Showdown am Paradeplatz
Donnerstag wird die Credit Suisse begraben

Lange hat UBS-Chef Sergio Ermotti gezögert, doch jetzt muss er handeln. Nächsten Donnerstag wird bekannt gegeben, dass die UBS die Credit Suisse vollständig schlucken wird.
Publiziert: 27.08.2023 um 11:19 Uhr
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Aktualisiert: 28.08.2023 um 09:33 Uhr
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Am Donnerstag ist D-Day. Dann gibt die UBS die zukünftige Gestalt der Schweizer Megabank bekannt. Das emotionalste und umstrittenste Element der Fusion von UBS und Credit Suisse ist das Schweizer Geschäft. Für die UBS-Spitze ist seit Monaten klar, dass sie die CS Schweiz um jeden Preis behalten will. Denn diese ist die profitabelste Einheit, welche die höchsten Gewinne abwirft.

Dass die UBS die Integration der CS Schweiz nicht schon früher kommuniziert hat, liegt vor allem an Konzernchef Sergio Ermotti (63), der bei wichtigen Fragen zum Zaudern neigt. Intern gab es zwar Druck, die Integration der Schweizer Geschäftseinheit viel früher bekannt zu geben. Die machtbewusste UBS-Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse (57) brennt seit Monaten darauf, mit der Integration zu beginnen.

Doch Ermotti sträubte sich. Er bestand darauf, die politisch heikle Integration so lange wie möglich hinauszuzögern, damit die Zerstörung der Credit Suisse und von Tausenden Arbeitsplätzen nicht zum Wahlkampfthema wird. Dabei nahm er eine Verzögerung des gesamten Integrationsprozesses in Kauf, da die Organisation und Struktur des Heimmarktes auch Auswirkungen auf andere Unternehmensbereiche hat. Das dürfte auch der Grund sein, warum zum Beispiel Michelle Bereaux (59), die als Group Integration Officer die Zusammenführung der technischen Ebene durchziehen soll, intern noch nicht in Erscheinung getreten ist, wie Quellen berichten. Auch sie muss die Entscheidung abwarten.

Die Marke Credit Suisse verschwindet nach 167 Jahren.
Foto: Keystone
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Der Verwaltungsrat entscheidet am Mittwoch

Doch die Zeit drängt. Am Mittwoch wird der Verwaltungsrat entscheiden. Es ist davon auszugehen, dass er der Vollintegration zustimmen wird – alles andere wäre eine riesige Überraschung. Der Entscheid wird am Donnerstagmorgen kommuniziert und im Laufe des Vormittags der Öffentlichkeit im Detail vorgestellt.

Damit wird auch die Marke Credit Suisse zu Grabe getragen – nach 167 Jahren wird sie das Zeitliche segnen. Der Schweizer Finanzplatz wird nicht mehr derselbe sein. Die UBS wird zur dominierenden Bank in der Schweiz, die vor allem im Geschäft mit Firmenkunden und sogenannten institutionellen Anlegern wie Pensionskassen die Konditionen diktieren kann – es sei denn, die Wettbewerbskommission zeigt der Grossbank die Grenzen auf.

Es ist auch davon auszugehen, dass die UBS keine konkreten Zahlen zum Stellenabbau nennen wird. Das hat sie in den letzten Jahren auch nie getan. Sie spricht lieber von Kosten, die sie senken werde. Das wird sie auch jetzt tun: Es ist deshalb realistisch zu erwarten, dass Sergio Ermotti das bereits im März in Aussicht gestellte Kostensenkungsziel von jährlich acht Milliarden Franken nochmals präzisieren wird.

Daraus lässt sich grob ableiten, wie viele Arbeitsplätze wegfallen werden. UBS und Credit Suisse kamen im März zusammen auf 120'000 Beschäftigte. Davon dürften rund 35'000 Stellen abgebaut werden. Da bei der Credit Suisse seit März rund 10'000 Personen die Bank verlassen oder gekündigt haben, dürften effektiv noch 25'000 Stellen wegfallen.

10'000 Stellen in der Schweiz

Am stärksten betroffen sind das Investmentbanking und die Schweizer Einheit. Allein im Heimmarkt dürften 10'000 Stellen verschwinden. Grosse Überschneidungen gibt es bei den Filialstandorten. UBS und CS sind in über 100 Städten und Dörfern mit einer Filiale vertreten – je nach Grösse arbeiten dort zwischen fünf und 30 Personen. Hinzu kommen zahlreiche Stellen in den Verarbeitungszentren und der Informatik. Für die klassischen Filialmitarbeitenden sieht die Zukunft düster aus.

Ein hochrangiger Kadermann sagt, Sergio Ermotti werde am Donnerstag erklären, dass der Stellenabbau sozialverträglich und wenn möglich über Frühpensionierungen erfolgen soll. Das Geld dafür ist vorhanden: Die UBS konnte die CS zum Dumpingpreis von drei Milliarden Franken übernehmen. Der innere Wert der CS war um ein Vielfaches höher.

Dank dieses Traumdeals schwimmt die UBS im Geld. Fachlich spricht man von einem Badwill, der sich auf rund 35 Milliarden Franken beläuft. Deshalb wird die Bank für das zweite Quartal einen riesigen, zweistelligen Milliardengewinn ausweisen. UBS-Chef Ermotti dürfte am kommenden Donnerstag viel Zeit darauf verwenden, den irritierend hohen Gewinn einzuordnen.

Was den Deal für die UBS so unglaublich attraktiv macht, ist die Tatsache, dass der Staat im März 2023 praktisch alle Risiken übernommen hat. Es waren die Nationalbank und der Bund, welche die Credit Suisse mit einem Gesamtpaket von 259 Milliarden Franken stützten. Diese Milliarden haben die Märkte beruhigt und das internationale Finanzsystem stabilisiert. Für die Gelder und Garantien, die inzwischen wieder zurückgegeben wurden, hat der Bund 200 Millionen Franken an Zinsen erhalten – Peanuts im Vergleich zu den Badwill-Milliarden, die der UBS mit dem Übernahmedeal in den Schoss fielen.

Was hat Thomas Jordan geritten?

Die Ironie: Die UBS wäre offenbar bereit gewesen, für die Credit Suisse den Marktpreis zu bezahlen, der am letzten Börsentag vor dem Notverkauf bei 7,4 Milliarden Franken lag. Doch SNB-Chef Thomas Jordan (60) erklärte in diesen dunklen Stunden, er halte einen Preis von einer Milliarde für angemessen. Das musste er den ausgebufften UBS-Chefs nicht zweimal sagen: UBS-Präsident Colm Kelleher (66) bot seinem Pendant bei der CS, Axel Lehmann (64), am Telefon eine Milliarde für die Bank an. Als dieser sich wehrte, erhöhte er den Preis auf drei Milliarden Franken, wie im Buch «Zu hart am Wind» des Journalisten und «Bilanz»-Chefredaktors Dirk Schütz nachzulesen ist.

Was den Chef der Nationalbank bewogen hat, einen derart tiefen Preis für die Credit Suisse anzunehmen, ist unbegreiflich. Ihm und Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) hätte klar sein müssen, dass sich das Stützungspaket des Bundes positiv auf den Wert der Credit Suisse auswirken würde, weil es die unmittelbare Gefahr eines Konkurses abwendete.

Hätte der Bund am 19. März lediglich das Rettungspaket von 259 Milliarden Franken angekündigt, wäre der Kurs der CS-Aktie am Montag in die Höhe geschossen. So aber haben die UBS-Aktionäre die durch die Rettung des Bundes entstandene Prämie praktisch vollständig eingestrichen.

Wie sehr sich der Deal für die UBS gelohnt hat, lässt sich auch am Aktienkurs ablesen, der stetig nach oben klettert. Marktbeobachter gehen davon aus, dass der Kurs in den nächsten Monaten weiter steigen wird. Für die Tausenden von CS-Beschäftigten wird die Übernahme damit umso bitterer.

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