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So erleben die Swiss-Piloten die Kurzarbeit
«Manchmal flog ich nur ein Mal im Monat»

Die Swiss-Piloten haben eine ungewöhnliche Zeit hinter sich. Viele können seit Monaten nicht mehr fliegen. Das schlägt trotz Kurzarbeit aufs Gemüt. So blicken die Piloten der Zukunft entgegen.
Publiziert: 30.09.2020 um 23:13 Uhr
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Aktualisiert: 08.02.2021 um 11:24 Uhr
Aline Leutwiler

Es sind strube Zeiten in der Aviaktik-Branche: Alle 9500 Mitarbeitenden der Swiss sind derzeit auf Kurzarbeit. Bis mindestens Ende Februar bleibt das noch so. Dies betrifft auch die 1400 Piloten. Viele von ihnen können seit Frühling kaum mehr fliegen und sitzen zu Hause. Das geht an die Substanz. Nach Monaten im Kreise ihrer Liebsten wollen sie nur noch eins: wieder fliegen.

Die Swiss kämpft dieses Jahr mit dem Lockdown, scharfen Einreiseregeln und schwankender Kundennachfrage. Zeitweise standen 95 Prozent der Flotte am Boden. Mittlerweile erreicht die Swiss wieder 30 Prozent der normalen Kapazität – erst 30 Prozent. Allein in den letzten zwei Monaten waren laut der Swiss 370 Piloten nicht aktiv.

Fracht statt Passagier

BLICK traf einen, der trotzdem fliegt. Marc Merkler (40) arbeitet seit sieben Jahren als Co-Pilot bei der Swiss. Im Lockdown flog er keine Touristen in die USA, sondern hatte Masken im Gepäck. «Mein Pensum war von Monat zu Monat sehr unterschiedlich. Manchmal flog ich ein Mal im Monat, manchmal flog ich bis zu vier Mal», sagt Merkler.

Die Swiss machte im ersten Halbjahr einen operativen Verlust von 266 Millionen.
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Die Stimmung bei den Swiss-Piloten ist sehr unterschiedlich. «Es ist nicht mehr das, was es vorher war. Das Fliegen fehlt mir», so Merkler. Die zusätzliche Zeit verbrachte er mit seiner Familie. Hätte er in den fünf Monaten gar nie fliegen können, würde Merkler die Situation wohl nochmals anders sehen.

Piloten unter Belastung

Andere Piloten sind zurückhaltend, mit BLICK zu sprechen. Der Druck ist gross. «Ich habe langsam den Glauben an die Swiss verloren», sagt ein Pilot. «Obwohl ich dem Management weiterhin vertraue, rechne ich mit Lohnkürzungen», sagt ein anderer. Die meisten hätten die Zeit in Kurzarbeit mit der Familie verbringen können. Doch langsam beginne man sich Sorgen zu machen.

Laut Thomas Steffen, dem Sprecher des Pilotenverbands Aeropers, verfolgen die Piloten die Situation genau: «Die Stimmung während dem Fliegen ist gut, doch die Unsicherheit stellt schon eine Belastung dar.»

Lizenzen laufen ab

Ein weiteres Problem: Die Piloten müssen verhindern, dass ihre Fluglizenzen ablaufen. Wenn sie innerhalb von 90 Tagen nicht mindestens drei Starts und Landungen absolvieren, müssen sie zusätzliche Stunden im Simulator trainieren. «Ich habe Kollegen, die nun länger zu Hause waren und nun wieder im Simulator trainieren, um die regulatorischen Vorgaben zu erreichen», sagt Merkler. Laut der Swiss muss aktuell jeder Pilot früher oder später zusätzliche Trainings im Simulator absolvieren. Je nach Flotte müssen das die Piloten häufiger tun.

Wie es nun weitergeht, weiss Merkler nicht so recht. Er lebt von Monat zu Monat. «Der Horizont ist sehr nah gekommen. Ich erhalte jeweils Ende Monat den Plan für den nächsten Monat. Doch wer weiss, wie es in einem Jahr aussieht?» Zuversicht tönt anders.

Lohnkürzungen stehen an

Die Swiss entscheidet aufgrund mehrerer Faktoren, welche Piloten überhaupt noch fliegen dürfen. Dazu gehört der Flugzeugtyp, den sie fliegen, oder die Frage, ob sie zusätzliche Qualifikationen als Instruktoren mitbringen und wann sie zuletzt geflogen sind.

Konkret muss die Swiss rund 20 Prozent der Kosten sparen und setzt dabei auch beim Personal an. Im ganzen Swiss-Konzern herrscht ein Einstellungsstopp. Im Cockpit wurden sogar laufende Ausbildungen gestoppt. Nun droht die Swiss auch mit Lohnkürzungen. Thomas Klühr (58), bald der ehemalige CEO der Swiss, konnte keine Garantie abgeben, dass es nicht zu Entlassungen kommt.

Piloten wollen sich nicht ausnutzen lassen

Auf Oktober setzt die Swiss ihre Verhandlungen mit Aeropers an. «Wir hoffen, in den Verhandlungen Lösungen für Teilzeitmodelle zu finden. So erhoffen wir uns, Entlassungen zu verhindern», sagt Steffen. Man sei bereit, gemeinsam durch die Krise zu gehen, doch ausnutzen lassen wolle man sich nicht. Sobald der Konzern wieder Gewinn schöpft, sollen die Mitarbeitenden auch daran teilhaben dürfen.

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