Wie man dem Coronavirus die Luft abschneidet
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Brutstätte Innenraum:Wie man dem Coronavirus die Luft abschneidet

Virenschleuder Lüftung
So gefährlich ist es drinnen

Wenn es Winter wird, zieht es die Leute wieder nach drinnen. Prekär könnte die Lage am Arbeitsplatz werden, denn Lüftungen sind auch Virenschleudern. Doch es gibt auch Massnahmen dagegen.
Publiziert: 14.10.2020 um 00:11 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2020 um 17:53 Uhr
Marc Iseli, Franziska Scheven, Ulrich Rotzinger

Mit der Kälte verlagert sich der Alltag zurück in die Innenräume. Und das lässt unter anderem viele Unternehmenschefs nervös werden. Denn die Luft in Räumen spielt bei der Ausbreitung des Coronavirus eine grosse Rolle.

Gerade der Arbeitsplatz, besonders das Büro, ist eine Brutstätte für Corona. Das Problem sind die Aerosole in der Luft. Wenn eine infizierte Person in einem geschlossenen Raum atmet, hustet oder niest, verteilen sich dadurch die virenhaltigen Partikel in der Luft. Andere atmen sie ein, stecken sich im schlechtesten Fall an.

Das deutsche Hermann-Rietschel-Institut verglich die Aerosol-Belastung in Kinosälen mit jener in Büros. In Letzteren dürfte die mögliche Ansteckungsgefahr deutlich höher sein als in Kinos. Denn in den Filmsälen sprechen die Besucher üblicherweise nicht. Selbst Infizierte atmen deshalb weniger Coronaviren aus als in den betriebsamen und manchmal geschwätzigen Büros.

Grosse Firmen, grosse Büros. Gerade der Arbeitsplatz, besonders das Büro, ist eine Brutstätte für Corona.
Foto: KEYSTONE
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Lüftung als Virenschleuder

Die Situation wird schlimmer im Winter, wenn die Luft wegen der geschlossenen Fenster nicht mehr zirkuliert. Dann steigt die Konzentration der Aerosole in der Umgebung.

Besonders ältere Bauten ohne Lüftung sind problematisch, sagt Simon Geisshüsler (40) vom Gebäudetechnikverband Suissetec. «Hier ist es wichtig, dass die Räume regelmässig stossgelüftet werden, indem man alle Fenster öffnet», rät der Leiter Technik und Betriebswirtschaft.

Zahlreiche Büros, Geschäfte und Supermärkte setzen auf Lüftungsanlagen, die mit Umluft betrieben werden. Der Grossteil der angesaugten Luft wird wieder in den Raum geblasen, nachdem sie im Gerät gefiltert, gekühlt, geheizt oder klimatisiert wurde.

Da aber nur wenig Austausch mit Frischluft stattfindet, werden auch die Aerosole wieder im Raum verteilt – und damit zum Beispiel auch Grippe- und Coronaviren.

Geisshüsler: «Es ist davon auszugehen, dass in der Schweiz ein Grossteil der Lüftungsanlagen keine speziellen Virenfilter enthält.»

Weniger die grossflächigen Supermärkte, dafür umso mehr die Büros werden zur Viren-Nahkampfzone und deren Lüftungen zu Virenschleudern.

Die meisten Lüftungsanlagen haben einen Kassettenfilter oder Taschenfilter installiert. Sie können je nach Wirkungsgrad Bakterien aus der Luft filtern, töten sie aber nicht ab.

Kein Wunder, werben Firmen derzeit für Luftreinigungsgeräte. Unternehmen rennen Herstellern von Elektrofiltern die Tür ein, weil diese Bakterien und Viren nicht nur aus der Luft filtern, sondern sie auch gleich abtöten, unschädlich machen.

Mehr Homeoffice gefordert

Im Ringen um sichere Luft im Corona-Winter ist für Pierre Derivaz (31) vom Verband Angestellte Schweiz deshalb klar: «Lüften ist wichtig, reicht aber nicht.» Der Rechtsanwalt fordert, dass die Firmen, wo immer möglich, wieder auf Homeoffice setzen. «Ohne sachlichen Grund sollten Firmen keine Präsenz im Büro vorschreiben, nur weil sie coronamüde sind und Lust auf eine Art ‹Rückkehr zur Normalität› haben.»

Oder doch Maske auf auch im Büro? Frankreich hat den Mund-Nasen-Schutz dort bereits zur Pflicht erklärt – Einzelbüros ausgenommen. In der Schweiz arbeiten sieben von zehn Angestellten in einem Grossraumbüro.

Während es in den Läden in vielen Kantonen oder in den SBB-Zügen bereits zum Alltag gehört, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, herrscht in den meisten Büros das Prinzip der Freiwilligkeit.

Erst wenige Unternehmen kennen eine Maskenpflicht im Gebäude. Dazu zählt etwa der Basler Pharmamulti Novartis. Die Mehrheit der Firmenchefs wartet mit der unpopulären Massnahme ab, bis möglicherweise die Behörden vorpreschen.

«Wir erwarten keine generelle Maskenpflicht in den Büros», sagt Daniella Lützelschwab (52) aus der Geschäftsleitung des Arbeitgeberverbands. Sie bestätigt, dass die Grosswetterlage bei den Firmen in dieser Angelegenheit unverändert ist. Trotz nahendem Winter. Trotz steigenden Corona-Zahlen. Trotz den Erfahrungen aus Frankreich.

Die Pandemie nehmen dennoch vermehrt Unternehmen zum Anlass, ihre Lüftungssysteme für die Innenräume zu optimieren, weiss Geisshüsler von Suissetec. Er spricht von einer Zunahme der Anfragen. Sein Rat an die Firmen: «Beim Lüftungsgerät eine ausreichende Aussenluftzufuhr einstellen.» Dies hätten die Gebäudetechniker inzwischen vielerorts sichergestellt.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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