Hier ist der Wohnungsmangel am stärksten
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Wüest-Partner-Experte erklärt:Hier ist der Wohnungsmangel am stärksten

Städter müssen in möblierte Business-Apartments ziehen
Immo-Markt läuft aus dem Ruder

Die Wohnungsnot betrifft zunehmend auch den Schweizer Mittelstand. Und führt dazu, dass Städter, die keine Wohnung finden, auf Geschäfts-Apartments ausweichen müssen.
Publiziert: 01.02.2023 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2023 um 15:35 Uhr
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Dorothea VollenweiderRedaktorin Wirtschaft

Die Wohnungsnot breitet sich von Zürich auf die ganze Schweiz aus. Und treibt mittlerweile kuriose Blüten. Weil es fast unmöglich ist, innerhalb nützlicher Frist eine neue Bleibe zu finden, weichen Schweizer Wohnungssuchende zunehmend auf sogenannte Business-Apartments aus.

Diese sind die möblierte Alternative zu Mietwohnungen. Bislang nutzten das Angebot in erster Linie Angestellte internationaler Firmen, die mehrere Wochen oder Monate in einer Stadt untergebracht werden müssen.

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«Für Schweizer Kunden sind wir eine Übergangslösung, während sie auf Wohnungs- oder Haussuche sind»
Jakub Kasperczyk (30), CEO von Blueground.
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Übergangslösung für Vermögende

Seit kurzem sind aber zunehmend auch Einheimische an den möblierten Unterkünften interessiert – und das nicht aus geschäftlichen Gründen. «Wir haben hier in Zürich auch zunehmend Schweizer Kundschaft», sagt Jakub Kasperczyk (30), Geschäftsführer von Blueground. Das Unternehmen ist Anbieter solcher Geschäftsapartments.

In dieser Überbauung in Zürich-Manegg befinden sich mehrere Business-Apartments der Firma Blueground.
Foto: Philippe Rossier
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Der Grund dafür ist der ausgetrocknete Wohnungsmarkt. «Für Schweizer Kundinnen und Kunden sind wir eine Übergangslösung, während sie auf Wohnungs- oder Haussuche sind», weiss Kasperczyk. «Es handelt sich dabei um durchaus vermögende Kunden, die in Zürich trotz hoher Zahlungsbereitschaft nicht schnell genug eine passende Wohnung finden können», sagt Kasperczyk.

Weniger Wohnungen inseriert

Auch Einheimische mit durchschnittlichem Wohnkostenbudget machen zunehmend vom Angebot gebrauch. Einer von ihnen ist Matthias B. Um seine Privatsphäre zu schützen, hat Blick seinen Namen geändert. B. wohnt und arbeitet in Zürich. Als seine Beziehung letztes Jahr in die Brüche ging, wollte er aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Er fand allerdings nicht schnell genug eine neue, bezahlbare Wohnung. «Anfangs kam ich bei Bekannten unter», sagt er. «Dann wohnte ich für eine gewisse Zeit in einem Business-Apartment.»

Für die möblierte, 21 Quadratmeter grosse Wohnung zahlte er 2500 Franken pro Monat. Ein Heidengeld, das die Anbieter solcher möblierten Unterkünfte nun auch mit der Wohnungsnot machen. «Das war eine teure Zwischenlösung, und ich bin froh, dass ich inzwischen eine bezahlbare Mietwohnung gefunden habe», sagt Matthias B.

Wie schwierig es ist, in einer Schweizer Stadt eine Wohnung zu finden, zeigt ein Blick auf die Immobilienplattformen. Auf Homegate sank die Anzahl inserierter Mietobjekte in Zürich in den letzten fünf Jahren um 20,9 Prozent, in Bern um 12,3 Prozent und in Genf um 11,1 Prozent. Auffällig ist, dass das Angebot besonders im letzten Jahr stark schrumpfte.

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Die Mieten steigen

«Die Zahlen zeigen, dass insbesondere Städte wie Zürich, Bern und Genf der Herausforderung gegenüberstehen, die Nachfrage nach urbanem Wohnen nicht ausreichend bedienen zu können», sagt Martin Waeber (59), Immobilien-Chef bei der Homegate-Muttergesellschaft SMG Swiss Marketplace Group.

Das hat Folgen: Das knappe Angebot lässt die inserierten Wohnungsmieten hochschnellen. Gemäss dem Mietindex, der von Homegate gemeinsam mit der ZKB erhoben wird, stiegen die Mieten 2022 in Zürich um 6,2 Prozent, in Basel um 3,7, in Genf um 2,8 und in Bern um 1,4 Prozent.

Wohnungsnot trifft auch Mittelstand

Die Wohnungsnot betrifft längst nicht mehr nur Geringverdiener. Sie hat sich auf den Mittelstand ausgebreitet. Denn wer sich ein möbliertes Geschäftsapartment leisten kann, braucht einen guten Lohn. Laut dem Beratungsunternehmen Wüest Partner sind diese im Schnitt 20 bis 40 Prozent teurer als unmöblierte Mietwohnungen.

«Der Wohnungsmangel führt dazu, dass auch Mieter mit einem mittleren Einkommen Mühe haben, etwas zu finden», bestätigt Immo-Experte Robert Weinert (44). «Das gilt nicht nur für die Städte, sondern auch für die stadtnahe Agglomeration und Tourismusgemeinden.»

Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Blueground bedient mit ihren Apartments eine vermögende Kundschaft. Das international tätige Unternehmen ist seit 2022 auf dem Schweizer Markt tätig. Aktuell hat der Anbieter rund 120 edel eingerichtete Wohnungen in Zürich und Basel. Eine 2,5-Zimmer-Wohnung in Zürich-Manegg etwa kostet 4500 Franken pro Monat. Bei Konkurrenten wie Visionapartmens gibt es günstigere Angebote.

Dass immer mehr Schweizer solche Bleiben als Zwischenlösung nutzen, ist laut Blueground nicht nur in Zürich zu beobachten. Auch Basel sei davon betroffen, wenn auch nicht im gleichen Ausmass. Laut Kasperczyk kenne man das Phänomen sonst nur von Weltstädten wie London, San Francisco, New York und Paris.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass solche Business-Apartments nun Teil der Lösung sind, um dem aktuellen Wohnungsmangel Herr zu werden. Immer wieder müssen sich die Anbieter den Vorwurf gefallen lassen, auch Teil des Problems zu sein. Denn: Dort, wo Liegenschaften mit Business-Apartments in die Höhe gezogen werden, geht bezahlbarer Wohnraum verloren.

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