Trendwende im Immobilienmarkt
Preise für Einfamilienhäuser rutschen ab

Trotz steigender Zinsen und Rezessionsängste zeigt sich der Schweizer Eigenheimmarkt erstaunlich robust. Doch die Nervosität nimmt zu: Das Angebot steigt, die Nachfrage sinkt. Und wie die jüngsten Zahlen zeigen, nehmen jetzt auch die Preise für Einfamilienhäuser ab.
Publiziert: 16.08.2023 um 21:00 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2023 um 16:44 Uhr
Beat Schmid*

Am Finanzplatz Zürich geht die Angst um. Ende August will UBS-Chef Sergio Ermotti bekannt geben, wie viele CS-Mitarbeitende er vor die Tür setzt. Der bevorstehende Kahlschlag verunsichert nicht nur Tausende von Bankangestellten und ihre Familien, sondern auch die Immobilienbranche. Dank überdurchschnittlich hoher Löhne konnten sich auch Mittelqualifizierte ein Haus im Grünen oder eine schicke Eigentumswohnung im Speckgürtel leisten. Werden jetzt teure Immobilien auf den Markt «geschmissen», wie ein bekannter Zürcher Finanzblog diese Woche spekulierte?

Hört man sich in der Immobilienszene um, findet man niemanden, der diese These bestätigt. Immobilienmakler Claude Ginesta, der das Gras im Markt wachsen hört, winkt ab. «Ich glaube nicht, dass die Massenentlassungen bei der Credit Suisse zu einem Ausverkauf von teuren Immobilien führen werden», sagt er. Ginesta verweist auf den grosszügigen Sozialplan, der die Lohnfortzahlung während eines Jahres garantiert. Danach greife die Arbeitslosenversicherung. Viele Banker haben sich rechtzeitig mit langfristigen Hypotheken abgesichert. Zudem würden andere Banken reihenweise neue Mitarbeiter einstellen.

Dass jemand sein Haus auf den Markt werfe, weil er es nicht mehr stemmen könne, komme ohnehin sehr selten vor. «Zu mir ist noch nie jemand gekommen, weil er seine Hypothek nicht mehr bezahlen konnte», sagt er. Zudem helfe die Zuwanderung. «Es kommen immer noch viele gut verdienende Expats in die Schweiz. Solange dem so ist, mache ich mir keine Sorgen, dass der Markt einbricht.» Laut Ginesta werden nach wie vor einige Immobilien über dem Schätzwert verkauft.

In jeder dritten Region in der Schweiz fallen die Preise für Einfamilienhäuser.
Foto: Thomas Meier
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Es braut sich was zusammen

Steigende Zinsen, Rezessionsängste und Massenentlassungen – nicht nur bei der Credit Suisse, sondern auch in anderen Branchen und Regionen – all das soll keine Folgen haben?

Wer genau hinschaut, erkennt: Auf dem krisenresistenten Schweizer Immobilienmarkt braut sich etwas zusammen. «Es gibt tendenziell mehr Angebote und die Verkaufsdauer nimmt zu», so Ginesta. Aktuelle Zahlen des Beratungsunternehmens Wüest Partner stützen sein Bauchgefühl. Gemäss einer neuen Studie, die am Freitag veröffentlicht wurde, zeichnet sich bei den Einfamilienhäusern eine Trendwende ab. Im Immo-Monitoring von Wüest Partner fürs zweite Quartal heisst es: «Die Anzeichen mehren sich, dass die Ära der stetig steigenden Preise, die vor 20 Jahren begann, zu Ende geht.»

Und weiter: Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern übersteige zwar weiterhin das Angebot, habe aber gegenüber dem Vorjahr «erheblich abgenommen». Die Zahl der Suchanfragen auf Immobilienportalen ist im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als 20 Prozent eingebrochen. Spannende Zahlen zur Nachfrage liefert das Datenunternehmen Realmatch360. Links und rechts des Zürichseeufers ist die Zahl der aktiven Suchabos für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen auf den tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2014 gesunken. Am meisten aktive Abos gab es Mitte 2021 – mitten in der Corona-Krise. Danach ging es rapide bergab.

Suchabos werden massenhaft gekündigt

Während Suchabos massenhaft gekündigt werden, wächst das Angebot rasant. Laut Wüest Partner stieg es gegenüber dem Vorjahr um 23,8 Prozent auf schweizweit 27’100 ausgeschriebene Objekte. Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden sind schwer auszumachen. Eine Analyse des Beratungsunternehmens Avobis für SonntagsBlick zeigt, dass beispielsweise in den Gemeinden Horgen, Meilen und Glarus die Zahl der Inserate gegenüber dem Vorjahr unverändert blieb, während sich in Aarau die Zahl der ausgeschriebenen Einfamilienhäuser von 15 auf 30 verdoppelte.

Wüest Partner erklärt diese Zunahme einerseits mit einer längeren Vermarktungsdauer. Zum anderen widerspiegle das gewachsene Angebot aber auch eine höhere Verkaufsbereitschaft. «Viele Eigentümer haben sich entschieden, ihre Häuser jetzt auf dem Markt anzubieten, um potenziellen zukünftigen negativen Preisentwicklungen zu entgehen», heisst es im Immo-Monitoring.

Die abnehmende Nachfrage bringt die Preise ins Rutschen. In jeder dritten Schweizer Region sind Einfamilienhäuser bereits billiger geworden. Zwar betrifft dies vor allem ländliche Gebiete, doch auch in den Regionen Winterthur ZH und Luzern sind auf hohem Niveau leichte Preisrückgänge zu verzeichnen, schreibt Wüest Partner. Die Immobilienanalysten gehen davon aus, dass die Preise in weiteren Regionen sinken werden.

Weiter nach oben zeigen dagegen die Preise für Eigentumswohnungen. Dies liegt vor allem daran, dass die in den letzten Jahren weniger stark gestiegen sind als jene von Einfamilienhäusern und daher noch erschwinglicher sind. Allerdings ist die Statistik etwas verzerrt, weil die nach wie vor boomenden Zweitwohnungen mitgerechnet werden.

Dass sich die Zeiten ändern, darüber ist Immobilienmakler Claude Ginesta nicht unglücklich: «Ich bin froh, wenn sich der Markt wieder normalisiert.» In Pessimismus will er nicht verfallen. Solange die Zinsen nicht stark stiegen, kämen wir mit einem blauen Auge davon. «Doch die dunklen Wolken sind da.»

*Der Journalist Beat Schmid schreibt im SonntagsBlick über Finanzthemen. Er ist Herausgeber des Onlinemediums tippinpoint.ch 

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