UBS-Präsident Colm Kelleher über CS-Sünden, Eigenkapital und Ermottis Millionensalär
«Dann kippte plötzlich die Stimmung»

Colm Kelleher ist der Mastermind hinter der CS-Abwicklung. Er kritisiert die Finanzmarktaufsicht, er sagt, wieso die Schweiz mit einer zu hohen Kapitalquote an Relevanz einbüssen würde – und worin er sich bei Sergio Ermottis Lohn verschätzt hat.
Publiziert: 29.09.2024 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2024 um 10:31 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • UBS-Präsident betont, dass die Bank keine Gefahr für die Schweiz darstellt
  • Colm Kelleher hat die Reaktionen auf Segio Ermottis Salär unterschätzt
  • UBS, CS und ihre Mitarbeitenden zahlten 2023 2,6 Mrd. Franken Steuern
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
«Ich habe mir die Finma-Briefe an die CS angesehen. Ich war – diplomatisch gesagt – sehr erstaunt»: UBS-Präsident Colm Kelleher.
Foto: UBS. Fotograf: Martin Rütschi
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Die Schweiz hadert mit ihrer neuen Grossbank. Begonnen hat das komplizierte Verhältnis am 19. März 2023, als Finanzministerin Karin Keller-Sutter vor die Öffentlichkeit trat und Geschichte geschrieben wurde: Die UBS hatte soeben die todgeweihte Credit Suisse übernommen – und die Katastrophe für den Wirtschaftsstandort abgewendet. An der Seite der Bundesrätin sass damals der Architekt des Jahrhundertdeals: UBS-Präsident Colm Kelleher (67). Wir haben ihn am Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse zum Gespräch getroffen.

Herr Kelleher, Sie kennen die Begriffe: «Superbank», «Monsterbank». Die Schweiz hat Angst vor der UBS.
Ich verstehe, dass UBS in der Schweiz eine Sonderstellung hat. Damit sind auch besondere Pflichten verbunden. Ich glaube aber auch, dass die Schweiz von UBS profitiert. Das ist keineswegs überheblich oder arrogant gemeint. So ist UBS der drittgrösste private Arbeitgeber, und wir sind auch ein grosser Steuerzahler: UBS, CS und ihre Mitarbeitenden zahlten 2023 allein 2,6 Mrd. Franken. Es gibt eine Art Gesellschaftsvertrag zwischen der Schweiz und UBS.

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Dazu gehört die Übernahme der Credit Suisse?
Auch ohne die Credit Suisse war UBS strategisch sehr gut aufgestellt. Wir beabsichtigten nicht, die CS zu übernehmen, waren aber darauf vorbereitet. Die Übernahme war auch für UBS mit Risiken verbunden. So fiel am Montagmorgen nach der Ankündigung die UBS-Aktie zuerst deutlich um rund 17 Prozent. Daran erinnert sich heute kaum jemand, denn die Übernahme hat sich als beste Lösung für alle Beteiligten erwiesen. Ob es ein gutes Geschäft ist, wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. Und wir wussten immer, dass wir dafür einen Preis zahlen müssen.

Mit Preis meinen Sie wohl kaum die drei Milliarden Franken, die UBS offiziell für die marode Konkurrentin bezahlen musste. Sondern all die Kritik, die auf die Bank eingeprasselt ist?
Die drei Milliarden sind irreführend, der wahre Kaufpreis liegt weit darüber. Ein Teil des Geschäfts der CS war gesund, aber insgesamt hatte die Bank kein rentables Geschäftsmodell. Allein die Verluste und die Restrukturierung kosten Milliarden im zweistelligen Bereich. Im Grunde genommen wickeln wir die CS für die Schweizer Regierung ab. Das tun wir ohne Belastung des Steuerzahlers. Bislang gelingt uns dies schneller als geplant. Natürlich müssen wir auch Stellen abbauen, aber wir machen dies so sozialverträglich wie möglich, und gerade in der Schweiz erhalten wir einen Grossteil der Arbeitsplätze. Was mich beschäftigt: In der ersten Euphorie waren wir die Retter des Finanzplatzes – aber dann kippte plötzlich die Stimmung.

Viele fürchten ein Klumpenrisiko für den Finanzplatz und das Land.
Ich kann diese Angst verstehen – auch wenn ich sie in keiner Art und Weise teile. Ich erwarte nicht, dass die Schweizer Bevölkerung und Politiker das Bankwesen bis ins letzte Detail verstehen. Die überwiegende Mehrheit der Bürger dürfte nicht wissen, was mit Kernkapital einer Bank gemeint ist. Sie müssen es auch nicht, es reicht, wenn es die Experten wissen. Unser Job ist es zu erklären, warum UBS eine Chance und keine Gefahr für die Schweiz ist.

Und warum ist die UBS keine Gefahr?
Wir sind in keinem Geschäftsbereich marktbeherrschend. Die Schweizer Inlandsbanken sind sehr stark. Und die Auslandsbanken drängen immer stärker in den Markt. In der Kreditvergabe an multinationale Schweizer Unternehmen sind wir zwar führend unter den Schweizer Banken, dort spielt aber der internationale Konkurrenzkampf.

Der Fall des Investmentbankers Kweku Adoboli, wegen dem Oswald Grübel 2011 als UBS-Chef abtrat, ist noch in bester Erinnerung. Ebenso die Fälle Archegos und Greensill, die zum Untergang der CS beigetragen haben. Warum soll sich so was nicht wiederholen können?
Wir können nicht garantieren, dass es keine Unfälle mehr gibt. Werden Banker dumme Dinge tun? Ich fürchte, das werden sie, das liegt in der menschlichen Natur und ist nicht auf Banker beschränkt. Was wir garantieren können, ist, dass wir das Kapital und die Liquidität haben, um solche Unfälle zu überleben, ohne den Steuerzahler zu belasten. Darauf kommt es an.

Wie wollen Sie das garantieren?
Wir halten deutlich mehr Kapital als vergleichbare Banken. Wir müssen erklären, dass es einen glaubwürdigen Abwicklungs- und Sanierungsplan gibt. Damit die Schweizer wissen: Sollte UBS, was ich für sehr unwahrscheinlich halte, ins Schleudern geraten, dann gibt es einen Plan, sie wieder in die Spur zu bringen. Dazu kommt: Unser Geschäft mit dem klaren Fokus auf die Vermögensverwaltung und den starken Schweizer Heimmarkt ist risikoarm und hat sich bewährt. UBS ist damit einzigartig.

Für Kritik hat auch der Lohn von CEO Sergio Ermotti gesorgt. Sind 14 Millionen Franken für neun Monate Arbeit gerechtfertigt?
Ganz ehrlich – es ist mir nie gelungen, in Bezug auf die Vergütung von Bankern in der breiten Bevölkerung Verständnis zu gewinnen. Das ist wie die Quadratur des Kreises. Das war so vom ersten Tag an, als ich mit Banking begann.

Wie meinen Sie das?
Ich komme aus einer Familie mit neun Kindern. Mein Vater war Arzt. Ich bin das erste Mitglied meiner Familie, das ins Bankgeschäft eingestiegen ist. Mein Vater hat das nie verstanden. 1990 war das erste Jahr, in dem ich einen grossen Bonus erhielt. Ich rief meinen Vater an und dachte, er würde sich freuen.

Hat er nicht?
Überhaupt nicht. Er war entsetzt. Er hat einfach nicht verstanden, wie das sein kann. Aber die Realität ist, dass das Bankwesen ein sehr spezialisiertes Geschäft ist, und es Spezialisten braucht, die dieses Geschäft verstehen. Es wird, vielleicht zu Unrecht, sehr viel bezahlt. Aber wenn man nicht zahlt, bekommt man nicht die Leute, die man braucht.

Sie sagen also: Mir gelang es, Sergio Ermotti an Bord zu holen, und statt Applaus gab es Kritik.
Es gab viele und ausschliesslich positive Rückmeldungen, bis wir die Vergütung für unseren CEO bekannt gegeben haben. Die Stimmung kippte wie ein Lichtschalter. Absolut gesehen, verstehe ich das. Relativ gesehen, haben wir Sergio Ermotti nur 10 Prozent mehr bezahlt als seinem Vorgänger, obwohl er eine viel schwierigere Aufgabe übernahm und diese bisher hervorragend gemeistert hat. Wäre es Sergio gegenüber fair gewesen, wenn wir ihm das Gleiche bezahlt hätten? Ich glaube nicht. Dazu kommt noch etwas anderes.

Nämlich?
Sergio Ermotti hätte diesen Job nicht machen müssen. Er hatte einen guten Job als Verwaltungsratspräsident von Swiss Re. Jetzt arbeitet er sieben Tage die Woche rund um die Uhr, damit aus dieser völlig desaströsen Situation, wie wir sie im März 2023 vorgefunden haben, etwas Gutes entsteht. Im Rückblick habe ich vielleicht unterschätzt, wie Teile der Öffentlichkeit auf diese Vergütung reagieren würden.

Es geht doch bei der Entlöhnung auch um falsche Anreize. Banker maximieren das Risiko, verdienen damit prächtig, und wenn die Sache schiefgeht, sind sie längst weg.
Lassen Sie mich erzählen, was bei der Credit Suisse passiert ist. Das schockierte mich. Auch Morgan Stanley wäre einmal fast pleite gegangen. Auch wir mussten damals unsere Leute halten. Was haben wir getan? Wir sagten: Wir müssen euch bezahlen, aber wir werden euch in Form von aufgeschobenen Aktien über Jahre hinweg bezahlen. Ihr müsst euch gegenüber der Bank verpflichten.

Und bei der CS?
Viele Führungsleute bei der CS wurden zu einem Grossteil bar vergütet. Mit einer relativ zu geringen Menge an aufgeschobenen Aktien. Das waren völlig falsche Anreize. Aber offen gesagt: In Teilen der Investmentbank der Credit Suisse gab es Cowboys, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren. Wir sahen, dass einige der Geschäfte, die sie tätigten, für die Bank keinen Sinn ergaben.

All das bekam die Aufsicht nicht mit?
Am 12. Juni 2023, als UBS erstmals die volle Kontrolle über die CS hatte, habe ich mir die Briefe der Finma an den CS-Verwaltungsrat angesehen. Ich war – diplomatisch gesagt – sehr erstaunt.

Wieso?
Wenn ich solche Briefe der Bankenaufsicht bei Morgan Stanley oder UBS erhalten hätte, hätte ich gesagt: Leute, wir haben ein Riesenproblem. Die Tatsache, dass die Credit Suisse diese Briefe erhielt und nichts oder zu wenig unternommen hat, ist unfassbar.

Die Finma sagt, sie hatten nicht die gesetzlichen Befugnisse, um durchzugreifen.
Andere Aufsichtsbehörden haben mir in der Vergangenheit gesagt: Colm, wenn du das hier nicht in Ordnung bringst, kriegst du Probleme. Das ist, was Regulierungsbehörden tun.

Jetzt verlangt die Finma nach mehr Befugnissen im Gesetz.
Die besten Regulierer der Welt setzen schon viel früher an, lange bevor Regeln verletzt werden.

Ab wann haben Sie die Probleme der CS kommen sehen?
Seit 2015 war es für mich offensichtlich, dass die Credit Suisse als eigenständiges Unternehmen nicht mehr überlebensfähig sein wird. Ihre Zukunft lag damals in meinen Augen in der Fusion mit einer anderen Bank. Ab Oktober 2022 bestand ihre Zukunft aus meiner Sicht nur noch in einer Notrettung. Ich verstehe also nicht, warum man acht Jahre gewartet hat, wenn ab 2015 die Warnzeichen da waren. Aber um es klar zu sagen: Es war primär die Verantwortung des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung der CS, das Ruder radikal herumzureissen.

Sie wollen sagen: Alle haben tatenlos dem Untergang zugeschaut?
Ich kam im März 2022 zu UBS. Das Erste, was ich tat, war, eine Arbeitsgruppe zusammenzustellen, die sich auf den Fall CS vorbereiten sollte. Der Grund, warum wir so gut vorbereitet waren, ist nicht, dass wir opportunistisch waren oder eine schwierige Situation ausnützen wollten. Wir waren wirklich besorgt, dass etwas passieren könnte. Wenn also wir uns Sorgen gemacht haben, warum dann nicht auch andere? Ein unkontrollierter Untergang der CS hätte auch UBS viel Geld gekostet.

Zu schaffen macht auch vielen Ihre Marktmacht in der Schweiz. Firmen beschweren sich über härtere Kreditkonditionen.
Ich habe die Umfrage des Industrieverbands Swissmem gesehen, wonach 23 Prozent der Unternehmen eine Verschlechterung der Bedingungen meldeten. Die Mehrheit davon sind ehemalige CS-Kunden. Der Prozentsatz hört sich hoch an, aber man muss bedenken, dass dies insgesamt 53 der befragten Unternehmen betrifft. Das sind weniger als 0,03 Prozent unserer Firmenkunden in der Schweiz. Es tut mir um jeden Kunden leid, der verärgert ist. Wir machen sicher nicht alles richtig. Und wir müssen auf die Rückmeldungen unserer Kunden hören, wir nehmen sie ernst. Kunden sind unsere Raison d’être. Aber lassen Sie uns das im Kontext sehen.

Und was ist der Kontext?
Zunächst einmal sind die Zinsen gestiegen. Natürlich mag es niemand, dass dadurch seine Kredite teurer werden. Aber das liegt nicht in unserer Kontrolle. Zweitens hat die Credit Suisse vereinzelt unwirtschaftliche Geschäfte gemacht, nur um zu überleben. Also mussten wir diese Preise anpassen.

Und jetzt haben Sie den Job, gegen zu harte Regulierung zu kämpfen.
Der Too-big-to-Fail-Bericht enthält 22 Empfehlungen. Ich stimme mit den meisten überein. Womit ich aber wirklich ein grosses Problem habe, ist die Erhöhung der Kapitalanforderungen. Das macht einfach keinen Sinn. Das ist nicht mehr als eine Beruhigungspille für das Volk.

UBS will nicht mehr als 10 Milliarden Franken Zusatzkapital, in Bundesbern ist die Rede von 25 Milliarden.
Zu Zahlen äussere ich mich nicht. Aber grundsätzlich ist klar: Erstens, Vertrauen und Stabilität sind wichtige kompetitive Vorteile für Schweizer Banken, gerade in der globalen Vermögensverwaltung. Deshalb sollten die Schweizer Kapitalvorschriften auch weiterhin zu den strengsten der Welt gehören. In den vergangenen Wochen haben die verschiedenen Finanzzentren der Welt entschieden, wie sie die neueste Runde von international gültigen Kapitalvorschriften umsetzen wollen. Es zeichnet sich ab, dass die Schweiz das bereits weltweit strengste Regime vor allen anderen Ländern weiter verschärfen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Schweizer Banken im Vergleich zu ausländischen Banken mehr Eigenkapital halten müssen.

Und zweitens?
Zu hohe Kapitalanforderungen ersticken die Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssten die Preise für unsere Produkte erhöhen. Denn nur eine nachhaltig profitable Bank ist auch eine stabile Bank. Wir sollten uns auf wichtigere Themen fokussieren, wie das Liquiditätsmanagement und vor allem die volle Abwicklungsfähigkeit einer Bank.

Wie wollen Sie eine mögliche Abwicklung der UBS garantieren?
Oft geht vergessen, dass im Abwicklungsfall einer Bank viel Kapital zur Verfügung steht. Seit der letzten grossen Finanzkrise sind die effektiven Kapitalanforderungen der weltgrössten Banken um das Zehnfache und die verlustabsorbierende Kapazität sogar um das fast Zwanzigfache angestiegen. Bei uns sind das heute rund 200 Milliarden Dollar, was einer Eigenkapitalquote von mehr als 35 Prozent entspricht. Das ist unglaublich hoch. Dieses enorme Kapital steht bei einer Abwicklung zur Verfügung. Gleichzeitig ist die kombinierte Bilanzsumme von UBS und CS heute um 60 Prozent kleiner als 2006, vor der Finanzkrise. UBS ist heute also deutlich sicherer. Und dabei haben wir noch gar nicht über Liquidität gesprochen.

Bitte.
Das Kerngeschäft einer Bank ist das Entgegennehmen und Ausleihen von Geld. Wobei Kredite eine längere Laufzeit haben als Einlagen wie Sparhefte oder Depositen. Um diese Unterschiede in den Fristen im Abwicklungsfall auszugleichen, braucht es flüssige Mittel, den sogenannten Public Liquidity Backstop (PLB). Den haben alle wichtigen Finanzzentren ausser der Schweiz. Darüber wird derzeit im Parlament diskutiert.

Und wieso ist das so wichtig?
Mit der Einführung würde die Schweiz das noch fehlende Puzzleteil erhalten. Ich bin fest davon überzeugt, dass mit den erwähnten Kapitalpolstern und der entsprechenden Liquiditätsversorgung im schlimmsten Fall auch UBS abgewickelt werden könnte, ohne dass der Steuerzahler dafür einstehen muss.

Wenn Finanzministerin Karin Keller-Sutter dennoch kommt und 25 Milliarden zusätzliches Kapital fordert – was dann? Bye bye Switzerland?
Nein, das steht ausser Frage. Obwohl wir eine globale Bank sind, ist das Herzstück von UBS unsere Swissness. Die Schweiz ist vor allem wegen ihrer Kompetenz in der Vermögensverwaltung ein bedeutender Finanzplatz – und spielt deshalb auf der Weltbühne eine Rolle, die weit über ihre Grösse hinausgeht. Man kann UBS also nicht von der Vermögensverwaltung und der Schweiz trennen. Wenn die Politik uns zwingt, unser Kapital massiv zu erhöhen, dann hat die Schweiz entschieden, kein relevanter internationaler Finanzplatz mehr sein zu wollen. Ich denke, das kann nicht im Interesse des Landes sein.

Frau Keller-Sutter hat in einem Blick-Interview gesagt, dass sie mit Ihrem CEO Ermotti «keinen Kontakt mehr» habe. Sie wiederum teilten der «Bilanz» mit: «Wir werden im zweiten Halbjahr die Gespräche mit den Behörden vertiefen.» Dann übernehmen Sie das Lobbying?
Wir haben mit den Behörden auf den verschiedensten Stufen regelmässigen Austausch. Bin ich überzeugt davon, dass ich die Finanzministerin anrufen kann, wenn ich es muss? Ja. Glaube ich, dass sie meinen Anruf entgegennehmen wird? Ja. Aber was ich sicherlich nicht mache, ist, dem politischen Prozess vorzugreifen.

Ihre Mission lautet aber, gegen zu hohe Kapitalvorschriften zu weibeln?
Ich habe versucht, die ganze Kapitaldebatte aus den Schlagzeilen zu halten, da sie wie zuvor erwähnt sehr komplex ist. Diese Frage sollte im Rahmen des politischen Prozesses zum richtigen Zeitpunkt behandelt werden. Die PUK macht ihre Untersuchung, das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen SIF wird Vorschläge machen.

Und dann?
Sobald wir eine konkrete Vorstellung davon haben, wie die Regulierung aussehen könnte, werden wir das Gespräch suchen.

Parallel dazu treiben Sie die Integration voran.
Sergio Ermotti und sein Team sind mit hohem Tempo unterwegs, obwohl die Integration sehr komplex ist. Der Verzicht auf Staatshilfe erfolgte nach nur fünf Monaten. Die Bewilligung von 80 Behörden in 40 Ländern für die Fusion der Stammhäuser nach zwölf Monaten. Die Fusion der Schweizer Einheiten nach 15 Monaten. Und beim Abbau der risikoreichen CS-Geschäfte, die wir nicht weiterführen werden, liegen wir vor unserem Zeitplan. Aber lassen wir uns nichts vormachen, der schwierigste Teil kommt noch: die Migration der Credit-Suisse-Kunden und Daten auf die UBS-Plattform. Eine Herkulesaufgabe.

Die UBS betont immer, dass man dem Zeitplan voraus sei. Warum ist das so wichtig?
Es ist uns wichtig, dass unsere Kunden möglichst rasch vom umfassenden Produkte- und Serviceangebot beider Banken profitieren können. Und je schneller wir den Betrieb normalisieren können, desto schneller können wir eine angemessene Eigenkapitalrendite erzielen. Das wird auch den Aktienkurs unterstützen. Je schneller wir also die Integration abschliessen können, desto besser können wir zeigen, was wir wert sind. Dann zeigt sich, welches Ertragspotenzial die Bank wirklich hat.

Wie herausfordernd ist eigentlich die Kluft zwischen beiden Unternehmenskulturen?
Wenn ich mich bei etwas geirrt habe, dann in dieser Sache. Kurz nach der Übernahme der CS habe ich sehr laut über die unterschiedlichen Firmenkulturen gesprochen. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass viele CS-Mitarbeitende, insbesondere im Schweiz-Geschäft, eine ähnlich starke Kultur haben wie bei UBS. In Teilen der Investmentbank war das anders. Diese Kultur und diese Geschäfte wollten wir nicht. Und mittlerweile haben wir den grössten Teil davon abgewickelt.

Die Leitung einer Bank in einem kleinen Land wie der Schweiz und an der New Yorker Wall Street in Manhattan – was ist da der Hauptunterschied?
Die Schweiz hat einen Vorteil. Morgan Stanley, wo ich lange gearbeitet habe, ist eine globale Bank mit verschiedenen Anteilseignern, ohne wirkliches Kerngeschäft. Bei UBS werden rund 30 Prozent unseres Gewinns in der Schweiz erwirtschaftet. Ich denke also, wir sind uns unserer Swissness und unserer Verpflichtungen gegenüber der Schweiz viel bewusster. Das sorgt für eine gute Balance und Kontrolle.

Inwiefern?
Früher habe ich das Wort «Ballast» benutzt, bis mir gesagt wurde, dass dies im Deutschen negativ besetzt ist. Im Englischen ist Ballast positiv besetzt. Ballast verleiht einem Schiff die notwendige Stabilität. Das gibt uns das Schweizer Geschäft. UBS ist eine Schweizer Bank mit globaler Ausstrahlung.

Gut. Könnten Sie sich auch persönlich vorstellen, den Rest Ihres Lebens in der Schweiz zu verbringen?
Wer weiss, sicher den Rest meines Arbeitslebens, darüber bin ich sehr glücklich. Mein Leben im Ruhestand wird wohl eine Kombination aus Italien und Irland sein. Okay: Und Skifahren in der Schweiz. Meine Frau hat als Kind oft ihre Winterferien in Engelberg verbracht. Wir mögen die Schweiz.

Sie wohnen in Zürich ...
Ja, mitten in der Stadt. Wir schwimmen oft im See, das ganze Jahr durch. Wir sind grosse Anhänger von Eisbaden.

Sehr trendy.
Es gibt medizinisch vieles, was dafür spricht. Darüber hinaus macht es uns Spass und tut gut.

Sie haben anfangs gesagt, dass Sie der erste Banker in der Familie waren. Wie sieht es mit der nächsten Generation aus?
Meine Kinder sind Ende 20 und Anfang 30. Von meinen Söhnen ist einer im Bankwesen. Meine Tochter ist davon nicht begeistert. Sie kommt in dieser Hinsicht eher nach meinem Vater.

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