Rezession in den USA Tatsache
Reisst das auch die Schweizer Wirtschaft in die Tiefe?

Die USA stecken bereits in einer Rezession. Auch in der Schweiz trüben sich die Konjunkturaussichten ein. Stehen wir nun vor demselben Schicksal wie die Amerikaner?
Publiziert: 29.07.2022 um 17:28 Uhr
Aline Leutwiler

«Dunkle Wolken am Konjunkturhimmel», betitelt die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH ihre neuste Analyse. Gewitterzellen gibt es derzeit tatsächlich viele: Seit Donnerstag ist die USA offiziell in der Rezession. Die Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal zwar nur um moderate 0,9 Prozent. Aber es ist der zweite Rückgang in Folge – die Kriterien für eine Rezession sind damit erfüllt. Und es handelt sich immerhin um die grösste Volkswirtschaft der Welt!

Auch in der Schweiz sehen die Vorzeichen nicht gut aus: Das KOF-Konjunkturbarometer, welches die Schweizer Wirtschaftslage vorauszusagen versucht, sinkt im Juli zum dritten Mal in Folge. Damit liegt das Barometer deutlich unter seinem langjährigen Durchschnitt.

Neben der Rezession in den USA bereitet auch die voranschreitende Inflation Sorgen. Zusätzlich sorgt sich Europa um seine Gaslieferungen für den Winter. Muss sich auch die Schweiz warm einpacken? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zur drohenden Rezession.

Seit Donnerstag ist die USA offiziell in der Rezession. Muss sich auch die Schweiz warm einpacken?
Foto: imago images/photothek
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Wird es auch eine Rezession in der Schweiz geben?

«Es wird definitiv einen Dämpfer geben. Aber wir denken nicht, dass eine Rezession in dieser Schärfe auf uns zukommt», sagt Klaus Abberger (54) von der KOF. Das internationale Umfeld sei zwar schwierig. Zur angespannten Situation in der EU sei nun auch noch die Rezession in den USA hinzugekommen. Aber: «Die Schweiz ist stabil und wir sehen keinen Absturz», beschwichtigt der Wirtschaftswissenschaftler.

Wann kommt der Dämpfer?

Laut Abberger wird es ab dem Herbst enger für die Schweiz. Jetzt im Sommer erholt sich insbesondere der Tourismus weiter. Dieser positive Sondereffekt wird im Herbst wieder abnehmen.

Hat die Corona-Pandemie noch Auswirkungen?

Die Erholung von der Pandemie ist noch nicht vollständig abgeschlossen. «Es gibt derzeit zwei gegenläufige Prozesse. Einerseits erholen sich zahlreiche Wirtschaftszweige wieder. Andererseits erschwert sich die internationale Lage», so Abberger.

Muss ich im Herbst um meinen Job bangen?

Generelle Jobangst ist sicher nicht angesagt. Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz liegt rekordtief. Im Juni lag die registrierte Arbeitslosigkeit bei 2 Prozent. Es herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Firmen aus sämtlichen Branchen klagen über den Fachkräftemangel, die Arbeitnehmer sind in einer komfortablen Situation.

Werden die Preise weiter steigen?

Bislang liegt die Inflation in der Schweiz mit 3,2 Prozent (Stand Juni) tiefer als bei unseren europäischen Nachbarn. Zum Vergleich: In der Eurozone liegt die Inflation bei 8,9 Prozent. In den USA gar bei 9,1 Prozent. «Die Inflation wird in der Schweiz nicht plötzlich sprunghaft weiter ansteigen», so Abberger. Für Geringverdiener wird die Inflation aber trotzdem auch in der Schweiz in den kommenden Monaten immer mehr zum Problem.

Warum ist die Inflation im Ausland stärker als in der Schweiz?

«Wir sind nicht so abhängig von Gas, wie es beispielsweise Deutschland ist», antwortet der KOF-Experte. Im Zuge des Ukraine-Kriegs sind die Gaspreise in Europa stark gestiegen. Je mehr Gas eine Volkswirtschaft verbraucht, desto stärker kriegt sie die höheren Energiepreise zu spüren. Die hohen Energiepreise treiben die Inflation: Alles wird teurer, von der Produktion über den Transport. Unternehmen sind in der Folge gezwungen, ihre Preise zu erhöhen. Für die Konsumentin wird im Laden alles teurer – bei gleichbleibendem Lohn.

Welche Branchen sind von der drohenden Rezession besonders betroffen?

Laut dem KOF-Konjunkturbarometer trübt sich das Geschäft besonders im Verarbeitungsgewerbe ein: vom Getränkeproduzenten über die Pharmaindustrie bis zur Möbelherstellerin. Auch für Finanzdienstleister, das Gastgewerbe und andere Dienstleistungsbetriebe brechen schwierigere Zeiten an. Der private Konsum scheint zurückzugehen.

Sollte ich mir angesichts der drohenden Wirtschaftskrise ein Sparpolster anlegen?

Die Inflation spricht dagegen. Das Geld auf dem Sparkonto verliert laufend an Wert. Weil die Nationalbank ihre Leitzinsen erhöht hat, drohen immerhin keine Negativzinsen mehr. Aber besonders viel Zins wirft das Sparbuch trotzdem nicht ab, der Effekt wird von der Inflation weggefressen. KOF-Ökonom Abberger ergänzt, dass sich viele Haushalte bereits während der Corona-Pandemie ein Polster angespart haben. Jetzt zusätzlich Geld zur Seite zu legen, ist daher in den meisten Fällen nicht ratsam.

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