Stöckli-Chef Marc Gläser begeistert
«Marco Odermatt ist jeden Franken wert»

Er hat dem Schweizer Traditionsunternehmen neuen Glanz verliehen. Nun spricht er über den Odermatt-Effekt, Schneemangel in Skiregionen und Rekordjahre.
Publiziert: 01.03.2024 um 15:15 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2024 um 16:57 Uhr
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Carmen Schirm
Handelszeitung

Wie oft waren Sie diesen Winter bereits Ski fahren?
Marc Gläser:
Normalerweise komme ich in einer Wintersaison auf 20 bis 25 Skitage. Doch dieses Jahr habe ich noch keinen einzigen Skitag geschafft, da ich verletzungsbedingt eine Pause einlegen musste und die Rennen Anfang der Saison in Sölden und Zermatt leider abgesagt wurden. Wenn ich an den Rennen dabei bin, besichtige ich an den Renntagen üblicherweise morgens zusammen mit den Athletinnen und Athleten die Piste. Zwischen den Läufen oder nach dem Rennen reicht es dann oftmals noch für ein paar Abfahrten.

Hand aufs Herz: Wie gut fahren Sie Ski?
Für einen Flachländer bin ich ein guter Skifahrer. Ich stand mit vier Jahren zum ersten Mal auf den Ski. Meine Eltern waren beide Hilfsskilehrer. Sie sind jedes Wochenende mit uns Ski fahren gegangen. Ich habe bereits mit zwölf den Gold-Test (Anm. d. R.: Skiabzeichen) gemacht und brauchte dafür eine Sonderbewilligung, weil dieser normalerweise erst ab dem Alter von 16 absolviert werden konnte.

Anders gefragt: Hängt Sie Marco Odermatt beim Skifahren gnadenlos ab?
Ich bin noch nicht mit ihm Ski gefahren. Üblicherweise haben wir Kundenanlässe mit unseren Markenbotschaftern, an denen wir mit ihnen Ski fahren. Marco hat jedoch schlicht keine Zeit dafür. Aber ich bin mit ihm regelmässig auf den Pistenbesichtigungen der Rennstrecken – in einem vernünftigen Abstand von 10 bis 15 Metern.

Marc Gläser, CEO von Stöckli Swiss Sports.
Foto: Herbert Zimmermann
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Artikel aus der «Handelszeitung»

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Er ist der absolute Superstar des Skizirkus. Wie konnten Sie ihn an Stöckli binden?
Es war vor 14 Jahren. Ein guter Trainingskollege von Marco, der mit Stöckli-Ski unterwegs war, schlug ihn beim Training. Da lieh sich Marco kurzerhand die Stöckli-Ski vom Kollegen aus und war auf Anhieb zwei Sekunden schneller. Seither setzt er auf Stöckli. Vor sechs, sieben Jahren haben wir ihm einen eigenen Servicemann zur Seite gestellt, da wir grosses Potenzial in Marco sahen. An der Junioren-WM gewann er daraufhin fünf Goldmedaillen. Die grosse Kunst war es, ihn zu behalten.

Mit Geld?
Es ist eine Kombination von mehreren Faktoren, die beim Entscheid eine Rolle gespielt haben. Marco denkt langfristig und somit nicht nur an monetäre Anreize.

Wie viel zahlen Sie ihm?
Das darf ich nicht sagen. Aber selbstverständlich hat er einen attraktiven finanziellen Vertrag mit uns. Und er ist jeden Franken wert.

Schlagen sich seine Podestplätze in Ihren Verkaufszahlen nieder?
Das ist schwierig direkt zu messen. Meine Einschätzung wäre, dass er etwa 3 bis 5 Prozent zum aktuellen Wachstum beiträgt; vor allem in Österreich und in der Schweiz, den beiden einzigen grossen Skinationen, wo der Skisport noch ein Volkssport ist. Der künftige Odi-Effekt wird sich in der Zukunft aber noch vergrössern, da jetzt viele Kinder wie Marco Odermatt Ski fahren wollen. Bei den Kindern zwischen sieben und zwölf beobachten wir einen enormen Odi-Effekt.

Wie kommen Sie darauf, dass es nur zwei grosse Ski-Nationen gibt?
Nur in Österreich und der Schweiz ist Skifahren ein Volkssport. In Frankreich, Italien oder Deutschland fahren nur 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung Ski. In der Schweiz haben wir noch immer knapp 3 Millionen Skifahrerinnen und Skifahrer. Diese Zahl ist auf einem relativ konstant hohen Level.

Heute geben nur noch 27 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer an, regelmässig Ski zu fahren. Die Tageseintritte in Schweizer Skigebieten sind in zwanzig Jahren um ein Viertel gesunken. Macht Ihnen das Angst?
Der Rücklauf ist weltweit betrachtet sehr moderat. Wir hatten nach der Corona-Krise sogar global einen Aufschwung, der Outdoor- und Skisport ist wieder populär geworden. Stöckli verzeichnete in den letzten zwei, drei Jahren in den meisten Skimärkten ein grosses Wachstum. Wir sind im Ausland in einer Premiumpositionierung und somit in einem Nischenmarkt. Und in diesem spürt man einen Rückgang des Gesamtmarkts weniger stark.

Und dann gibt es da noch die Klimaerwärmung, die Ihrem Geschäft schadet.
Viele Menschen haben das Gefühl, dass es auf 1000 Metern Höhe bald keinen Schnee mehr gibt und damit die ganze Skiindustrie zusammenbricht. Dabei werden rund 80 Prozent der Ski-Tage in Skigebieten über 1400 Metern realisiert. Gäbe es jene 20 Prozent Skigebiete nicht mehr, die auf 1000 Metern liegen, wäre das für Stöckli weniger dramatisch. Selbstverständlich sieht dies für die betroffenen Skigebiete anders aus.

Ich habe auf Ihrer Homepage einen passenden Ski gesucht. Heraus kam ein Ski, der 1200 Franken kostet. Ein stolzer Preis ...
Wir produzieren unsere Ski in der Schweiz. Dabei sind Qualität, Innovation und Präzision unsere wichtigsten Treiber. Es sind rund 140 Arbeitsschritte nötig, bis ein Stöckli-Ski hergestellt ist, dabei ist vieles Handarbeit. Die Produktion dauert 18 Arbeitstage, und in die Entwicklung bis zur Fertigstellung unserer Skis investieren wir rund zwei Jahre. Zudem hat der Stöckli-Ski beispielsweise für Deutsche, die in der Schweiz leben, noch einen anderen Effekt. Sind Sie Deutsche?

Nein, Österreicherin. Warum?
Ich pflege mit Augenzwinkern zu sagen, dass das «Beste», was man als Deutsche machen kann, ist, sich einen Stöckli-Ski zu kaufen und vor die Haustüre zu stellen. Ein Grossteil der Deutschen, die in der Schweiz leben, möchten sich löblicherweise integrieren. Das «Schlimmste» aus meiner Sicht, was Sie dafür machen können, ist, wenn Sie versuchen, Schweizerdeutsch zu sprechen. Mit einem Stöckli-Ski signalisieren Sie, dass Sie auf Schweizer Qualität, Langlebigkeit und Performance setzen und bereit sind, einen Aufpreis zu bezahlen.

Ihr Ernst? Integration durch Stöckli-Ski?
Das ist wie mit Victorinox oder Elmex. Wenn man diese Marken benützt, ist das ein Liebesbekenntnis zur Schweiz.

«Das Beste, was man als Deutsche zur Integration machen kann, ist, sich einen Stöckli-Ski zu kaufen und vor die Haustüre zu stellen.»
Foto: Herbert Zimmermann

Sie kamen nicht aus der Skiindustrie, als Sie vor zehn Jahren CEO von Stöckli wurden. Wieso hat man ausgerechnet Sie ausgewählt?
Vor etwa 15 Jahren wollte Stöckli ein umfangreicher Retailer werden, der nebst Skisport auch viele andere Sportarten in den eigenen Geschäften verkaufen wollte. Zudem hatte man eine Bike-Abteilung aufgebaut mit einem kostspieligen Engagement im Mountainbike-Bereich. Der neue Eigentümer, Diego Kaufmann, hat dann erkannt, dass diese Strategie kommerziell kaum umsetzbar ist und auch strategisch wenig Sinn macht. Er wollte Stöckli wieder als Skimarke positionieren und hat entschieden, dass er einen CEO braucht, der ein hohes Markenverständnis hat, die Marke international vertreiben und die Skimanufaktur modernisieren kann.

Sprechen wir es aus: Stöckli war 2014 in einer Krise, als Sie einstiegen. Richtig?
Ja, Stöckli war in einer schwierigen und anspruchsvollen Situation, und wir mussten in den ersten Jahren durch eine klassische Restrukturierung und anschliessende Transformation. Wir haben das Bike-Geschäft eingestellt und unser eigenes Retailgeschäft umfassend umgebaut. Der Exportanteil lag bei 20 Prozent. 80 Prozent der Produkte wurden in der Schweiz verkauft. Seither haben wir den Umsatz im Export mehr als verdreifacht und unser Exportanteil liegt bei 70 Prozent. Nordamerika ist heute der zweitgrösste Markt für uns und soll in fünf Jahren sogar unseren Heimmarkt Schweiz überholen.

«Stöckli war bei meinem Einstieg in einer schwierigen Situation. Wir mussten durch eine klassische Restrukturierung.»
Foto: Herbert Zimmermann

In Zahlen ausgedrückt: Wie läuft das Geschäft?
Letztes Jahr hatten wir ein Rekordjahr, und auch dieses Jahr sollte wieder ein sehr gutes werden. Wir sind auf Herstellerebene ausverkauft, obwohl wir das Produktionsvolumen dieses Jahr nochmals deutlich gesteigert haben und rund 80’000 Paar Ski produziert haben. In den nächsten fünf Jahren wollen wir die Verkaufsmenge auf 90’000 erhöhen. Wir haben unterdessen eine gute Profitabilität, die ein nachhaltiges Überleben sicherstellt. Wir investieren jährlich mehrere Millionen pro Jahr in die Skimanufaktur, den eigenen Vertrieb und die immer wichtiger werdende IT.

Sie sprechen von den Chancen im US-Geschäft. Aber ehrlich, die grosse Mehrheit der Amerikaner hat doch noch nie etwas von Stöckli-Ski gehört, oder?
In den USA ist Skifahren vornehmlich eine Premium-Aktivität und relativ teuer. Nur die einkommensstärksten 10 Prozent fahren Ski, und die wollen tendenziell das beste Produkt. Stöckli-Ski gibt es nur im ausgewählten Fachhandel, wo diese Leute einkaufen. Zudem machen wir in den USA sehr viele Skitests. Stöckli schneidet dabei meist sehr gut ab. Sieben von zehn Personen finden, dass ein Stöckli-Ski heraussticht. Das lässt sich damit erklären, dass wir ein einzigartiges Leim- und Produktionsverfahren haben, das gewisse Produkteigenschaften ermöglicht. Dazu zählt eine Geschmeidigkeit und Vielseitigkeit, die sich mit einer sportlichen DNA verbindet.

Wie läuft das Geschäft in Japan und China, von dem Sie sich ja einiges erhofft hatten?
Bescheiden und tendenziell unter den Erwartungen. Ich habe meine Meinung hierzu in den letzten zehn Jahren regelmässig geändert. Heute bin ich der Meinung, dass der Markt langfristig, in den nächsten fünf bis zehn Jahren, wichtig sein kann. Es ist auch schwierig, in einem Land Ski zu fahren, wo es nur 1 Prozent natürlichen Schnee gibt. Es hat wenig Skigebiete, die für gute Skifahrer interessant sind.

Wie gross ist der Marktanteil in China vom Stöckli-Gesamtumsatz?
Rund 1 Prozent, also heute noch nicht relevant.

Es gibt seit geraumer Zeit auch Skibekleidung aus Ihrem Haus. Warum?
Für mich ist die Stöckli-Bekleidung sehr wichtig. Wir sind damit das ganze Jahr sichtbar. Die Bekleidung unterstützt die Skimarke, und das Tragen einer Marke führt zu einer vertieften Beziehung zwischen der Marke und der Person, die sie trägt. Wir verkaufen rund 1000 Skijacken. Sie kosten zwischen 800 und 1200 Franken.

Produzieren Sie in der Schweiz?
Wir entwickeln und designen die Kollektion bei uns am Hauptsitz. Die Bekleidung wird aber im europäischen Ausland produziert. Seit geraumer Zeit haben wir aber auch Swiss-made-Pullover, welche aus Merinowolle und in der Schweiz hergestellt werden.

Verdienen Sie gut damit?
Noch nicht. Aber das Geschäft ist immerhin selbsttragend und hat Potenzial.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken: Was war das grossartigste Erlebnis?
In meiner Karriere kann ich auf viele grossartige Erlebnisse zurückblicken. So konnte ich, als ich bei Maurice Lacroix als Marketingleiter arbeitete, Roger Federer davon überzeugen, als Botschafter von Rolex zu Maurice Lacroix zu wechseln. Fortan durfte ich ihn dann betreuen. Als ich einmal in Miami war, habe ich eine Harley gemietet und ihn angerufen, ob er mitfahren wollte. Dann ist er hinter mir auf der Harley gesessen. Das war schon ein einmaliges Erlebnis. Mittlerweile, seit ich bei Stöckli arbeite, gibt es aber weitere unvergessliche Erlebnisse, so beispielsweise der erste Gesamtweltcupsieg von Marco Odermatt oder seine beiden Titel an den Weltmeisterschaften in Courchevel, wo ich diesen Erfolg zusammen mit ihm feiern durfte.

Wie bekamen Sie Roger Federer von Rolex weg?
Ich hatte schon immer kreative Ideen, und in Kombination mit meiner Finanzausbildung an der HSG konnte ich diese kreativen Ideen auch finanziell umsetzen. Als der CFO von Maurice Lacroix zwei Wochen im Urlaub war, habe ich ein raffiniertes Beteiligungs- und Entschädigungsmodell aufgestellt. Roger Federer war mit einem Prozentsatz an dem Mehr-Ebit beteiligt, den wir aufgrund seiner Erfolge erzielten. Dieses Beteiligungsmodell gefiel ihm und seinen Beratern gut.

Testen Sie selbst die Ski der Konkurrenz?
Ich selber eher nicht. Ich schaue weniger, was die Konkurrenz macht. Stöckli hat global gesehen eine Premium-Positionierung, im Gegensatz zu den grossen Skiherstellern, die Massen-Player sind und andere Herausforderungen haben.

Wo machen Sie Skiurlaub?
Ich mache eigentlich keinen expliziten Skiurlaub mehr, weil ich in der Wintersaison schon bereits viel in unterschiedlichen Skigebieten dieser Welt unterwegs bin. Aber ich gehe sehr gerne ins Engadin Ski fahren. Zermatt ist auch sehr vielseitig, was die Pisten anbelangt, und hat auch kulinarisch viel zu bieten. Weltweit gesehen ist eines der schönsten Skigebiete in Südtirol, die Sellaronda. In Amerika könnte ich Ihnen einige Skigebiete aufzählen, die phänomenal sind, wie zum Beispiel Aspen, Sun Valley oder Beaver Creek. In Nordamerika gibt es über 200 Skigebiete, die alle so gross sind wie die ganze Lenzerheide und Arosa.

Haben es die Schweizer Skigebiete verpasst, grösser zu werden?
Wir Schweizer lieben es klein und fein, deshalb finde ich die Skigebiete von der Grösse her gerade richtig. Aber wir haben nicht immer die beste Infrastruktur in der Schweiz. Da sind die Österreicher bereits weiter. In Amerika ist die Qualität der Infrastruktur und des kulinarischen Angebots sehr durchzogen. Es gibt Gebiete, in denen seit zwanzig Jahren nicht mehr investiert wurde, aber auch Gebiete mit modernsten Bahnen.

Wie skifahrbegeistert sind Ihre Kinder?
Sie sind leider nicht die grössten Skifreaks geworden. Sie fahren zwar beide ordentlich und gerne Ski, aber Fussball und Gym interessiert sie wesentlich mehr.

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