«Das Geschäftsjahr 2022 wird deutlich besser werden»
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Schweiz-Tourismus-Direktor:«Das Geschäftsjahr 2022 wird deutlich besser werden»

Schweiz-Tourismus-Direktor Martin Nydegger setzt auf arabische Touristen
«Die grüne Schweiz ist ein Kontrastprogramm zur kargen Wüste»

2022 soll für die Schweizer Touristiker ein Jahr des Aufbruchs werden. Die Chinesen bleiben wohl noch lange weg. Dafür will die Schweiz bei den Arabern punkten. Die Polen haben derweil für ein Wintermärchen gesorgt.
Publiziert: 24.02.2022 um 10:30 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2022 um 15:24 Uhr
Interview: Sarah Frattaroli, Fotos: Daniel Kellenberger

Die Schweizer Hoteliers haben 2021 einen Viertel weniger Gäste empfangen als noch vor Corona. Das zeigen die neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik zu den Logiernächten. 2022 soll nun das Jahr des Aufbruchs werden. Nicht zuletzt dadurch, dass in der Schweiz seit einer Woche kaum mehr Corona-Einschränkungen gelten. Zuständig für den touristischen Aufschwung ist Martin Nydegger (51), Direktor von Schweiz Tourismus. Blick trifft ihn an den Gates E im Flughafen Zürich. Dort, wo normalerweise die Touristen aus China, den USA und von der arabischen Halbinsel landen – und wo selbst nach zwei Pandemie-Jahren weiterhin gespenstische Stille herrscht.

Blick: Seit einer Woche gelten in der Schweiz praktisch keine Corona-Beschränkungen mehr. Ist die Krise damit auch für den Tourismus ausgestanden?
Martin Nydegger: Das könnte man vielleicht meinen... Die Aufhebung der Reiserestriktionen ist zentral. Aber für uns ist das nicht die Ziellinie des Marathons. Sondern erst der Start der Aufholjagd.

Wo liegt denn das Ziel?
Bei den Werten vor Corona. Und es ginge auch noch mehr. 2019 war zwar ein touristisches Rekordjahr, aber die Schweizer Hotels waren gerade einmal zu 50 bis 60 Prozent ausgelastet. Wir waren selbst damals noch weit weg vom Maximum.

Schweiz-Tourismus-Direktor Martin Nydegger sitzt momentan noch einsam am Flughafen Zürich.
Foto: www.kellenbergerkaminski.ch
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Fällt der Inlandtourismus nun weg, wo immer mehr Feriendestinationen wieder um Schweizer Reisende buhlen?
Letztes Jahr haben 17 Prozent mehr Schweizerinnen und Schweizer im eigenen Land Ferien gemacht als vor der Pandemie. Ein absoluter Rekord!. An diese Werte werden wir nicht mehr herankommen. Denn diese Leute haben sich ja nicht bewusst für Schweiz-Ferien entschieden. Sondern es gab halt nicht so viele Alternativen. Aber wir sind überzeugt, dass viele der Schweiz auch in Zukunft treu bleiben.

Vom Bauernsohn zum Tourismus-Direktor

Martin Nydegger (51) ist seit vier Jahren Direktor von Schweiz Tourismus. Mit seinen 250 Mitarbeitenden in 30 Ländern ist er verantwortlich dafür, rund um die Welt die Reiselust für die Schweiz zu wecken. Aufgewachsen als Bauernsohn im Berner Seeland, absolvierte Nydegger eine Lehre als Landmaschinenmechaniker, liess sich aber bald darauf zum diplomierten Tourismusfachmann mit MBA-Studium ausbilden. Zehn Jahre lang war er Engadiner Tourismusdirektor und lebte in Scuol GR. Später zog er für Schweiz Tourismus nach Amsterdam, um den Holländern Schweiz-Ferien schmackhaft zu machen. Nydegger ist verheiratet und hat einen Sohn.

Martin Nydegger (51) ist seit vier Jahren Direktor von Schweiz Tourismus. Mit seinen 250 Mitarbeitenden in 30 Ländern ist er verantwortlich dafür, rund um die Welt die Reiselust für die Schweiz zu wecken. Aufgewachsen als Bauernsohn im Berner Seeland, absolvierte Nydegger eine Lehre als Landmaschinenmechaniker, liess sich aber bald darauf zum diplomierten Tourismusfachmann mit MBA-Studium ausbilden. Zehn Jahre lang war er Engadiner Tourismusdirektor und lebte in Scuol GR. Später zog er für Schweiz Tourismus nach Amsterdam, um den Holländern Schweiz-Ferien schmackhaft zu machen. Nydegger ist verheiratet und hat einen Sohn.

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Obwohl wieder mehr Schweizer ins Ausland reisen, rechnen Sie mit einem erfolgreicheren Tourismusjahr als 2021. Auf welche Gästegruppen setzen Sie?
Die Europäer kommen zurück. Das spüren wir schon in der laufenden Wintersaison. Die Wintersportgebiete melden uns 25 Prozent mehr Übernachtungen als im Vorjahr, die Umsätze haben sich fast verdoppelt. Da helfen auch das gute Wetter und der Schnee. An den Kreditkartenzahlungen sehen wir, dass 40 Prozent der Umsätze wieder von ausländischen Gästen stammen.

Und wann wimmelt es auf dem Pilatus, dem Jungfraujoch und der Luzerner Kapellbrücke wieder von asiatischen Touristen?
Es dauert bis deutlich nach 2025, bis wir wieder auf Vorkrisenniveau sind. Bei den Übersee-Touristen aus Amerika und dem Nahen Osten sind wir zuversichtlicher. Gerade für die Gäste von der arabischen Halbinsel ist die grüne Schweiz ein attraktives Kontrastprogramm zu ihrem kargen Wüstenklima.

Gibt es vielleicht sogar die Hoffnung, dass die Schweiz nun einen Boom erlebt, weil die Leute nach zwei Jahren im eigenen Land umso mehr reisen wollen?
Wir hoffen schon auf gewisse Nachholeffekte. Aber der Tourismus kann nicht aufbewahrt werden. Wenn ich einen Schuh heute nicht verkaufe, dann verkaufe ich ihn eben morgen. Aber eine Hotelübernachtung? Die ist verloren. Bei einzelnen Gästegruppen kann es durchaus ein Plus geben. Letztes Jahr zum Beispiel haben uns die Polen ein regelrechtes Wintermärchen beschert!

Die Polen? Polnisch zählt in der Bergbeiz nicht gerade zu den geläufigsten Sprachen...
Klar, in absoluten Zahlen fällt das nicht ins Gewicht. Aber es macht Hoffnung: Die Polen konnten letzten Winter als Einzige quarantänefrei in die Schweiz ein- und zurückreisen. Ihre Logiernächte haben sich im Vergleich zu 2019 verdoppelt. Und im Sommer kamen sie wieder zurück und sorgten für einen Rekord.

Neben der Schweiz buhlt auch halb Europa um internationale Reisenden. Wie können wir uns durchsetzen gegen Österreich, Skandinavien & Co.?
Mit Attributen, die vor der Pandemie nicht besonders attraktiv waren: Die Schweiz gilt als sauber und sicher. Und Outdoor-Aktivitäten sind jetzt im Trend, weil beim Wandern oder Biken das Ansteckungsrisiko kleiner ist. Aber klar, die Konkurrenz erwacht nun aus einem zweijährigen Winterschlaf und ist zum Teil mit Sondermitteln ausgestattet worden.

Schweizer Top, Chinesen Flop

Die Schweizer Hoteliers verzeichneten 2021 knapp 30 Millionen Logiernächte. Das sind zwar 6 Millionen mehr als im Vorjahr – aber immer noch ein Viertel weniger als vor Corona (2019). Das grösste Stück vom Kuchen machten mit 21 Millionen Hotelübernachtungen die Schweizer Gäste aus. Die Zahl der Binnentouristen stieg im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent und erreichte einen neuen Allzeitrekord.

Auch ausländische Gäste reisten wieder häufiger an als noch 2020. Im Vergleich mit 2019 sind die Zahlen aber immer noch miserabel: Aus Europa reisen 44 Prozent weniger Touristen an, aus Übersee gar 80 Prozent weniger. Bei Gästen aus den Golfstaaten war das Minus mit 49 Prozent dabei deutlich geringer als bei den Touristen aus Fernost, darunter China und Indien.

Die Schweizer Hoteliers verzeichneten 2021 knapp 30 Millionen Logiernächte. Das sind zwar 6 Millionen mehr als im Vorjahr – aber immer noch ein Viertel weniger als vor Corona (2019). Das grösste Stück vom Kuchen machten mit 21 Millionen Hotelübernachtungen die Schweizer Gäste aus. Die Zahl der Binnentouristen stieg im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent und erreichte einen neuen Allzeitrekord.

Auch ausländische Gäste reisten wieder häufiger an als noch 2020. Im Vergleich mit 2019 sind die Zahlen aber immer noch miserabel: Aus Europa reisen 44 Prozent weniger Touristen an, aus Übersee gar 80 Prozent weniger. Bei Gästen aus den Golfstaaten war das Minus mit 49 Prozent dabei deutlich geringer als bei den Touristen aus Fernost, darunter China und Indien.

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Sind die Touristiker überhaupt bereit für mehr Gäste? Aus den Bergen hört man, dass Hotels und Restaurants wegen Personalengpässen die Öffnungszeiten einschränken.
Der Fachkräftemangel ist tatsächlich problematisch. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass wir die Branche auf Knopfdruck wieder hochfahren können. Viele Angestellte haben sich neu orientiert. Andere sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Es dauert nun eine Weile, bis die Infrastruktur wieder läuft wie geschmiert.

Erholung hin oder her: Eine Geschäftsreise über den Atlantik für ein kurzes Meeting am Paradeplatz wird es in Zukunft wohl nicht mehr geben, oder?
Richtig. Und ganz ehrlich: Das ist wohl auch besser so. Ich gehe bei solchen individuellen Geschäftsreisen von einem langfristigen Rückgang um 20 bis 30 Prozent aus. Andere Bereiche nehmen aber wieder Fahrt auf: etwa internationale Konferenzen, Workshops und Weiterbildungen.

Den Wegfall von Geschäftsreisenden bekommen vor allem Zürich und Genf zu spüren. Was können sie tun?
Sie müssen sich diversifizieren. Das tun sie aber schon länger, präsentieren sich als Städte mit einem grossen Freizeitangebot und betonen ihre Nähe zu den Schweizer Bergen.

Haben Sie selber während der Pandemie ein Reiseziel in der Schweiz entdeckt, das Sie zuvor noch nicht kannten?
Mehrere sogar! Ich habe mir etwa einen langgehegten Traum erfüllt und bin durch den Aletschwald gewandert. Und im Sommer habe ich einen Golfkurs in Crans Montana VS gemacht. Es war aber nur ein Schnupperkurs, ich muss noch üben! (lacht)

Die Corona-Fallzahlen sinken, dafür steigt der Schweizer Franken seit Monaten. Wird der Wechselkurs zum nächsten Stolperstein?
Der starke Franken bereitet mir Sorgen. Gerade angesichts der aktuellen Situation. Wir wissen ja, dass Unsicherheiten dazu führen, dass die Investoren ihr Geld in sicheren Häfen parkieren. Und dazu gehört neben Gold eben auch der Schweizer Franken. Ich hoffe daher auf eine friedliche Lösung in der Ukraine!

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