Steuerflucht aus Norwegen hält an
«Die Regierung ist der grösste Feind des Landes»

Der Exodus von vermögenden Norwegern aufgrund der massiv gestiegenen Steuerbelastung hält an. Infolge weiterer Änderungen, die ab 2024 greifen, dürften manche auf gepackten Koffern sitzen. Schweizer Orte nutzen dies und machen Werbung vor Ort.
Publiziert: 25.06.2023 um 20:56 Uhr
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Der Exodus der «Steuerflüchtlinge» aus Norwegen – die meisten davon zieht es in die Schweiz – hält an. Reeder, Industrielle und Technologieinvestoren, oder die Kinder reicher Norweger: «Man kann mit etwa einem Steuerflüchtigen pro Woche rechnen», heisst es im norwegischen Wirtschaftsblatt «Kapital».

Es rechnet aktuell niemand damit, dass die norwegischen Steuergesetze dadurch grundlegend geändert werden.

Keine Einsicht der Regierung

Dieser Meinung ist auch der Industrielle Kjartan Aas (62). Ihn zog es bereits vor drei Jahren nach Andermatt UR, wo er tolle Ski- und Velomöglichkeiten vorfand und «überraschend gut» aufgenommen wurde. Dazu liege die Schweiz wunderbar zentral in Europa und er spart hier viel Geld.

Andermatt hat die Zeichen der Zeit erkannt und wirbt um auswanderungswillige norwegische Millionäre.
Foto: Getty Images
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Aktuell verbringt er seine Sommerferien in Norwegen, kehrt jedoch danach in die Schweiz zurück, wo es ihm gut gefällt und er mit anderen norwegischen Expats soziale Netze aufbaut. Gegenüber Blick findet er klare Worte für den Steuerkurs der norwegischen Regierung: «Meiner Meinung nach sind Premierminister Jonas Gahr Støre, Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum und Wirtschaftsminister Jan Christian Vestre Norwegens grösste Feinde. Sie entziehen Kapital aus der Privatwirtschaft und verleihen dem norwegischen Staat auf Kosten privater Initiative immer mehr Macht.»

Aas vergleicht die aktuelle Entwicklung in Norwegen mit dem, was vor 20 Jahren in Schweden geschah. Manche Kollegen sollen es gar mit Venezuela vergleichen. «Die Auswanderung nimmt zu, und denen, die in die Schweiz gezogen sind, geht es offensichtlich sehr gut – das ist für Norwegen ein Problem», so Aas. Ihm zufolge verlieren immer mehr Menschen den Respekt vor der norwegischen Regierung.

Aas selber zog wegen der Vermögenssteuer in die Schweiz. «Wenn Sie Einfamilienhäuser in Oslo vermieten, ist die Steuer höher als der Umsatz», sagt Aas. Doch die Politiker scheinen daran nichts ändern zu wollen.

Es wird für Reiche noch enger

Im Gegenteil. Im Vorschlag für den Staatshaushalt der Jahre 2024/2025 versuchte die norwegische Regierung gar, eine spezielle «Arbeitgebersteuer» für hohe Einkommen (jene über 750'000 Kronen, also umgerechnet knapp über 62'000 Franken) einzuführen. Diese dürfte allerdings im verabschiedeten Gesetzesvorschlag nicht mehr berücksichtigt sein.

Immerhin: Die Erbschaftssteuer soll abgeschafft werden und eine weitere Erhöhung der Einkommenssteuer ist nicht vorgesehen. Sprich: Es reicht, wenn die Hälfte der Einnahmen an den Staat geht.

Die Körperschaftsteuer von 22 Prozent wird voraussichtlich beibehalten, ebenso die Vermögenssteuer. Diese wurde für Vermögenswerte über 20 Millionen Kronen (etwa 1,65 Millionen Franken) auf 1,1 Prozent erhöht. Die Dividendensteuer stieg zuletzt auf 37,4 Prozent. Letztere veranlasste den drittreichsten Norweger, Kjell Inge Røkke, zur Flucht in die Schweiz.

Die Möglichkeit, das gesamte Vermögen unversteuert (also ohne Kapitalertragssteuer) aus Norwegen in ein Steuerparadies zu bringen und es nach fünf Jahren steuerfrei mit nach Hause zu nehmen, wird dagegen gestrichen. Sollte es trotzdem zu weiterer Steuerflucht kommen, wird über eine Art «Wegzugssteuer» debattiert. Bei einer solchen müssten sämtliche Gewinne bei Auszug versteuert werden müssen.

Andermatt wirbt vor Ort

Norwegische Wirtschaftsmedien gehen davon aus, dass deshalb weitere reiche Norweger auf gepackten Koffern sitzen. Was die Schweiz freuen dürfte: Andermatt macht bereits jetzt vor Ort und in norwegischen Medien Standort-Werbung für Reiche, wie Blick meldete. Weitere attraktive Schweizer Wohnorte dürften dem Beispiel noch folgen.

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