Über leere Strände mag sich dieser Schweizer nicht freuen
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In Thailand während Corona:Über leere Strände mag sich dieser Schweizer nicht freuen

Reiseveranstalter Gabriel Müller steht die Corona-Krise in Thailand durch
Über leere Strände mag sich dieser Schweizer nicht freuen

In Thailand bleiben die Strände dieser Tage leer. Was paradiesisch anmutet, könnte dem Zürcher Gabriel Müller zum Verhängnis werden. Seit März harrt er im Ferienparadies aus – und muss zusehen, wie sein Geschäft den Bach runter geht.
Publiziert: 07.09.2020 um 11:41 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2020 um 16:48 Uhr
Levin Stamm

Die Strände Ko Samuis sind ein Traum jedes Reisenden – vor allem, wenn sie so menschenleer sind wie jetzt. Doch als Gabriel Müller (41) die ausgestorbene Ferieninsel Anfang Juni erblickt, hält sich seine Freude in Grenzen. Denn: Mit der gespenstischen Ruhe des sonst so überlaufenen thailändischen Insel ist auch sein Geschäftsmodell zusammengebrochen.

Normalerweise verkauft Müller asiatische Ferienträume an reiselustige Schweizer. Mitte März, als die Grenzen plötzlich schliessen, verlässt er die Schweiz fluchtartig und reist zu seiner Ehefrau nach Thailand. Jetzt sitzt er untätig in seiner Wohnung in der Hauptstadt Bangkok und blickt auf das emsige Treiben, das in der Hauptstadt trotz Corona-Krise nie ganz zum Erliegen gekommen ist.

«Hier in Bangkok geht das Leben weiter, doch an den Küsten geht ohne Touristen nichts», sagt er. Über 90 Prozent der Einnahmen sind für den Zürcher weggefallen. Auch seine Frau, die bei Thai Airways arbeitet, hat seit Monaten nur noch ein reduziertes Einkommen.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Der Zürcher Gabriel Müller mit seiner Ehefrau an einer Ferienmesse in der Schweiz.
Foto: zVg
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Bis zu acht Millionen Jobs futsch

Lange verlassen die beiden die Wohnung nur fürs Einkaufen. Als sich die Lage im südostasiatischen Land wieder beruhigt, reisen sie in die Tourismusregion um Ko Samui. «Es war unheimlich. Die Strassen in den Touristenvierteln waren leer gefegt, alle Geschäfte geschlossen», erinnert sich Müller.

Zwischen zwei und drei Millionen Thais sollen seit Ausbruch in der Corona-Krise ihren Job verloren haben. Fast alle waren im Tourismus tätig, fast alle fütterten ganze Familien durch mit ihrem Einkommen. «Die meisten kommen aus ländlichen Provinzen und sind nun dorthin zurückgekehrt», sagt Müller.

Viele wohnen laut Müller in Dörfern oder auf Farmen und werden sich irgendwie durchkämpfen. Trotzdem sind viele auf Spenden angewiesen. «Oft übernehmen die Tempel die Aufgabe des Staates und stellen Gratis-Mahlzeiten zur Verfügung.»

Das Corona-Dilemma der thailändischen Regierung

Eigentlich sind die Thais während dieser schwierigen Zeit stolz auf ihr Land, kaum ein Land hat das Virus besser im Griff. Seit rund 100 Tagen hat man keine lokale Ansteckung registriert. Dann, nachdem die 100er-Marke geknackt wurde, gab es erstmals wieder einen Fall. Trotzdem befindet sich die Regierung in einem Dilemma: Nebst einer Bevölkerung, die sich äusserst diszipliniert an die behördlichen Verordnungen hält, scheint die Zahl der Infizierten nur stabil zu bleiben, solange die Grenzen dicht sind.

Genau dagegen wächst aber der Widerstand. Selbst in akademischen Kreisen spricht man sich inzwischen für eine Lockerung der Massnahmen aus. Mit der Corona-Krise heizt sich zudem das politische Klima wieder auf. Seit Tagen protestieren die Menschen auf den Strassen Bangkoks gegen die Militärregierung unter Premierminister Prayut Chan-o-cha (66).

Über 200'000 Schweizer reisen jedes Jahr nach Thailand, womit es zu den beliebtesten Reisezielen ausserhalb Europas gehört. Der Tourismus macht mit seinen jährlich 40 Millionen Besuchern indirekt einen Fünftel der nationalen Wirtschaftsleistung aus. Gerade die Mittelschicht, die sich erst seit kurzem in der thailändischen Gesellschaft etablieren konnte, hat davon profitiert und läuft nun Gefahr, auf einen Schlag alles zu verlieren. Müller weiss: «Kaum eine andere Schicht fürchtet den wirtschaftlichen Kollaps mehr. Für sie geht es um alles oder nichts.»

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