Taskforce bereitet Energie-Ernstfall vor
SBB wappnen sich gegen Stillstand

Die SBB haben eine schlagkräftige Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit der Energiekrise und einer drohenden Strommangellage beschäftigt, bestätigen die SBB Recherchen von Blick.
Publiziert: 21.07.2022 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 21.07.2022 um 06:46 Uhr
Ulrich Rotzinger

Geht uns im Winter der Strom aus? Diese Frage beschäftigt derzeit Haushalte und Firmen landesweit. Denn sämtliche Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft hängen am elektrischen Strom. Denkbare Szenarien reichen von einer Mangellage – die Nachfrage ist grösser, als geliefert werden kann – bis hin zum flächendeckenden Stromausfall (Blackout). Mit einem Totalausfall rechnet kaum jemand, mit einer Unterversorgung dagegen schon.

Nicht ohne Grund erachtet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) eine Strommangellage als grösstes Risiko für die Schweiz. Die Energiekrise ruft nicht von ungefähr auch die Schweizerischen Bundesbahnen auf den Plan – sowohl als Immobilienbesitzerin als auch als Grundversorger landesweiter Mobilität.

Die gute Nachricht: Der Bahnstrombedarf ist weitgehend gesichert. Die SBB-Züge fahren bereits heute mit 90 Prozent Anteil Wasserkraft, den sie mehrheitlich aus eigenen Kraftwerken produziert. «Der Ausgleich der Differenzen aus Produktion und Bahnstrombedarf gleichen wir über den Energiemarkt aus. Eine Mangellage zeichnet sich aus heutiger Sicht nicht ab», heisst es bei den SBB auf Anfrage.

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Foto: Keystone
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Haushaltsstrom brauchen auch die SBB

Die SBB brauchen aber nicht nur Bahnstrom. Es gibt auch Bereiche, die beziehen Haushaltsstrom, wie etwa Kundeninformationssysteme, Infrastrukturanlagen, darunter Signale und Stellwerke, oder Immobilien. Eine Unterversorgung mit Strom hätte drastische Auswirkungen. «Ohne Haushaltsstrom könnten die SBB deshalb den Bahnbetrieb nicht aufrechterhalten», sagt eine Sprecherin des Staatsbetriebs.

Das klingt besorgniserregend. Sind die SBB auf eine Strommangellage vorbereitet? Die SBB-Sprecherin: «Wir analysieren die Lage jetzt bereits im Detail, um für den Ernstfall gut vorbereitet zu sein. Dazu haben wir eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die bereits sehr eng im Austausch mit jener vom Bund ist und dabei vom Verband öffentlicher Verkehr begleitet wird.»

Taskforce berichtet an die Konzernleitung

Eine solche Taskforce könne man sich als einen kleinen, schlagkräftigen Kreis vorstellen. «Diese fünf bis zehn Personen beschäftigen sich intensiv mit der Energiekrise und berichten regelmässig an die Konzernleitung. Sie geben Aufträge an die Organisation und stellen als Bindeglied die Abstimmung mit dem Bund sicher», erklärt die Sprecherin weiter.

Diese Taskforce erarbeitet gemäss der Sprecherin unterschiedliche Konzepte vom unveränderten Fahrplan bis hin zum Ausfall von Zügen. «Das Ziel ist, in Absprache mit dem Bund konkrete Vorbereitungsmassnahmen je nach Lage der Stromversorgung zu erarbeiten.»

Stellt sich die Frage, wie wahrscheinlich Zugausfälle oder eine Verknappung des Schienenangebots aufgrund einer Stromverknappung sind. «Diese Frage können wir heute noch nicht beantworten. Die SBB werden die Mobilität als Grundversorgung auf jeden Fall sicherstellen», bekräftigt die Sprecherin. «Letzten Endes kommt es auch darauf an, welche Prioritäten der Bund setzt.»

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Energiekrise auch an anderer SBB-Front

Die Energiekrise beschäftigt die SBB auch an der Ersatzteilfront. «Die Verteuerung am Energiemarkt lässt bereits die Preise von Materialien und Ersatzteilen in die Höhe schnellen. Wir zahlen dafür im Einkauf deutlich mehr als vor einem Jahr», heisst es weiter. Diese Teuerung dürfte sich negativ im Jahresresultat der SBB niederschlagen.

Beim Bund laufen nun, weil Engpässe im nächsten Winter nicht mehr auszuschliessen sind, intensive Vorbereitungen und Lösungen für eine Energiekrise, wie sie die Schweiz seit Jahrzehnten nicht erlebt hat.

Im Notfall würde der ÖV stillstehen

Falls es im Winter zu einer Gas- oder Strommangellage kommt, hat der Bund einen Plan, wie er vorgehen will. Als Erstes setzt er auf Spar-Appelle: die Heizung ein Grad kälter einzustellen, weniger lang zu duschen und den Tumbler links liegen zu lassen. Das macht schon etwas aus – fünf Prozent Ersparnis beim Gas, bis zu zehn Prozent beim Strom.

Erst, wenn die Einsparungen nicht reichen sollten, ist vorgesehen, verbindliche Vorgaben zu Temperaturen in öffentlichen Gebäuden oder Büros zu machen. Und unnötigen Stromfressern würde der Stecker gezogen – Saunas, Skiliften, Hallenbädern.

Im absoluten Notfall sind allerdings auch Netzabschaltungen denkbar: Die Stromversorgung von Teilnetzgebieten – also Quartieren oder Dörfern – würde für ein paar Stunden täglich unterbrochen. Je nach Situation geschieht dies im 4-8-4- oder 4-4-4-Stundentakt: vier Stunden Strom, dann vier oder acht Stunden Abschaltung, dann wieder vier Stunden Strom.

Das hätte weitreichende Folgen für private Haushalte, Unternehmen – unter Umständen sogar den ÖV. Trams, S-Bahnen und wohl auch der regionale Schienenverkehr würden wohl stundenweise ausfallen. Anders sieht es bei Bussen und Postautos aus: Die können wohl weiterfahren und würden wohl auch den Ersatzverkehr stemmen.

Falls es im Winter zu einer Gas- oder Strommangellage kommt, hat der Bund einen Plan, wie er vorgehen will. Als Erstes setzt er auf Spar-Appelle: die Heizung ein Grad kälter einzustellen, weniger lang zu duschen und den Tumbler links liegen zu lassen. Das macht schon etwas aus – fünf Prozent Ersparnis beim Gas, bis zu zehn Prozent beim Strom.

Erst, wenn die Einsparungen nicht reichen sollten, ist vorgesehen, verbindliche Vorgaben zu Temperaturen in öffentlichen Gebäuden oder Büros zu machen. Und unnötigen Stromfressern würde der Stecker gezogen – Saunas, Skiliften, Hallenbädern.

Im absoluten Notfall sind allerdings auch Netzabschaltungen denkbar: Die Stromversorgung von Teilnetzgebieten – also Quartieren oder Dörfern – würde für ein paar Stunden täglich unterbrochen. Je nach Situation geschieht dies im 4-8-4- oder 4-4-4-Stundentakt: vier Stunden Strom, dann vier oder acht Stunden Abschaltung, dann wieder vier Stunden Strom.

Das hätte weitreichende Folgen für private Haushalte, Unternehmen – unter Umständen sogar den ÖV. Trams, S-Bahnen und wohl auch der regionale Schienenverkehr würden wohl stundenweise ausfallen. Anders sieht es bei Bussen und Postautos aus: Die können wohl weiterfahren und würden wohl auch den Ersatzverkehr stemmen.

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