«Die verlangten Mietpreise sind idiotisch»
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«Preise sind idiotisch»:Walter Angst schiesst gegen Immobilien-Eigentümer

Sie schlagen Profit aus der Wohnungsnot
Private zocken die Mieter ab!

Mieterinnen und Mieter müssen für ihr Dach über dem Kopf immer tiefer in die Tasche greifen. Was dabei überrascht: Privatpersonen zocken bei den Mietzinsen am meisten ab – nicht etwa die Immobilienfirmen und institutionellen Anleger.
Publiziert: 07.03.2023 um 01:11 Uhr
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Aktualisiert: 07.03.2023 um 08:32 Uhr
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Immobilienfirmen und institutionelle Anleger sehen sich wegen der Mieten immer wieder mit Abzockervorwürfen konfrontiert. Doch Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen etwas anderes: Die grössten Abzocker sind unter den Privatpersonen zu finden. Sie kassieren schweizweit im Schnitt vier Prozent mehr als institutionelle Anleger und 1,5 Prozent mehr als Immobilienfirmen.

Dieses Phänomen erlebt man zurzeit auch im Oberwallis. Der Lonza-Boom sorgt dort für massive Zuwanderung und Wohnungsnot. Während institutionelle Anbieter ihre Mieten einigermassen moderat erhöhen, schöpfen viele Privatpersonen bei Neuvermietungen voll ab. Ein Studio in Visp mit 28 Quadratmetern – 49 Jahre alt! – kostet monatlich 1100 Franken. Dabei sind Bad und Küche noch im Originalzustand. Vor vier Jahren konnten sich Mieter noch für 700 bis 800 Franken in vergleichbare Objekte einmieten.

Drei- bis Sechsfaches des Erlaubten

Das Objekt steht für 190'000 Franken zum Verkauf und wird vom Eigentümer als Renditeobjekt mit tiefen Nebenkosten angepriesen. Wer es kauft, könnte sich damit eine goldene Nase verdienen.

Privateigentümer verlangen im Oberwallis regelmässig überrissene Zinse für ihre Mietwohnungen.
Foto: Thomas Meier
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Bei einer tiefen Eigenkapitalquote könnte ein Käufer nach Abzug der Kosten und Hypothekarzinsen eine Nettorendite von 10 bis 20 Prozent erzielen. Beim gegenwärtigen Eigentümer dürfte es deutlich mehr sein, da solche Immobilien vor einigen Jahren viel günstiger gekauft werden konnten.

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Im Oberwallis hat die Zahl älterer Mietwohnungen, die zu horrenden Mietzinsen angeboten werden, in den letzten Jahren massiv zugenommen. Dabei wären gemäss aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichts Nettorenditen von maximal 3,25 Prozent erlaubt. Doch gerade Privatpersonen scheinen am wenigsten Skrupel zu haben, ihre Mieten bei Neuvermietungen an Marktpreise anzupassen – und so überrissene Einnahmen zu generieren.

Vermieter zocken auch in den Zentren ab

Solche Abzockermieten gibt es jedoch in der ganzen Schweiz. «Wer es darauf anlegt, kann gerade bei einzelnen Objekten problemlos Nettorenditen von 10 bis 20 Prozent und mehr erzielen. Bei den institutionellen Anlegern sind diese dann in grossen Mischportfolios drin», sagt Walter Angst (61), Co-Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverbandes Zürich.

In Zürich sind die Quadratmeterpreise für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern innerhalb von 15 Jahren um über 220 Prozent gestiegen. Privateigentümer, die eine 15-jährige Wohnung heute annähernd zum Marktpreis vermieten, erzielen damit eine deutlich überrissene Rendite.

Absicht oder Unwissenheit?

Vermieter mit ein oder zwei Mietobjekten dürften eher dazu neigen, das Maximum herauszuholen. «Institutionelle Anleger sind da sicher vorsichtiger und auch professioneller aufgestellt», sagt Donato Scognamiglio (53), Chef der Immobilienberatungsfirma Iazi.

Linda Rosenkranz (43) hingegen nimmt die Privaten in Schutz: «Gerade für Privatpersonen sind die zulässigen Renditen sehr schwierig zu berechnen – falls sie die gesetzlichen Bestimmungen überhaupt kennen. Das ist ein weiteres Argument für eine staatliche Renditezinskontrolle», sagt die Generalsekretärin des Mieterinnen- und Mieterverbandes Schweiz.

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Dreister Immobilienunternehmer in Visp

Auch Immobilienfirmen schiessen immer wieder weit übers Ziel hinaus, wie ein anderes Beispiel aus Visp zeigt: Die Firma kauft seit mehreren Jahren alte Wohnungen günstig auf und vermietet darin anschliessend WG-Zimmer zu Wucherpreisen. Bei einer Belehnung von 65 Prozent winken bei den Wohngemeinschaften Renditen von 30 bis 40 Prozent.

Trotzdem betrifft der bekannteste Fall der Schweiz einen institutionellen Anleger. Dieser wollte in der Waadt für eine Altbauwohnung mit 101 Quadratmetern neu über 2000 Franken Mietzins pro Monat haben. Die Mieter machten eine Einsprache und das Bundesgericht legte die Miete im Herbst 2020 schliesslich auf 1390 Franken fest.

10,5 Milliarden zu viel?

Gemäss Mieterinnen- und Mieterverband kassierten die Eigentümer allein 2021 wegen überrissener Renditen 10,5 Milliarden Franken zu viel an Mietzinsen. Das hat eine vom Verband in Auftrag gegebene Studie ergeben. Doch diese Zahl dürfte kaum der Realität entsprechen. Die Studie rechnet für die Mietwohnungen in den letzten 15 Jahren mit einer Nettorendite von 6,5 Prozent – gemessen an Immobilienaktien.

Diese Renditen kommen jedoch neben Mieteinnahmen rund zur Hälfte durch Wertsteigerungen zusammen, wie auch Studien von Iazi und Raiffeisen zeigen. Damit lägen die Nettorenditen im Mittel im Bereich der erlaubten 3,25 Prozent.

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«Es gibt bei allen schwarze Schafe»

«Es gibt sicher bei allen Eigentümergruppen schwarze Schafe mit überrissenen Mieten. Doch die generell hohen Mieten haben andere Gründe wie beispielsweise die hohen Bodenpreise», sagt Scognamiglio.

Die Grundstückspreise machen bei Immobilien in der Stadt Zürich teilweise zwischen 40 und 60 Prozent des Kaufbetrags aus. Hier spielen die institutionellen Anleger eine zentrale Rolle. Einige andere Anlagen haben wegen des Niedrigzinsumfeldes jahrelang kaum Renditen abgeworfen. Investoren gingen mit Milliardenvolumen in den Immobiliensektor rein und haben die Preise nach oben getrieben. Sie führen auch regelmässig Kernsanierungen durch oder realisieren Ersatzneubauten. In Kombination mit den hohen Grundstückspreisen können sie in Zürich danach für 3,5-Zimmer-Wohnungen Mieten von 4455 oder gar 7590 Franken verlangen, und zwar legal, wie das Beispiel einer Rendite-Immobilie in Wollishofen zeigt.

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