«In Afrika Bäume zu pflanzen reicht nicht!»
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Gretas Rede am WEF:«In Afrika Bäume zu pflanzen reicht nicht!»

Sie sind die Stars am WEF
Trump ist der Grösste! Greta ist die Grösste!

Klimawandel? Für US-Präsident Donald Trump ein Hirngespinst radikaler Sozialisten, wie er in seiner WEF-Rede sagte. Greta widersprach Trump: Die Welt stehe am Abgrund, und gehandelt werden müsse jetzt.
Publiziert: 21.01.2020 um 23:27 Uhr
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Aktualisiert: 02.01.2021 um 16:13 Uhr
Vereint in Davos – wenigstens auf dem Foto: Greta Thunberg im Vordergrund – Donald Trump hinten in der Unschärfe.
Foto: keystone-sda.ch
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Guido Schätti, Christian Kolbe, Fabienne Kinzelmann

Noch zehn Jahre bleiben uns. Wenn wir sie nicht nutzen, dann ist die Klimakatastrophe unvermeidlich. Das ist das Davos-Mantra 2020. Man muss gar nicht zu Greta Thunberg (17) gehen, um es zu hören. WEF-Gründer Klaus Schwab (81), Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (59), Wissenschaftler: Sie alle sagen dasselbe.

Nur einer schert aus. US-Präsident Donald Trump (73) und sein Tross fliegen mit zwei Langstreckenflugzeugen über den Atlantik und lassen sich mit sieben Helikoptern von Zürich nach Davos verfrachten. Im Kongresszentrum bilden sich schon eineinhalb Stunden vor Trumps Rede lange Schlangen. Fast niemand hier mag ihn, aber alle wollen ihn sehen.

Trump lässt sich nicht zweimal bitten. Er hält einen Werbespot für sich und seine Regierung. «Wir erleben einen Boom, den die Welt noch nicht gesehen hat», sagt er ohne falsche Bescheidenheit. Als er sein Amt angetreten habe, sei das Land am Boden gewesen. Die Menschen hätten neben den Jobs auch die Hoffnung verloren.

Trump liest jedes Wort ab, er will sich keine Blösse geben

Doch nun habe sich das Blatt gewendet. «Der Arbeiterklasse geht es so gut wie lange nicht mehr, die Einkommen steigen, der amerikanische Traum ist zurück – grösser und stärker als je zuvor.»

Nicht nur die Wirtschaft habe sich erholt, so Trump. Auch die Bildung und der Zugang zu Krippen hätten sich verbessert. «Regionen, die zuvor hundert Jahre nichts gesehen haben, erleben plötzlich einen enormen Reichtum.» Auch die Schwarzen profitierten.

Was auffällt: An der Rede ist nichts spontan, jedes Wort liest Trump ab, keinen Schlenker erlaubt er sich. Vor der globalen Elite will er sich keine Blösse geben.

«Das Wichtigste war, dass wir die ausbeuterischen Handelspraktiken Chinas gestoppt haben», so Trump. Nun flössen die Investitionen und die Jobs wieder zurück in die USA.

Die drohende Klimakatastrophe? Für Trump nur ein Hirngespinst. Egal, ob das Ende des Erdöls oder die Bevölkerungsexplosion – frühere Prognosen über den Öko-Kollaps hätten sich noch immer als falsch herausgestellt. Das sei diesmal nicht anders. Den Untergangspropheten gehe es nur um die Macht. «Wir dürfen niemals radikale Sozialisten über unser Leben entscheiden lassen.»

Schwab wagt auch diesmal keine Kritik

Dann ist Schluss, der Applaus dünn. Er habe den Optimismus ans WEF zurückgebracht, lobt Schwab seinen Stargast. Kritik wagt er ebenso wenig wie vor zwei Jahren, als er Trump für seine Führungsstärke pries und von der Weltpresse als feige gescholten wurde.

Trump wird zur Belastung für das WEF. Ein Insider zweifelt, ob es sich gelohnt habe, den US-Präsidenten wieder einzuladen. Denn es ist offensichtlich: Die Bemühungen des WEF, sich als Plattform mit sozialem und ökologischem Gewissen zu profilieren, zerstört Trump.

«Trump lebt auf einem anderen Planeten», wettert Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan (53). Seine Rede zeige, dass er nicht begriffen habe, wie ernst die Situation sei. «Der Klimawandel stellt auch für die USA ein grosses Risiko dar. In seinem Universum kommt er aber schlicht nicht vor.»

Inhaltlich habe Trump etwa dasselbe gesagt wie vor zwei Jahren und die Stärke der US-Wirtschaft hervorgehoben, sagt der US-Starökonom Kenneth Rogoff (66). Die Masche sei klar: «Viele hier mögen Trump nicht, aber sie haben grossen Respekt vor der US-Wirtschaft. Darauf setzt er.»

Infantino ist begeistert von Trumps Rede

Gnädiger fällt das Urteil des Zürcher Finanzdirektors Ernst Stocker (64, SVP) aus. «Den Optimismus, den Trump versprüht, darf man nicht unterschätzen. Nur wenn die Wirtschaft brummt, ist es auch möglich, die Umweltziele zu erreichen. Denn auf den Wohlstand will niemand verzichten.»

Geradezu euphorisch zeigte sich Fifa-Präsident Gianni Infantino (49). «Die Zahlen und Fakten sind der Hammer», sagt er. «Seine Rede war eindrücklich.»

Doch egal, was die Zuhörer sagen: Sein wichtigstes Ziel hat Trump erreicht. Gestern starteten die Demokraten im Senat das Amtsenthebungsverfahren gegen ihn. Aber statt auf der Anklagebank zu schmoren, spielte Trump in Davos den grossen Zampano. Er pochte bei den Organisatoren darauf, dass seine Rede genügend früh angesetzt wird, dass die Morgen-Nachrichten in den USA darüber berichten können. Das hat funktioniert. Über das Impeachment spricht niemand. Für Trump heisst das: Mission erfüllt.

Davos is Greta Again: Die Klima-Ikone trocknet Trump ab

Gretas Fieber ist vorbei, dafür ist das Greta-Fieber ausgebrochen. Nachdem Greta Thunberg (17) am Montag noch das Bett hüten musste, ist der Andrang bei ihrem ersten WEF-Auftritt am Dienstagmorgen um 8.30 Uhr riesig.

«Ich kann mich wirklich nicht beschweren, dass mir zu wenig zugehört wird», witzelt sie in der Podiumsdiskussion über den Greta-Hype. «Das Klima und die Umwelt sind jetzt Trend-Thema, aber wenn man es aus einer anderen Perspektive betrachtet, ist so gut wie nichts passiert.»

Die schwedische Klima-Ikone ist darum mit einer klaren Forderung an die Superreichen, die Wirtschaftsbosse, Spitzenpolitiker und Staatenlenker nach Davos gereist: Stoppt Investments in Kohle, Öl und Gas – und zwar sofort! Ein Greenpeace-Bericht unterstreicht ihre Botschaft. 24 Banken, die regelmässig beim WEF vertreten sind, haben allein seit dem Pariser Klimaabkommen 1,4 Billionen US-Dollar in die klimaschädlichen fossile Energien gesteckt.

Beim WEF 2020 gehts um drei Dinge: Klima, Klima und, äh, Klima

Thunberg elektrisiert den Saal – und sie elektrisiert das WEF. Wer durch das Zentrum von Davos läuft, sieht den Greta-Effekt überall. Die Fassade der britischen Grossbank HSBC ist grün, die Deutsche Bank fragt die vorbeiziehenden Anzugträger in Leuchtbuchstaben: «Ist Wachstum eine Illusion?» Greta ist omnipräsent. Ganze 69-mal steht Klima auf dem offiziellen WEF-Programm.

Vor einem Jahr war Greta Thunberg das erste Mal am WEF. «Unser Haus brennt!», rief sie in ihrer Wutrede. Beim 50. WEF steht gleich eine ganze Reihe junger Klima- und Menschenrechtsaktivisten im Zentrum der Veranstaltungen. Neben Thunberg ist die Deutsche Luisa Neubauer (23) angereist, die gerade medienträchtig einen lukrativen Aufsichtsratsposten von Siemens-Chef Joe Kaeser ausgeschlagen hat. Das WEF selbst hat für den «Future Food»-Tag am Mittwoch Fleisch von der Speisekarte verbannt, Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (59) zitierte zum Auftakt Gretas Rede vom vergangenen Jahr und sprach US-Präsident Donald Trump (73) aufs Klima an. Als dieser seine Eröffnungsrede hält, sitzt Thunberg im Publikum.

Greta Thunberg will keine Bäume pflanzen, ihr Vater schon

Bei ihrem zweiten Auftritt am frühen Nachmittag ist Thunberg dann so richtig in Fahrt: «Erwachsene sagen, wir sollen nicht so pessimistisch sein.» Aber: «Unser Haus brennt noch immer! Eure Untätigkeit heizt die Flammen stündlich an. Wir sagen euch immer noch, dass ihr in Panik geraten und so handeln sollt, als ob ihr eure Kinder über alles liebt.»

Die CO2-Emissionen müssten drastisch gesenkt werden, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Alle Staaten würden die Ziele des Pariser Klimaabkommens verletzen. «Doch das scheint niemanden zu kümmern», kritisiert Thunberg. «Ein paar Bäume pflanzen in Afrika reicht nicht.»

Wer das dennoch machen will, kann sich in Davos eine der königsblauen Wollmützen schnappen, die von einer Versicherungsgesellschaft verteilt werden. Das Unternehmen will für jede Kappe einen Baum pflanzen. Und die Dinger sind begehrt, 3500 Stück gingen am Montag bereits weg. Das WEF ist quasi blau, und dies nicht vom überall ebenfalls gratis verfügbaren Alkohol.

Auch Gretas Vater Svante Thunberg (50) trägt eine der Mützen. Während seine Tochter drinnen die Wirtschaftselite in die Mangel nimmt, muss er draussen bleiben. Mit seinem Hotel-Badge darf er nicht ins Kongresszentrum.

Dort tritt am Dienstagnachmittag auch Chinas Vizepremier Han Zheng (65) auf. Zwei Stunden nach Trump bekommt er die grosse Bühne. Und verspricht im Gegensatz zu den USA: «China wird eine Vorreiterrolle in der internationalen Zusammenarbeit und beim Klimaschutz spielen.» Kein Zweifel: Davos ist Greta again.

WEF 2020

Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.

Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.

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