Was Wohneigentümer zum Zinsschock wissen müssen
Eng wird es für Haushalte ohne Reserven

Die Zinsen für Festhypotheken steigen fast täglich, die Häuserpreise hingegen sind erstmals seit Jahren im Sinkflug. Müssen nun Hunderttausende um ihr Eigenheim zittern?
Publiziert: 21.06.2022 um 00:46 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2023 um 17:39 Uhr
Martin Schmidt

Für Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer wird es ungemütlicher, an ruhigen Schlaf in den eigenen vier Wänden ist für viele derzeit nicht zu denken. Denn seit die Schweizerische Nationalbank (SNB) letzte Woche den Leitzins überraschend stark von minus 0,75 auf minus 0,25 Prozentpunkte angehoben hat, muss so mancher Eigenheimbesitzer um sein Zuhause zittern.

Die Schweizerische Nationalbank sagt in ihrem aktuellsten Bericht zur Finanzstabilität, dass bereits bei einem Hypothekarzins von über drei Prozent jeder fünfte Haushalt mit Eigenheim die Tragbarkeitsregeln nicht mehr erfüllen könnte. Blick beantwortet Eigentümern die wichtigsten Fragen rund um die Zinswende.

Was bedeutet Tragbarkeit?

Die Finanzierungsinstitute haben die Vergabe von Hypotheken vor Jahren selbst verschärft und sogenannte kalkulatorische Kosten eingeführt. Nach dieser Faustregel sollten die Kosten für Zinsen, Unterhalt und Amortisation nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmachen.

Jeder fünfte Eigenheimbesitzer kann gemäss der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bei einer Erneuerung der Hypothek die Tragbarkeitskriterien nicht mehr erfüllen.
Foto: Thomas Meier
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Welche Immobilienbesitzer sind betroffen?

Oft Haushalte, deren Einkommen seit der Aufnahme der letzten Hypothek gesunken ist. Beispielsweise, weil die Personen in der Zwischenzeit pensioniert worden sind. Oder auch Doppelverdiener-Haushalte im Alter zwischen 30 und 40, die eine Wohnung oder ein Haus kaufen und mit Nachwuchs dann die Pensen reduzieren. Viele Fälle sind aber auch auf Ausnahmen der Banken bei der Vergabe der Hypotheken zurückzuführen.

Waren die Banken bei der Vergabe von Hypotheken zu locker?

Bei den Tragbarkeitsregeln haben Hypothekenanbieter oft ein Auge zugedrückt. «Gemäss unseren Analysen wird mittlerweile mehr als jede dritte Hypothekarfinanzierung im Rahmen einer sogenannten Exception to Policy abgeschlossen», sagt Martin Tschopp (58), CEO bei Moneypark. Banken lockern die Zügel vor allem bei Hauskäufern mit hohen Einkommen ab 180’000 Franken, wie eine Analyse des Online-Vergleichsdienstes zeigt.

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Kann ein Fünftel der Haushalte seine Wohnungen schon bald nicht mehr finanzieren?

Die Zinswende raubt vor allem denjenigen Hypothekarschuldnern den Schlaf, die ihre auslaufenden Hypotheken mit einem Zinssatz von drei und mehr Prozent ersetzen müssen. «Rund 85 bis 90 Prozent der Eigenheimbesitzer sind nicht unmittelbar von höheren Zinskosten betroffen. Sie haben Festhypotheken, die zum Teil noch viele Jahre weiterlaufen», betont Moneypark-CEO Martin Tschopp. Die Hausbesitzer haben also Zeit zu reagieren, damit sie die Tragbarkeitskriterien weiter erfüllen. Und selbst wenn dies nicht gelingt: «Gerade Pensionierte verfügen oft über Vermögen, mit denen sie ihre Wohnungen auch bei höheren Zinsen problemlos tragen können», sagt Adrian Wenger (50), Hypothekenberater beim VZ Vermögenszentrum.

Für wen wird es nun wirklich eng?

Haushalte ohne Reserven, die sich bis ans Limit verschuldet haben. «Als Erste werden junge Neukäufer Probleme bekommen», ist Wenger überzeugt. Viele von ihnen würden die Nebenkosten und den Unterhalt der Wohnungen oder Häuser unterschätzen. «Wer zuvor 2500 Franken Miete im Monat bezahlt hat und dann eine ältere Immobilie für eine Million kauft, zahlt plötzlich 20’000 bis 30’000 Franken pro Jahr allein für den Unterhalt», so Wenger. Dazu kommen die hohen Energiepreise.

Kommt nun eine Flut von Zwangsversteigerungen?

Kaum. Dazu kam es auch in der Immobilienkrise Anfang der 1990er-Jahre nicht. Die hohe Inflation damals trieb das Zinsniveau auf über sieben Prozent. «In dieser Situation zeigte sich, dass sich viele Eigenheimbesitzer zuerst bei Konsumausgaben wie bei Ferien oder beim Auto einschränkten, bevor sie die Hypozinsen nicht mehr bezahlten», sagt Moneypark-CEO Tschopp.

Könnten die Banken gar auf ein teilweises Abbezahlen der Hypothek pochen?

Das ist sehr unwahrscheinlich. «Solange der Hypothekarnehmer die Zinsen einer Hypothek ordnungsgemäss bezahlt, überprüft die Bank den Objektwert normalerweise nicht», sagt Moneypark-CEO Tschopp. Die Überprüfung erfolgt bei Ablauf der Festhypothek. Macht die Hypothek dann mehr als zwei Drittel des aktuellen Werts der Wohnung aus, werden sogenannte Pflichtamortisationen fällig.

Wo sinken die Preise für Wohneigentum?

In ländlichen Regionen und kleineren Städten ist es in diesem Jahr zu ersten Preistauchern gekommen. Gemäss dem neusten SNB-Bericht zur Finanzstabilität sind die Häuserpreise im langjährigen Vergleich zwischen 10 und 35 Prozent überbewertet, wenn man ihre Entwicklung mit jener bei den Löhnen, dem Bruttoinlandprodukt oder den Zinsen vergleicht. Tschopp relativiert: «Seit der Corona-Pandemie hat sich der Stellenwert des Eigenheims noch erhöht. Die Nachfrage ist nachhaltig.»

Was kostet jetzt eine 10-jährige Festhypothek?

Bei den günstigsten Anbietern sind Käufer bei einem Zins ab 2,26 Prozent dabei. Bei der Credit Suisse, Zürcher Kantonalbank oder Valiant Bank müssen gemäss dem Vergleichsportal Comparis 3,16 Prozent berappt werden. Die Raiffeisen verlangt sogar 3,24 Prozent und die Postfinance 3,25 Prozent. Vor zwölf Monaten betrug der Zins für eine 10-jährige Festhypothek noch 1,2 Prozent.

Welche Anbieter sind die grössten Hypothekenverkäufer der Schweiz?

Die Raiffeisenbank ist mit einem Anteil von 17 Prozent der grösste Anbieter auf dem Hypothekenmarkt. Die UBS und Credit Suisse kommen zusammen auf 25 Prozent, die Kantonalbanken insgesamt auf 36 Prozent.

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