Schon wieder Referenzzins-Hammer
Was Mieter wissen müssen – und wie du dich wehren kannst

Weil der Referenzzinssatz steigt, dürfen Vermieter ein weiteres Mal die Mietzinsen erhöhen. Für Miethaushalte lohnt es sich, die Erhöhung genau zu prüfen. Nicht jede Anhebung des Mietzinses ist erlaubt.
Publiziert: 01.12.2023 um 09:55 Uhr
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Aktualisiert: 01.01.2024 um 08:11 Uhr
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Dorothea VollenweiderRedaktorin Wirtschaft

Schlechte Nachrichten für Mieterinnen und Mieter: Ihre Wohnkosten werden erneut steigen – und das bereits im April 2024. Wie das Bundesamt für Wohnungswesen am Freitagmorgen ankündigt, steigt der Referenzzinsatz von 1,5 Prozent auf 1,75 Prozent. Es ist schon die zweite Erhöhung dieses Jahr – und bedeutet für Miethaushalte einen weiteren Anstieg des Mietzinses. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Folgen des heutigen Entscheids.

Wer muss jetzt mit einer Mieterhöhung rechnen?

Eine Erhöhung aufgrund des Referenzzinssatzes ist nur bei jenen Mieten zulässig, die noch auf einem tieferen Referenzzinssatz als 1,75 Prozent basieren. «Wir rechnen damit, dass Vermieter bei rund 66 Prozent der Mieterverträge eine Erhöhung geltend machen könnten», sagt Fredy Hasenmaile (56), Chefökonom bei Raiffeisen Schweiz. Wie viele Vermieter davon Gebrauch machen werden, sei unklar. Die Mieten können zudem auch aufgrund der Teuerung und der allgemeinen Kostensteigerungen erhöht werden – also auch jene, die bereits auf einem Referenzzinssatz von 1,75 Prozent basieren. 

Wie stark steigen die Mieten?

Die zweite Erhöhung wird für viele finanziell nicht ganz so stark ins Gewicht fallen wie die erste, weil seit der Erhöhung im Oktober nur drei Monate allgemeine Kostensteigerung berechnet werden können. Bei einer Anhebung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte dürfen die Vermieter den Mietzins um 3 Prozent anheben. Es gibt aber Vermieter, die die erste Erhöhungsrunde ausgelassen haben und die zweite Runde abwarteten – diesen Mietern steht ein Kostenhammer bevor. 

Die Mietzinsen steigen ab April 2024 erneut an.
Foto: Pius Koller
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Wie schnell können Vermieter höhere Mietzinsen einfordern?

Vermieter können den Mietzins nur unter Einhaltung der Kündigungsfrist anpassen. Bei Mietwohnungen sind das meist drei Monate. Das kann aber je nach Mietvertrag und Region variieren. Eine Übersicht zu den ortsüblichen Kündigungsterminen in der Schweiz gibt es auf der Wohnungsplattform Immoscout24. Weiter müssen zehn Tage Bedenkfrist einberechnet werden. Die Ankündigung der Mietzinsänderung muss also mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist beim Mietenden eintreffen. Wenn Vermieter den ersten möglichen Kündigungstermin verpassen, verschiebt sich die Möglichkeit einer Erhöhung um einen Monat.

Werden Vermieter die Erhöhung tatsächlich durchsetzen?

Es ist jedem Vermieter selbst überlassen, eine Mietzinserhöhung vorzunehmen. Der Mieterinnen- und Mieterverband der Schweiz geht davon aus, dass die meisten die Gelegenheit für eine Mietzinserhöhung nutzen werden.

Gibt es Gründe, die gegen eine Mietzinserhöhung sprechen?

«Die gibt es», sagt Fabian Gloor (38), Jurist des Mieterinnen- und Mieterverbands. Vermieter, die in den vergangenen Jahren die Senkungen des Referenzzinssatzes nicht an die Mieter weitergegeben haben, dürften jetzt nicht erhöhen. Zur Erinnerung: Seit der Einführung des Referenzzinssatzes sank dieser von 3,5 auf 1,25 Prozent. Wer im Vertrag noch einen Referenzzinssatz von 1,75 Prozent oder höher hat, dem darf der Mietzins jetzt nicht erhöht werden. Weitere mögliche Gründe: individuelle Absprachen, bereits erfolgte Mietpreisanhebungen, beispielsweise wegen wertvermehrender Investitionen oder die Neuvermietung von Wohnungen mit verhältnismässig hohen Mieten.

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Welche Rechte haben die Mieter?

«Mieterinnen und Mieter sollten als Erstes schauen, ob die Mietzinserhöhung korrekt erfolgt ist», sagt Gloor. Vermieter müssen nämlich gewisse Formalitäten zwingend einhalten. Für eine Mietzinserhöhung müssen sie ein amtliches Formular verwenden und die Kündigungsfrist einhalten. Sie müssen die Mietzinserhöhung zudem korrekt begründen. Gloor rät Mietern zudem, den Aufschlag genau zu prüfen. Der Mieterverband hat dafür einen Onlinerechner eingerichtet. «Falsche Mietzinserhöhungen können angefochten werden», sagt Gloor. Dafür haben Mieter 30 Tage Zeit. Nach 30 Tagen gilt der Mietzins als akzeptiert. Man muss die Erhöhung also unbedingt rechtzeitig überprüfen. «Allerdings müssen die Mieter selbst aktiv werden», sagt Gloor. Sie sollten ihren Mietvertrag prüfen: Auf welchen Referenzzinssatz basiert der Mietzins? Ist es nicht der aktuelle, darf der Vermieter auch nicht rauf.

Wie können Mieter dagegen vorgehen?

Wollen Mieterinnen und Mieter dagegen vorgehen, müssen sie bei Ihrer zuständigen Schlichtungsbehörde eine Anfechtung einreichen. Die Schlichtungsbehörde wird die Sachlage zwischen Mieter und Vermieter klären und eine Lösung suchen. Das Verfahren ist kostenlos. Ziel einer Schlichtung ist es, sich zu einigen, bevor es zu einem Gerichtsverfahren kommt.

Das wichtigste zum Referenzzinssatz

1. Was ist eigentlich ein hypothekarischer Referenzzinssatz?
Der Referenzzinssatz ist eine der Richtgrössen für die Wohnungsmieten. Durch ihn können Veränderungen des Hypothekarzinsniveaus auf die Mieter übertragen werden. Der Referenzzinssatz bildet also die Kosten ab, die dem Hauseigentümer zur Finanzierung einer Liegenschaft entstehen.

2. Wofür braucht es den Referenzzinssatz?
Er ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen.

3. Wann wurde der Referenzzinssatz eingeführt?
Der Referenzzinssatz wurde 2008 eingeführt. Ziel war es, die Mietzinsgestaltung landesweit zu harmonisieren. Seit seinem Bestehen ist er von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken. Im Juni 2023 gab es nun die erste Erhöhung auf 1,5 Prozent seit der Einführung.

4. Kann eine Veränderung des Referenzzinssatzes zu einer Erhöhung des Mietzinses führen?
Ja, wenn der Zinssatz steigt, können Vermieter darauf abgestützt die Mieten um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dann, wenn der Mietvertrag auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.

5. Können Mieter aufgrund des Referenzzinssatzes tiefere Mieten verlangen?
Ja, das können sie, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Wer schon mehrere Jahre in derselben Wohnung lebt und bisher nie eine Mietzinssenkung beantragt hat, der kann sogar geltend machen, dass der Referenzzinssatz im Laufe der Zeit mehrfach gesunken ist. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte entspricht einer Senkung des Mietzinses um rund 2,9 Prozent. Allerdings haben die Vermieter die Möglichkeit, Mietzinssenkungen aufgrund des Hypothekarzinses mit gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft zu verrechnen. Gewisse Vermieter gewähren Mietzinssenkungen von sich aus automatisch.

6. Wie wird der Zinssatz eigentlich berechnet?
Der Referenzzinssatz entspricht dem volumengewichteten durchschnittlichen Zinssatz aller Hypothekarforderungen von Schweizer Banken. Ausgerechnet wird der Satz von der Schweizerischen Nationalbank im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen. Die Banken müssen der Nationalbank dafür die notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Der aus den Berechnungen resultierende Durchschnittssatz wird danach auf ein Viertelprozent auf- oder abgerundet. Dorothea Vollenweider

1. Was ist eigentlich ein hypothekarischer Referenzzinssatz?
Der Referenzzinssatz ist eine der Richtgrössen für die Wohnungsmieten. Durch ihn können Veränderungen des Hypothekarzinsniveaus auf die Mieter übertragen werden. Der Referenzzinssatz bildet also die Kosten ab, die dem Hauseigentümer zur Finanzierung einer Liegenschaft entstehen.

2. Wofür braucht es den Referenzzinssatz?
Er ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen.

3. Wann wurde der Referenzzinssatz eingeführt?
Der Referenzzinssatz wurde 2008 eingeführt. Ziel war es, die Mietzinsgestaltung landesweit zu harmonisieren. Seit seinem Bestehen ist er von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken. Im Juni 2023 gab es nun die erste Erhöhung auf 1,5 Prozent seit der Einführung.

4. Kann eine Veränderung des Referenzzinssatzes zu einer Erhöhung des Mietzinses führen?
Ja, wenn der Zinssatz steigt, können Vermieter darauf abgestützt die Mieten um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dann, wenn der Mietvertrag auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.

5. Können Mieter aufgrund des Referenzzinssatzes tiefere Mieten verlangen?
Ja, das können sie, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Wer schon mehrere Jahre in derselben Wohnung lebt und bisher nie eine Mietzinssenkung beantragt hat, der kann sogar geltend machen, dass der Referenzzinssatz im Laufe der Zeit mehrfach gesunken ist. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte entspricht einer Senkung des Mietzinses um rund 2,9 Prozent. Allerdings haben die Vermieter die Möglichkeit, Mietzinssenkungen aufgrund des Hypothekarzinses mit gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft zu verrechnen. Gewisse Vermieter gewähren Mietzinssenkungen von sich aus automatisch.

6. Wie wird der Zinssatz eigentlich berechnet?
Der Referenzzinssatz entspricht dem volumengewichteten durchschnittlichen Zinssatz aller Hypothekarforderungen von Schweizer Banken. Ausgerechnet wird der Satz von der Schweizerischen Nationalbank im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen. Die Banken müssen der Nationalbank dafür die notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Der aus den Berechnungen resultierende Durchschnittssatz wird danach auf ein Viertelprozent auf- oder abgerundet. Dorothea Vollenweider

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Schnell die Wohnung wechseln – bringt es das?

Die Wohnung zu wechseln, weil der Vermieter den Mietzins erhöht, lohnt sich nicht. Denn die sogenannten Angebotsmieten ausgeschriebener Wohnungen werden den marktüblichen Mieten angepasst. Aktuell heisst das: Sie sind deutlich höher als Bestandsmieten. Besonders, wenn man schon seit Jahren in derselben Wohnung lebt, lohnt sich ein Wechsel finanziell nicht. Im Gegenteil: Sesshafte Mieter sparen jährlich Tausende Franken. 

Steigt der Referenzzinssatz – und damit auch die Mieten – weiter?

«Wir erwarten, dass jetzt eine mehrjährige Pause ohne Anpassungen nach oben oder nach unten folgt», sagt Hasenmaile. Ob der Referenzzinssatz noch einen weiteren Schritt auf 2,0 Prozent machen werde, sei abhängig von der mittelfristigen Entwicklung der Hypothekarzinsen. Die Raiffeisen geht davon aus, dass der Zinsgipfel in der Schweiz erreicht ist und seitens der Schweizerischen Nationalbank keine weitere Leitzinserhöhung mehr folgt.

Können Vermieter die Teuerung bei der Erhöhung auch gleich mit einberechnen?

Ja. Grundsätzlich kann der Vermietende zusätzlich 40 Prozent der Teuerung weitergeben sowie rund 0,5 Prozent allgemeine Kostensteigerungen pro Jahr. Wie gross der Aufschlag ausfällt, hängt davon ab, wie hoch die Teuerung seit dem Zeitpunkt der letzten Mietzinsfestlegung war. In den vergangenen fünf Jahren beispielsweise betrug die Teuerung 5,34 Prozent. 40 Prozent davon, also 2,14 Prozent, dürften an den Mieter weitergegeben werden.

Können Mieter die Senkungen des Referenzzinssatzes aus der Vergangenheit rückwirkend noch geltend machen?

Nach der letzten Referenzzinssatzsenkung im Jahr 2020 wurden weniger als 30 Prozent der Mieten gesenkt – denn das Mietgesetz schreibt den Vermietern nicht vor, Mietsenkungen automatisch weiterzugeben. Bei einigen sei deshalb rückwirkend noch eine Senkung möglich, sagt Gloor. Es ist aber wichtig, dass Mieterinnen vorher rasch durchrechnen, ob sie tatsächlich zu einer Senkung berechtigt sind. Nur wer im Vertrag noch einen Referenzzinssatz von mehr als 1,75 Prozent hat, darf eine Senkung beantragen. «Die Teuerung und die allgemeine Kostensteigerung können eine Senkung jedoch kompensieren», weiss Gloor. Es komme deshalb immer auf den Einzelfall an, und eine pauschale Empfehlung sei fast nicht möglich.

Gibt es Mietverhältnisse, die nicht auf dem Referenzzinssatz beruhen?

Der Referenzzinssatz ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – aber nicht für alle. Ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen und subventionierte Wohnräume, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen. Auch indexierte Mietverträge sind unabhängig vom Referenzzinssatz.

Genossenschaften wenden in der Regel die Kostenmiete an, die den tatsächlichen Hypothekarzinssatz berücksichtigt und nicht den Referenzzinssatz. Teilweise stützen sie sich jedoch trotzdem auf ihn. Kein Thema ist bei den Genossenschaften eine pauschale Weitergabe der Teuerung, weil bei der Kostenmiete nur tatsächliche Kostensteigerungen, etwa für den Unterhalt, weitergegeben werden dürfen.

Was ist mit den steigenden Nebenkosten?

Auch die Nebenkosten fallen dieses und nächstes Jahr höher aus. Die Nebenkosten werden meist unabhängig vom Mietzins abgerechnet, sind also nicht Teil der Mietzinserhöhung, die nun ansteht. Doch die Nebenkostenabrechnung wird das Wohnbudget zusätzlich belasten. Die Kosten für Heizöl, Strom und Gas sind gestiegen. Das stellen Vermieter ihren Anwohnern in Rechnung.

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