die notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Der aus den Berechnungen resultierende Durchschnittssatz wird danach auf ein Viertelprozent auf- oder abgerundet. Dorothea Vollenweider

1. Was ist eigentlich ein hypothekarischer Referenzzinssatz?
Der Referenzzinssatz ist eine der Richtgrössen für die Wohnungsmieten. Durch ihn können Veränderungen des Hypothekarzinsniveaus auf die Mieter übertragen werden. Der Referenzzinssatz bildet also die Kosten ab, die dem Hauseigentümer zur Finanzierung einer Liegenschaft entstehen.

2. Wofür braucht es den Referenzzinssatz?
Er ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen.

3. Wann wurde der Referenzzinssatz eingeführt?
Der Referenzzinssatz wurde 2008 eingeführt. Ziel war es, die Mietzinsgestaltung landesweit zu harmonisieren. Seit seinem Bestehen ist er von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken. Im Juni 2023 gab es nun die erste Erhöhung auf 1,5 Prozent seit der Einführung.

4. Kann eine Veränderung des Referenzzinssatzes zu einer Erhöhung des Mietzinses führen?
Ja, wenn der Zinssatz steigt, können Vermieter darauf abgestützt die Mieten um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dann, wenn der Mietvertrag auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.

5. Können Mieter aufgrund des Referenzzinssatzes tiefere Mieten verlangen?
Ja, das können sie, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Wer schon mehrere Jahre in derselben Wohnung lebt und bisher nie eine Mietzinssenkung beantragt hat, der kann sogar geltend machen, dass der Referenzzinssatz im Laufe der Zeit mehrfach gesunken ist. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte entspricht einer Senkung des Mietzinses um rund 2,9 Prozent. Allerdings haben die Vermieter die Möglichkeit, Mietzinssenkungen aufgrund des Hypothekarzinses mit gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft zu verrechnen. Gewisse Vermieter gewähren Mietzinssenkungen von sich aus automatisch.

6. Wie wird der Zinssatz eigentlich berechnet?
Der Referenzzinssatz entspricht dem volumengewichteten durchschnittlichen Zinssatz aller Hypothekarforderungen von Schweizer Banken. Ausgerechnet wird der Satz von der Schweizerischen Nationalbank im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen. Die Banken müssen der Nationalbank dafür die notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Der aus den Berechnungen resultierende Durchschnittssatz wird danach auf ein Viertelprozent auf- oder abgerundet. Dorothea Vollenweider

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