Darum steht Pierin Vincenz vor Gericht
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Monster-Prozess in Zürich:Darum steht Pierin Vincenz vor Gericht

Versteckte Millionendeals, Luxusreisen, Abstecher ins Rotlichtmilieu
So trickste Raiffeisen-Chef Vincenz alle aus

Am 25. Januar beginnt in Zürich der Prozess gegen Ex-Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz, seinen Geschäftsfreund Beat Stocker und fünf weitere Angeklagte. Blick zeichnet nach, worum es im Wirtschaftsprozess des Jahrzehnts genau geht.
Publiziert: 20.01.2022 um 00:32 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2022 um 11:47 Uhr
Christian Kolbe

Am 1. Oktober 2015 sitzt Pierin Vincenz (65) auf dem Fahrersitz einer schwarzen Luxuslimousine im Zürcher Bankenviertel. Scherzt mit dem zufälligerweise vorbeigehenden Journalisten darüber, dass er nun selber fahren müsse, die Dienste eines Chauffeurs nicht mehr beanspruchen könne. Der Bündner hatte am Vortag seinen letzten Arbeitstag als CEO von Raiffeisen, nach 16 Jahren an der Spitze der Genossenschaftsbank.

Bei der Verabschiedung in der Lokremise in St. Gallen gab es für den Banker, der auch gerne mal seine eigene Branche kritisierte, viel Lob von allen Seiten. Politiker, Wirtschaftsgrössen und Medien feierten den jovialen Raiffeisen-Chef ein letztes Mal. Vincenz hatte Raiffeisen hinter den beiden Grossbanken als dritte Kraft auf dem Finanzplatz etabliert, beförderte die Genossenschaftsbank in den erlauchten Kreis der systemrelevanten Finanzinstitute.

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Wie alles aufflog

Damals war die Welt des Pierin Vincenz noch in Ordnung, lag eine Zukunft in den Verwaltungsräten von Schweizer Firmen vor ihm – und eine dunkle Vergangenheit zu grossen Teilen hinter ihm. Nur, das wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Die beiden Hauptangeklagten: Ex-Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz (65) ...
Foto: Daniel Kellenberger
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Dazu brauchte es erst Enthüllungen des Finanzblogs «Inside Paradeplatz» und Anzeigen seiner Ex-Arbeitgeberin Raiffeisen und der Kreditkartenfirma Aduno, die heute Viseca heisst. Bei Aduno präsidierte Vincenz von 1999 bis 2017 den Verwaltungsrat. Ebenfalls dort im Verwaltungsrat sass Beat Stocker (61), der von 2006 bis 2011 auch als Geschäftsführer von Aduno amtete – allerdings ohne jemals fest angestellt zu sein, wie der SonntagsBlick kürzlich enthüllte.

Vincenz und Stocker sind die beiden Hauptangeklagten im spektakulärsten Schweizer Wirtschaftsprozess seit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Swissair-Pleite. Im Herbst 2017 zieht sich die Schlinge um die beiden Kumpel und Geschäftspartner immer enger zu. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) ermittelt ebenso wie die auf Wirtschaftsdelikte spezialisierte Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich.

106 Tage U-Haft

Im Morgengrauen des 27. Februar 2018 schlagen die Behörden zu, holen Stocker um sechs Uhr aus dem Bett, Vincenz ist zehn Minuten später dran. Wenn die beiden hoffen, nur den einen oder anderen Tag in Untersuchungshaft zu sein, täuschen sie sich. Insgesamt 106 Tage verbringen sie in einer kargen Zelle eines Untersuchungsgefängnisses im Kanton Zürich. «Was ich in den letzten Wochen erlebt habe, wünsche ich niemandem», sagt Vincenz nach der Haftentlassung.

Das Schlimmste könnte ihm allerdings erst noch bevorstehen. Denn in der 364 Seiten dicken Anklageschrift zeichnet die Staatsanwaltschaft ein düsteres Bild eines dreisten und geldgierigen Bankers und Spesenritters, der alles tat, um möglichst viel Geld in die eigene Tasche zu wirtschaften – auf Kosten von Aduno und auch Raiffeisen. Auf Kosten der Bank also, die ihm während 15 Jahren über 38 Millionen Franken an Lohn ausbezahlt hatte.

Gelingt es der Anklage, das Gericht von Vincenz' und Stockers Schuld zu überzeugen, drohen den beiden sechs Jahre Gefängnis. Zudem müsste Stocker über 16 Millionen und Vincenz fast 9 Millionen Franken an unrechtmässig erworbenen Erlösen zurückzahlen – für den gemäss verschiedenen Medienberichten ewig klammen Vincenz eine erhebliche Summe, zumal im Falle einer Verurteilung noch zivilrechtliche Ansprüche drohen.

Lange Liste an Vorwürfen

Die Liste der Vorwürfe an die beiden Hauptangeklagten ist lang. Es geht in den Augen der Anklage um gewerbsmässigen Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung und passive Bestechung. Zudem könnten die üppigen Spesenbezüge den Straftatbestand der Veruntreuung erfüllen. Für Vincenz und Stocker wie auch die fünf weiteren Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Im Prozess, der am 25. Januar beginnt und auf vier Tage angesetzt ist, geht es um vier Firmenübernahmen und Spesenritterei im grossen Stil. Bei den Firmentransaktionen trifft es dreimal Aduno, einmal Raiffeisen. Ob diese vier Tage reichen werden, ist allerdings ungewiss. Falls nicht, könnte am 9. Februar weiter verhandelt werden.

Morgen im Blick: Reisen, Rotlicht, Rechtsanwälte – die üppige Spesenrechnung von Pierin Vincenz.

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