«Es hat sicher noch Potenzial nach oben»
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Vail Resorts in Andermatt:«Es hat sicher noch Potenzial nach oben»

Skigebiet-Boss Mike Goar hat für Vail Resorts in Andermatt grosse Pläne
«Wir haben noch nie eines unserer Skigebiete wieder verkauft»

In Andermatt UR geht die Post ab: Mike Goar, der Chef am Berg, und Raphael Krucker, Boss über die Immobilien im Ort, sprechen exklusiv mit Blick über ihre Pläne.
Publiziert: 25.11.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2023 um 11:53 Uhr
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

In Andermatt UR ist die Skisaison angelaufen. Und es wird immer mehr sichtbar, wie der neue US-Investor Vail Resorts die Modernisierung des Bergdorfs vorantreibt. Die Gemeinde mit Skigebiet hat sich dank der Milliarden des Ägypters Samih Sawiris (66) im letzten Jahrzehnt zu einer Tourismushochburg verwandelt. Auf einem Spaziergang mit den Skigebietsbossen Raphael Krucker (44) und Mike Goar (65) durch das Neubau-Quartier Reuss lässt sich Blick von den Andermatter Ausbau-Plänen von Vail Resorts, der weltweit grössten Betreiberin und Besitzerin von Skigebieten, unterrichten.

Blick: Sie waren Geschäftsführer riesiger Skigebiete in den USA und wohnen nun in Andermatt. Wo leben die besseren Skifahrer, in Amerika oder in der Schweiz?
Mike Goar: Wir haben in den USA immer wieder sehr starke Skifahrer oder Skifahrerinnen wie Mikaela Shiffrin. Aber wenn man die Breitensportler auf den Skipisten in den USA und der Schweiz vergleicht, muss man ganz klar sagen, dass die Schweiz bei der Anzahl an guten Skifahrern deutlich heraussticht.

War der Umzug für Sie ein Kulturschock?
Goar: Nein, aber ein grosser Unterschied sind etwa die Planungsprozesse am Berg. Wir wollen das Skigebiet weiterentwickeln, und die nötigen Bewilligungsverfahren sind in der Schweiz deutlich komplexer. Und dann wären da noch die Geschwindigkeitskontrollen auf den Schweizer Autobahnen. Als ich hier das erste Mal unterwegs war, wurde ich von einem Blitzer überrascht. Aber ich habe rasch dazugelernt. (lacht)

Raphael Krucker (links) und Mike Goar sind in diesen Tagen die prägenden Köpfe in Andermatt.
Foto: STEFAN BOHRER
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Eine grosse Sorge seit Ihrem Einstieg ist, dass Vail Resorts in Andermatt plötzlich Preise wie in den USA verlangen könnte. Dort kostet eine Tageskarte je nach Destination 150 oder gar 300 Dollar.
Goar: Die Preisstrukturen in Nordamerika sind vollkommen anders. Unsere Gäste können in Andermatt weiterhin Preise erwarten, wie sie sie aus der Schweiz und Europa sonst kennen. Zudem zahlen auch in Vail Mountain nur wenige Gäste die 300 Dollar. Die meisten kaufen den Epic Pass, mit dem sie in unseren 41 Skigebieten uneingeschränkt fahren können. Vielleicht gibt es in Europa langfristig auch eine Anpassung in den Preisstrukturen, sodass Tageskarten teurer werden und mehr Menschen einen Saisonpass kaufen.

Sie haben in Andermatt die Abopreise für diese Wintersaison bereits um zwölf Prozent erhöht!
Goar: Das hat mit unserem Einstieg nichts zu tun, die Preise wurden an die Kostenstrukturen angepasst. Für Einheimische und Zweitwohnungsbesitzer gibt es zudem nach wie vor grosszügige Rabatte.

Krempeln Sie das Skigebiet nun völlig um?
Goar: Nein. Mein Ziel war es, hierherzukommen und erstmal zuzuhören, die neue Kultur kennenzulernen und Deutsch zu lernen. Mit der Sprache ist es bis anhin nicht wie gewünscht vorwärtsgegangen. Die Leute hier sprechen zu gut Englisch. Beim Personal setzen wir weiterhin auf die Leute aus der Region. Ich bin der einzige Amerikaner hier. Und natürlich bringen wir unser Wissen im Skigebiet ein.

Persönlich: Raphael Krucker

Raphael Krucker (44) ist als Chef der Andermatt Swiss Alps AG seit knapp vier Jahren für die Entwicklung der Immobilien und Investitionen über mehrere Hundert Millionen verantwortlich. Nach seinem Maschinenbaustudium in St. Gallen liess sich Krucker zum Executive Manager an der IMD Business School in Lausanne ausbilden. Ab 1995 war er bei der Bühler Gruppe in verschiedenen Positionen und Ländern weltweit tätig. Krucker ist verheiratet und hat zwei Kinder.

STEFAN BOHRER

Raphael Krucker (44) ist als Chef der Andermatt Swiss Alps AG seit knapp vier Jahren für die Entwicklung der Immobilien und Investitionen über mehrere Hundert Millionen verantwortlich. Nach seinem Maschinenbaustudium in St. Gallen liess sich Krucker zum Executive Manager an der IMD Business School in Lausanne ausbilden. Ab 1995 war er bei der Bühler Gruppe in verschiedenen Positionen und Ländern weltweit tätig. Krucker ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Bei den Immobilien sind massive Preissteigerungen bereits Realität. Ein Blick auf die Immobilienportale zeigt grosse Wohnungen für Familien, die zwischen 1,3 und 3 Millionen Franken kosten. Sehen Sie in dieser Entwicklung ein Problem?
Raphael Krucker: Wir dürfen nicht vergessen, dass Andermatt nach dem Wegzug der Armee ohne Perspektive dastand und die Immobilienpreise gefallen sind. Nun erlebt der Ort eine starke Entwicklung mit über Tausend neuen Jobs, die entstanden sind. Bezüglich Preisen sollten wir zwischen dem Markt für Erstwohnungen und jenem für Zweitwohnungen unterscheiden. Was Mietwohnungen betrifft, werden wir gemeinsam mit unseren Partnern Lösungen finden. Viele Angestellte leben auch in Nachbargemeinden.

Was macht denn die Andermatt Swiss Alps AG gegen das Problem?
Krucker: Wir realisieren gerade ein Projekt, bei dem 39 Erstwohnungen entstehen. Dort werden kleinere Wohnungen zur Miete angeboten. Und gemeinsam mit unseren Partnern werden wir auch bezahlbaren Wohnraum für Familien in Andermatt schaffen. Mehrere Projekte sind in der Pipeline.

Das Projekt in Andermatt ist noch lange nicht abgeschlossen. Wie viel Geld wird in den nächsten Jahren noch investiert?
Krucker: Zu den bisherigen 1,4 Milliarden Franken kommen in den nächsten fünf Jahren nochmals über 600 Millionen dazu. Rund 110 Millionen werden dabei direkt am Berg investiert, die übrigen Mittel fliessen beispielsweise in Hotels, Wohnungen, Sport und Infrastruktur und die Einkaufsstrasse, die derzeit im Bau ist. Wir investieren, weil die Nachfrage weiterhin hoch ist und die Zusammenarbeit mit Partnern funktioniert.

Persönlich: Mike Goar

Mike Goar (65) leitet seit Sommer 2022 das Skigebiet Andermatt-Sedrun im Auftrag von Vail Resorts. Zuvor verantwortete er mit Park City Mountain in Utah das grösste zusammenhängende Skigebiet in den USA. Goar ist seit über 40 Jahren in der Skibranche tätig und hat in dieser Zeit mehrere der bekanntesten Skigebiete in den USA geführt. Für den neuen Job ist er gemeinsam mit seiner Frau Heidi nach Andermatt gezogen.

STEFAN BOHRER

Mike Goar (65) leitet seit Sommer 2022 das Skigebiet Andermatt-Sedrun im Auftrag von Vail Resorts. Zuvor verantwortete er mit Park City Mountain in Utah das grösste zusammenhängende Skigebiet in den USA. Goar ist seit über 40 Jahren in der Skibranche tätig und hat in dieser Zeit mehrere der bekanntesten Skigebiete in den USA geführt. Für den neuen Job ist er gemeinsam mit seiner Frau Heidi nach Andermatt gezogen.

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Der Andermatt-Investor Samih Sawiris sagte einst, dass die Destination eines Tages auf dem Level von Zermatt und St. Moritz sein soll. Wie weit sind Sie davon noch entfernt?
Goar: Ihre Frage suggeriert, dass wir aktuell noch nicht auf deren Level sind. Nein, ernsthaft, ich würde nie sagen, dass wir zuoberst stehen. Wir wollen uns aber permanent steigern und unseren Gästen ein immer besseres Erlebnis bieten. Die Infrastruktur im Berggebiet ist schon heute top modern und wird weiter optimiert. Und in externen Bewertungen landen wir bereits heute unter den Topdestinationen.

Sind dabei auch Leuchtturmprojekte wie die neue V-Bahn aufs Jungfraujoch oder dem Alpine Crossing in Zermatt geplant?
Goar: Ein derartiges Projekt ist bei uns nicht vorgesehen. Aber wir treiben mehrere Liftprojekte voran, mit denen die Verbindungen innerhalb des bestehenden Skigebiets verbessert werden sollen. Zudem bauen wir die Beschneiungsinfrastruktur aus, und wir werden das Gastronomieangebot erweitern.

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Die Realität ist, dass Sie eine defizitäre Bergbahn übernommen haben, die seit Jahren Millionenverluste schreibt. Wie schnell wollen Sie in der Gewinnzone landen?
Goar: Wir wollen bereits in diesem Jahr schwarze Zahlen schreiben. Vorausgesetzt, wir erleben von den Wetter- und Schneeverhältnissen her guten Winter. Derzeit sehen die Vorzeichen gut aus.

Inwiefern könnten die amerikanischen Gäste dazu beitragen? Im letzten Jahr kamen ja bereits zehn Prozent der Gäste aus Übersee.
Goar: Gäste aus Übersee werden sicherlich dazu beitragen, und wir schätzen, dass sie im kommenden Winter etwa 15 Prozent der Gäste in der gesamten Destination ausmachen werden. Doch die Gästezahl am Berg ist das eine. Wichtig ist auch, dass sie für mehrere Nächte in Andermatt bleiben.

Die Käufer der vielen Ferienwohnungen in Andermatt müssen nicht vermieten, wie es das Zweitwohnungsgesetz bei Neubauten eigentlich vorsieht. Das dürfte kaum zu längeren Aufenthalten und vollen Betten beitragen …
Krucker: Das Projekt wurde 2007 noch vor der Abstimmung über das Zweitwohnungsgesetz bewilligt. Deshalb besteht kein Vermietungszwang. Trotzdem haben wir kein Problem mit kalten Betten. Etwa die Hälfte der Eigentümerinnen und Eigentümer gibt die Apartments zur Vermietung in unsere Obhut, und die Zahl steigt jährlich an. Andermatt Alpine Apartments vermietet aktuell beinahe 250 Ferienwohnungen mit über 600 Betten.

Stimmen die Gerüchte, dass Vail Resorts auch die Bergbahnen in Crans-Montana übernehmen will?
Goar: Dazu kann ich nichts sagen.

Wie sehen die Wachstumspläne von Vail Resorts in Europa denn insgesamt aus?
Goar: Es gibt keine konkrete Zahl, wie viele Skigebete Vail Resorts übernehmen möchte. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie herausfordernd solche Übernahmen sind. Wir halten immer Ausschau nach spannenden Gelegenheiten, aber es kann viele Jahre dauern, bis man einen willigen Verkäufer findet. Andermatt ist aktuell aber sicher unser weltweit wichtigstes Projekt. Und ich möchte noch anmerken, dass wir noch nie eines unserer Skigebiete wieder verkauft haben.

Über 600 Millionen Franken zusätzliche Investitionen

Vail Resorts und Andermatt Swiss Alps rühren mit grosser Kelle an. Bisher betragen die Investitionen in das Andermatt-Projekt 1,4 Milliarden Franken. «In den nächsten fünf Jahren kommen nochmals über 600 Millionen Franken dazu», kündigt Raphael Krucker (44), Chef der Andermatt Swiss Alps AG, gegenüber Blick an. Diese Investitionen fliessen in den Ausbau der Destination und schlüsseln sich wie folgt auf: 350 Millionen Franken sind für ein neues Hotel und fünf weitere Mehrfamilienhäuser sowie neue Sportinfrastruktur vorgesehen. Andermatt Swiss Alps, die dem ägyptischen Investors Samih Sawiris (66) gehört, zieht nach dem 5-Sterne-Luxushotel The Chedi Andermatt und dem 4-Sterne-Superiorladen Radisson Blue somit bereits die dritte Hotelanlage hoch. Deren Eröffnung soll spätestens 2028 erfolgen. Der Masterplan sieht in Andermatt insgesamt fünf Hotels und 42 Apartmenthäuser vor. 19 stehen bereits und weitere neun befinden sich aktuell im Bau.

Damit nicht genug: Mit dem Resort Dieni auf der Bündner Seite in Sedrun – 170 Millionen werden dort investiert – will der Immobilienentwickler günstige Übernachtungsmöglichkeiten schaffen. Diese sollen bis 2027 entstehen. Geplant sind 13 Gebäude mit Hotelzimmern, Hostel und Wohnungen. Insgesamt entstehen so 1800 neue Betten.

Am Gemsstock investiert der Gigant Vail Resorts weitere 110 Millionen Franken. «Unsere Investitionen sind in erster Linie auf die Verbesserung des Gästeerlebnisses in den Bereichen Lifte, Beschneiung, Gastronomie, Technik und Pisten ausgerichtet», stellt der neue Skigebieteboss in Andermatt-Sedrun, Mike Goar (65), in Aussicht. Eines dieser Projekte ist der Ersatz der beiden alten Sessellifte, die den Oberalppass mit der Sedruner Seite verbinden, durch neue 6er-Sessellifte. Martin Schmidt

Vail Resorts und Andermatt Swiss Alps rühren mit grosser Kelle an. Bisher betragen die Investitionen in das Andermatt-Projekt 1,4 Milliarden Franken. «In den nächsten fünf Jahren kommen nochmals über 600 Millionen Franken dazu», kündigt Raphael Krucker (44), Chef der Andermatt Swiss Alps AG, gegenüber Blick an. Diese Investitionen fliessen in den Ausbau der Destination und schlüsseln sich wie folgt auf: 350 Millionen Franken sind für ein neues Hotel und fünf weitere Mehrfamilienhäuser sowie neue Sportinfrastruktur vorgesehen. Andermatt Swiss Alps, die dem ägyptischen Investors Samih Sawiris (66) gehört, zieht nach dem 5-Sterne-Luxushotel The Chedi Andermatt und dem 4-Sterne-Superiorladen Radisson Blue somit bereits die dritte Hotelanlage hoch. Deren Eröffnung soll spätestens 2028 erfolgen. Der Masterplan sieht in Andermatt insgesamt fünf Hotels und 42 Apartmenthäuser vor. 19 stehen bereits und weitere neun befinden sich aktuell im Bau.

Damit nicht genug: Mit dem Resort Dieni auf der Bündner Seite in Sedrun – 170 Millionen werden dort investiert – will der Immobilienentwickler günstige Übernachtungsmöglichkeiten schaffen. Diese sollen bis 2027 entstehen. Geplant sind 13 Gebäude mit Hotelzimmern, Hostel und Wohnungen. Insgesamt entstehen so 1800 neue Betten.

Am Gemsstock investiert der Gigant Vail Resorts weitere 110 Millionen Franken. «Unsere Investitionen sind in erster Linie auf die Verbesserung des Gästeerlebnisses in den Bereichen Lifte, Beschneiung, Gastronomie, Technik und Pisten ausgerichtet», stellt der neue Skigebieteboss in Andermatt-Sedrun, Mike Goar (65), in Aussicht. Eines dieser Projekte ist der Ersatz der beiden alten Sessellifte, die den Oberalppass mit der Sedruner Seite verbinden, durch neue 6er-Sessellifte. Martin Schmidt

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