Tag 5 im Wirtschaftsprozess des Jahres
Gefallenem Starbanker Vincenz geht der Pfuus aus

Pierin Vincenz trägt einen Schlabberpulli und hört zu, bis der Akku seines Laptops leer ist. Der Anwalt seines Mitangeklagten hält derweil ein ellenlanges Plädoyer. Blick hat die Übersicht, was am fünften Tag des Wirtschaftsprozesses des Jahrzehnts gelaufen ist.
Publiziert: 09.02.2022 um 19:31 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2022 um 20:34 Uhr
Pierin Vincenz verlässt nach Tag acht das Zürcher Volkshaus.
Foto: Philippe Rossier
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Patrik Berger und Fabian Vogt

Pierin Vincenz (65), der Hauptangeklagte des grössten Wirtschaftsprozesses des Jahrzehnts, folgt den Ausführungen am fünften Prozesstag konzentriert, aber entspannt. Bis seinem Laptop der Pfuus ausgeht. Zusammen mit seinem Anwalt Lorenz Erni (71) kann er die Panne aber schnell beheben. Vincenz trägt einen Schlabberpulli, wie ihn der neue deutsche Kanzler Olaf Scholz gern trägt – dafür nach der Pause aber keine Maske mehr. Ob für ihn die Pandemie schon vorüber ist? Dafür steht zuverlässig die obligate Cola-Flasche auf dem Tisch von Vincenz. Ab und an gönnt sich der ehemalige Raiffeisen-CEO einen Schluck.

Tag Fünf im grössten Wirtschaftsprozess des Jahrzehntes findet wieder im Theatersaal im Zürcher Volkshaus statt. Heisst: Genug Platz für Journalisten und interessierte Prozessbeobachter. Die bekommen einen spannenden Tag serviert. Kein Wunder: Es geht um einen 100-Millionen-Deal!

Pulli-Fans: Kanzler Scholz (l.), Ex-Banker Vincenz.
Foto: @WaltrautDunz/Thomas Meier

An fragwürdigen Deals beteiligt?

Die grösste und teuerste aller Firmentransaktionen im Wirtschaftsprozess des Jahrzehnts liegt im Fall Investnet vor. Dieser Deal betrifft vor allem die Raiffeisen, die die KMU-Finanziererin mit einer Tochterfirma der Bank fusioniert hatte. Auch hier sollen gemäss Staatsanwaltschaft die beiden Hauptangeklagten Vincenz und Beat Stocker (61) über eine Schattenbeteiligung vom Deal profitiert haben. Licht ins Dunkel dieser Transaktion sollen die Antworten des Mitangeklagten und Investnet-Mitgründers Andreas Etter (51) bringen.

Etter hat in der ersten Prozesswoche wegen Corona gefehlt. Er ist der mehrfachen Gehilfenschaft zu Betrug angeklagt. Die Staatsanwaltschaft fordert für ihn eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der Vorwurf: Etter soll mitgeholfen haben, den umstrittenen Firmendeal zwischen Raiffeisen, Investnet und den Hauptangeklagten Vincenz und Stocker einzufädeln.

«Etter fährt Staatsanwaltschaft massiv an den Karren»
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Blick-Reporter am Prozess:«Etter fährt Staatsanwaltschaft massiv an den Karren»

«Fühle mich zu 100 Prozent unschuldig»

Entsprechend vehement wehrt sich Etter. Er überzeugt mit Detailwissen, geht detailliert auf alle Vorwürfe ein. «Ich fühle mich zu 100 Prozent unschuldig. Auch nach vier Jahren wüsste ich nicht, wie ich mich anders verhalten könnte.» Etter fährt der Staatsanwaltschaft an den Karren. Er spricht von einer dünnen Trennlinie zwischen «tendenziöser Strafuntersuchung und Amtsmissbrauch». Ein starker Vorwurf, den bis jetzt keiner der anderen Angeklagten in dieser Schärfe erhoben hat.

Vincenz habe er gar nie getroffen. Er bezweifle, «dass er mich 2011 auf offener Strasse erkannt hätte». Er habe Vincenz auch nie eine Beteiligung eingeräumt. Im Gegenteil: «Wir haben alles in unserer Macht Stehende unternommen, dass so etwas nicht möglich ist.»

Vincenz knapp bei Kasse

Dann zerpflückt Andreas Blattmann in einem mehrstündigen Plädoyer die Anklage. Der Anwalt von Beat Stocker legt dar, dass die Millionenzahlungen seines Klienten an Pierin Vincenz Darlehen waren, weil der frühere Raiffeisen-Chef knapp bei Kasse war. Mit zahlreichen Beispielen will Blattmann dem Gericht klarmachen, dass die Millionenzahlungen, die sein Klient aus den Firmendeals bekommen hatte, in keinster Weise Schmiergelder oder Erfolgsbeteiligungen für Schattenbeteiligungen waren. «Es waren Darlehen, keine Gewinnauszahlungen für Schattenbeteiligungen.»

Die Staatsanwaltschaft fordert für Vincenz und Stocker sechs Jahre Haft. Wegen gewerbsmässigem Betrug, Urkundenfälschung, unlauterem Wettbewerb und Veruntreuung. Es gilt die Unschuldsvermutung. Vincenz und Co. müssen am 8., 9., 22. und 23. März erneut vor Gericht antraben.

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