Schweiz sieht keinen Handlungsbedarf
Deshalb verzichtet dieser Riese auf Fleischwerbung

Der zweitgrösste Detailhändler der Niederlande macht keine Werbung mehr für Fleischaktionen. In der Schweiz sieht es ganz anders aus.
Publiziert: 24.04.2024 um 14:01 Uhr
|
Aktualisiert: 30.04.2024 um 16:02 Uhr
yves_demuth_1.jpg
Yves Demuth
Beobachter

Dieser Detailhändler macht so viel Umsatz wie Coop, hat so viele Filialen wie die Migros und will so günstig sein wie Aldi und Lidl: Jumbo ist in den Niederlanden die Nummer zwei im Detailhandel. Nun will der Grossverteiler seinen Umsatz mit Fleisch senken.

Ab 30. Mai macht Jumbo Supermarkten keine Werbung mehr für Fleisch. Aktionen für frisches Rindfleisch, Schweinefleisch und Poulet haben als Lockvogel ausgedient.

Das Ziel: 50 Prozent pflanzliche Proteine

Jumbo begründet das mit dem Klimaschutz. Man wolle weniger Proteine tierischen Ursprungs verkaufen, dafür mehr pflanzliche. Bis im nächsten Jahr sollen die Anteile bei je 50 Prozent liegen. «Analysen haben gezeigt, dass dieses Ziel nur durch einen Stopp der Fleischwerbung erreicht werden kann», sagte der Firmenchef. 

Ein niederländischer Detailhändler will mit Fleisch weniger Geld verdienen.
Foto: IMAGO/ANP
1/6
Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Probieren Sie die Mobile-App aus!

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Probieren Sie die Mobile-App aus!

Fleisch werde weiterhin zu niedrigen Preisen angeboten. Doch Fleisch soll kein Frequenzbringer mehr sein. Preisreduktionen sind gemäss einem Jumbo-Firmensprecher am Ende des Haltbarkeitsdatums immer noch möglich.

Schweiz: Frischfleisch zur Hälfte als Aktionsware

Die vier grössten Schweizer Detailhändler wollen ihre Werbung für Fleischaktionen hingegen beibehalten, wie sie dem «Beobachter» sagen. Wie wichtig das für sie ist, zeigen die Aktionsheftli der Händler jede Woche. In der ersten Aprilwoche etwa lockte die Migros auf der Titelseite mit 30 Prozent Rabatt auf Optigal-Poulets, Coop mit 40 Prozent Rabatt auf Premium-Pouletbrustwürfel, Aldi mit 37 Prozent Rabatt auf Pouletfilet-Spiessli und Lidl mit 29 Prozent Rabatt auf Pouletschlegeli XXL.

Eine solche Rabattschlacht gibt es bei keinem anderen Lebensmittel. Der Schweizer Detailhandel verkauft 52,7 Prozent des Frischfleischs als Aktionsware. Der Verkauf zum Normalpreis ist also die Ausnahme. Das zeigen die aktuellsten verfügbaren Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft von 2021. 

Der Detailhandel erwirtschaftet gemäss der Studie rund die Hälfte seiner Frischfleisch-Einnahmen mit Mitteln der Absatz- und Umsatzsteigerung. Zum Vergleich: Bei Gemüse sind nur 16,5 Prozent Aktionsware, über alle Lebensmittel sind es 30 Prozent. Migros, Coop, Aldi und Lidl machen keine konkreten Angaben dazu. 

Detailhändler begründen Aktionen mit «Nachhaltigkeit»

Doch wieso ist der Aktionsanteil bei Frischfleisch so hoch? Migros und Coop schreiben, über die Aktionen könne das Fleisch des gesamten Tiers abgesetzt werden – nicht nur die Filetstücke. So können etwa Überbestände von eher unbeliebten Teilstücken via Aktionen gesteuert und verkauft werden. Das sei nachhaltig und auch im Interesse der Bauern.

Bei Coop sieht man deshalb «keinen Handlungsbedarf». Und bei der Migros ist man überzeugt, «dass die Kundinnen und Kunden ganz gut selber entscheiden können, was bei ihnen auf dem Teller landen soll». Die Werbung kurble auch nicht den Konsum an, sondern sorge bloss dafür, dass Fleischkonsumentinnen in die Migros kommen. 

Aldi schreibt, die Aktionen hätten auch mit der Verfügbarkeit der Ware, der Saisonalität und der Nachfrage zu tun. Lidl schreibt, man mache im Laden ungefähr gleich viele Preisaktionen für Obst- und Gemüse wie solche für Fleisch. Der Anteil der Produkte mit pflanzlichen Proteinen solle bis 2030 auf 20 Prozent steigen. Zur Erinnerung: Der holländische Riese Jumbo peilt einen Anteil von 50 Prozent an – bis im nächsten Jahr. 

Ein Bauer und Nationalrat widerspricht

Im Parlament versuchte zuletzt der Grünen-Nationalrat Kilian Baumann, die Schweizer Detailhändler per Verbot zu zwingen, die Werbung für Fleischaktionen einzustellen. Der Verbotsvorstoss wurde im Februar versenkt. 

Bio-Bauer Baumann produziert selbst Weiderind-Fleisch. Er sagt: «In der Schweiz ist die Diskussion über die Frequenzbringer-Werbung wohl noch zu wenig fortgeschritten.» Frequenzbringer-Werbung für Aktionsfleisch erhöhe den wirtschaftlichen Druck auf die Bauern, weil die Aktionen die Produzentenpreise drücken könnten. Ein Werbeverzicht sei «eine einfache Massnahme, um den Forderungen der Bauernproteste nach besseren Produzentenpreisen nachzukommen».

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.