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Scharfe Kritik wegen mangelndem Corona-Schutz
Alle Workshop-Teilnehmer der Unia mussten in Quarantäne

Bei den Arbeitgebern schaut die Unia sehr genau hin, im eigenen Betrieb gehts auch mal ohne Maske. Weil eine Person positiv getestet wird, müssen bei der Gewerkschaftstochter Zivag alle in Quarantäne.
Publiziert: 05.11.2020 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2020 um 08:30 Uhr
Christian Kolbe

Gewerkschaften geben Arbeitgebern gerne mal den Tarif durch. In Zeiten von Corona ist gerade die Unia besonders darauf aus, dass Firmen ihre Mitarbeiter vor dem Virus schützen. Schon früh, bereits im März, forderte die Gewerkschaft die Schliessung von Baustellen, prangerte das Fehlen von Abstand und Desinfektionsmitteln an.

Vor wenigen Tagen legte die Unia nach, bemängelte die «ungenügende Umsetzung der Schutzkonzepte» in Betrieben und auf Baustellen, pochte auf strengere Kontrollen durch die Suva oder die zuständigen Arbeitsinspektorate.

Eine sehr berechtigte Forderung! Nur: Auch bei der Unia würde sich das genaue Hinschauen lohnen. Denn nach einem Strategieworkshop der Gewerkschaftstochter Zivag am 15. Oktober schickt der Berner Kantonsarzt alle 30 Mitarbeitenden für zehn Tage in Quarantäne. Die Zivag ist für die Verwaltung der Unia-Immobilien zuständig. Der Anlass fand am Hauptsitz an der Weltpoststrasse in Bern statt.

Die Unia-Zentrale in Bern. Hier ...
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Mit Gesundheit der Mitarbeiter gespielt?

BLICK hat von dem Vorfall erfahren, weil sich «ein besorgter Bürger» gemeldet hat. Eine Person, die entweder am Anlass dabei war oder aus dem näheren Umfeld der Teilnehmenden kommt. Im Schreiben kommt die grosse Sorge um die Gesundheit der Zivag-Angestellten zum Ausdruck, steht der Vorwurf im Raum, die Immobilienverwalterin habe «mit der Gesundheit der Mitarbeiter und deren Familien und Freunden gespielt».
Von «grobfahrlässigem Verhalten und einem Verstoss gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers» ist die Rede.

Das Problem: Es gab bei diesem Anlass keine Maskenpflicht. Vor allem während der Gruppenarbeiten sei das sogenannte Social Distancing nicht gewährleistet gewesen. Hygienemittel seien zwar zur Verfügung gestanden, aber offenbar nur sporadisch – oder gar nicht – benutzt worden.

Dabei gilt im Kanton Bern seit dem 12. Oktober eine Maskenpflicht für öffentlich zugängliche Innenräume. Serge Gnos, Sprecher der Unia, schreibt dazu: «Die von Ihnen angesprochene Verordnung vom 12. Oktober sieht eine Maskenpflicht in nicht öffentlich zugänglichen Räumen nur subsidiär vor, falls der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann.»

Und das war bei den Gruppenarbeiten eben nicht der Fall!

Mangelhafte Umsetzung des Schutzkonzepts

Die Unia weist die Anschuldigungen zurück. «Der Vorwurf, die Zivag würde die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden grobfahrlässig gefährden, ist unberechtigt. Von einem Verstoss gegen die Fürsorgepflicht kann nicht die Rede sein», teilt die Gewerkschaft auf Anfrage von BLICK mit – und verweist auf das Schutzkonzept der Veranstaltung: «Da der Anlass in einem rund 400 Quadratmeter grossen Saal stattfand, konnte der Sicherheitsabstand problemlos eingehalten werden. Desinfektionsmittel und Masken standen jederzeit zur Verfügung.»

Nur hat sich offenbar niemand darum gekümmert, dass die Anwesenden davon auch Gebrauch machen! Vor allem nach dem Mittagessen sei bei den Gruppenarbeiten rund um die aufgestellten Flipcharts zu wenig auf die Einhaltung des Sicherheitsabstandes geachtet worden. Auch hat niemand das Tragen von Masken durchgesetzt, obwohl diese vorhanden waren.

Das Schutzkonzept wurde mangelhaft umgesetzt, das muss auch die Unia einräumen: Die Covid-Pandemie bringe natürlich auch für unsere Arbeit neue Herausforderungen mit sich, heisst es. «Das Führungspersonal ist sich dessen bewusst und bereit, aus allfälligen Fehlern zu lernen und so die Durchsetzung der Schutzkonzepte ständig zu verbessern.»

Homeoffice und Lohnfortzahlung

Denn was sich nach dem Workshop abspielt, ist für alle Beteiligten Stress pur! Am
19. Oktober wird eine Person, die am Workshop teilgenommen hat, positiv auf Corona getestet. Ausgelöst wurde dies durch einen Kontakt vom 14. Oktober im privaten Umfeld dieser Person. Deshalb schickt der Berner Kantonsarzt auch die übrigen Teilnehmenden des Zivag-Anlasses bis zum 25. Oktober in Quarantäne.

Immerhin: Sämtliche Mitarbeitenden konnten im Homeoffice weiterarbeiten, mussten keine Lohneinbussen in Kauf nehmen. «Es gab keine weiteren Ansteckungen», schreibt Unia-Sprecher Gnos. «Rückblickend können wir sagen: Das Schutzkonzept hat funktioniert.»

Das ist die eine Sichtweise. Die andere: Es war ganz viel Glück dabei, dass sich bei dem Strategie-Workshop nicht weitere Personen angesteckt haben.

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