Spirituosen sind in Venezuela immer noch ein Geschäft
Mit Rum und Kompromissen gegen die Krise

In Venezuela fehlt es an allem: Essen, Medizin, selbst Klopapier. Doch mit feinen Spirituosen lassen sich sogar in der darbenden Wirtschaft noch gute Geschäfte machen. So etwa Alberto Vollmer mit seinem Rum-Imperium Santa Teresa.
Publiziert: 25.06.2018 um 10:34 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:25 Uhr
Alberto Vollmer (49): Dank Kompromissen mit dem Regime boomt sein Rum-Imperium.
Foto: Alberto Vollmer
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Venezuelas Wirtschaft ist im freien Fall. Menschen wühlen im Müll nach Essbarem, Frauen verkaufen ihr langes Haar für ein paar Dollar, Hunderttausende kehren dem Elend den Rücken und suchen ihr Glück im Ausland. Der Rum-Produzent Santa Teresa aber macht noch immer gute Geschäfte. «Wir verkaufen unseren Rum in etwa 40 Ländern und wollen weiter wachsen, sagt der Besitzer Alberto Vollmer», dessen Vorfahren einst aus Deutschland nach Lateinamerika auswanderten.

Auf der Hacienda Santa Teresa, rund 80 Kilometer von der Hauptstadt Caracas entfernt, scheint die Krise denn auch weit weg. Die Finca liegt in einem idyllischen Tal nahe der Ortschaft Revenga im Bundesstaat Aragua. Sie wurde 1796 gegründet – heute reift in den Eichenfässern dort eine der besten Rumsorten der Welt. Santa Teresa ist eine der wenigen Erfolgsgeschichten im krisengebeutelten Venezuela.

Der Internationale Währungsfonds rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftskraft um 15 Prozent und einer Inflationsrate von sagenhaften 13'000 Prozent. Aus Mangel an Devisen kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente oder Dinge des täglichen Bedarfs importieren.

Immer noch gute Geschäfte möglich

«Venezuela braucht endlich mal wieder gute Nachrichten», sagt Vollmer. Deshalb bleibt er. «Mit jedem Licht, das ausgeht, wird es hier dunkler.» Der 49-jährige Unternehmer stammt aus einer der schillerndsten Dynastien des Landes. Zu seinen Vorfahren gehört eine Cousine des südamerikanischen Freiheitskämpfers Simón Bolívar und ein Händler aus Hamburg, der 1826 mit dem Schiff nach Venezuela kam und dort eine Spanierin heiratete.

Vollmer ist ein Oligarch, wie es ihn im «Sozialismus des 21. Jahrhunderts» nach dem Willen von Präsident Nicolás Maduro eigentlich nicht mehr geben dürfte. Gemeinsam mit Lorenzo Mendoza vom Lebensmittelgiganten Polar ist er aber auch der Beweis dafür, dass Privatunternehmer trotz der Anfeindungen der linken Regierung noch immer gute Geschäfte in Venezuela machen können.

Über seine Gewinne will Vollmer trotzdem lieber nicht sprechen. 50 Prozent seiner Einnahmen muss er an den Fiskus abführen. Im vergangenen Jahr füllte Santa Teresa über 1,2 Millionen Kisten Rum à neun Liter ab. Trotz der höchsten Inflation der Welt verkauft der Spirituosenhersteller den grössten Teil der Produktion in Venezuela, etwa 15 Prozent gehen in den Export – auch nach Europa.

Sich mit den Chavisten arrangiert

Damit sein Rum auch die Liebhaber in Deutschland – und der Schweiz – erreicht, muss Vollmer in Venezuela lavieren. Der Patriarch ist mit Sicherheit kein Anhänger der linken Chavisten, aber er hat sich arrangiert. Oppositionelle vor allem im Exil werfen ihm vor, einen teuflischen Pakt mit der autoritären Regierung geschlossen zu haben. «Die Venezolaner müssen wieder zusammenkommen», sagt er. «Es ist eine Sache, von aussen zu kritisieren, ohne wirklich Lösungen anzubieten. Ich glaube, Taten sagen mehr als Worte.»

Als Unternehmer im sozialistischen Venezuela muss Vollmer Kompromisse machen. Im Jahr 2000 besetzten Chavisten Teile seiner Ländereien in Aragua. «Wir haben uns Land genommen von Leuten, die mehr hatten als wir», erinnert sich Omar Rodríguez, der die Besetzung damals anführte.

Vollmer wurde die Eindringlinge nicht los. Also spendete er einen Teil der Ländereien an die Dorfgemeinschaft und engagierte den Rädelsführer Rodríguez. Heute verwaltet der Ex-Militär die Sozialprojekte von Santa Teresa. Vollmer rief beispielsweise das Projekt Alcatraz ins Leben, um Häftlingen die Rückkehr ins bürgerliche Leben zu erleichtern und die Kriminalität zu bekämpfen.

Als einmal drei Verbrecher versuchten, Vollmers Finca zu überfallen, bot er ihnen kurzerhand Jobs als Touristenführer auf seinem Gut an. «Alberto hat Führungsqualitäten. Und er verfügt über eine Sensibilität, wie sie wenige Oligarchen haben», sagt Rodríguez.

Sein alter Feind ist nun sein «Genosse», wie er grinsend erzählt. Vollmer ist Patenonkel seines Sohnes, den er nach seinem grossen Vorbild, dem venezolanischen Ex-Präsidenten Hugo Chávez, benannt hat. Von dessen Nachfolger Nicolás Maduro hält er allerdings wenig. «Ich hatte mehrere Posten in Behörden, aber ich bin enttäuscht worden», sagt der Altlinke. «Die Politiker verfolgen nur ihre eigenen Interessen. Sie lieben das Volk nicht.»

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