Weil die Konjunktur stottert und der starke Franken belastet
Mehrere Industrie-Firmen schalten um auf Kurzarbeit

Handelsstreit, Brexit, Schuldenkrise und der starke Franken: Der exportabhängigen Maschinenbaubranche stehen turbulente Monate bevor. Immer mehr Firmen informieren sich über Kurzarbeit, zeigen BLICK-Recherchen.
Publiziert: 28.08.2019 um 23:06 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2019 um 15:27 Uhr
10 der 16 grössten Autokonzerne weltweit mussten im zweiten Quartal einen Gewinnrückgang hinnehmen.
Foto: Keystone
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Sven Zaugg

Der Abwärtstrend im Autogeschäft hat tiefe Löcher in die Bilanzen vieler Hersteller gerissen. Zehn der 16 grössten Autokonzerne weltweit mussten im zweiten Quartal einen Gewinnrückgang hinnehmen. Für Schweizer Zulieferfirmen werden die Turbulenzen, allen voran in der deutschen Autoindustrie, zum veritablen Stresstest.

Die Luzerner Zulieferfirma Schurter schaltet bereits auf Kurzarbeit. Zudem kommt es zu vier Entlassungen, berichtet die «Luzerner Zeitung». Im Gespräch mit BLICK sagt Schurter-Chef Ralph Müller (50): «Der Auftragsbestand hat sich auf tiefem Niveau eingependelt. Es liegen schwierige Monate vor uns.»

Doch nicht nur die globale Krise bei den Automobilherstellern setzt der exportabhängige Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) zu: Handelsstreit, Brexit, Schuldenkrise und der erstarkte Franken haben die Auftragseingänge bei den Unternehmen einbrechen lassen. Zudem schwebt das ungeklärte Verhältnis zwischen der Schweiz und ihrem wichtigsten Handelspartner, der Europäischen Union, wie ein Damoklesschwert über der Branche.

«Es droht ein Sturm»

So fielen die Auftragseingänge im ersten Halbjahr um 12,5 Prozent. Nachdem im ersten Quartal noch ein vergleichsweise moderates Minus von 5,1 Prozent resultiert hatte, brach der Bestellungseingang im zweiten Quartal um beinahe einen Fünftel ein. Die Zahlen sind aber mit Vorsicht zu geniessen, da im Vorjahr überdurchschnittlich viele Aufträge bei den Unternehmen eingegangen sind.

Was auffällt: Obwohl bei Swissmem anlässlich der gestrigen Präsentation der Halbjahreszahlen niemand von einer Krise sprechen will, ist das Klagen über den Abschwung umso lauter. Für Direktor Stefan Brupbacher (51) ist die gegenwärtige Situation «besorgniserregend». Er spricht sogar von einem «drohenden Sturm». «Bestenfalls können wir bis mit einer Stabilisierung auf tieferem Niveau rechnen, doch die Risiken inklusive ein weiter steigender Franken sind bedeutend grösser als im letzten Jahr», so Brupbacher. 

Neben Schurter musste auch der Emmenbrücker Stahlhersteller Swiss Steel Kurzarbeit einführen. «Verantwortlich dafür war der Einbruch aus der Automobilindustrie, aber auch eine Abschwächung der Nachfrage aus anderen Märkten wie beispielsweise dem Maschinen- und Anlagebau», sagt Ulrich Steiner, Sprecher des Mutterkonzerns Schmolz+Bickenbach im Gespräch mit BLICK. Laut Steiner sind rund drei Viertel der knapp 500 Angestellten von Kurzarbeit betroffen.

Und was bleibt für die Angestellten, Herr Hess?

Die Zeichen stehen auf Sturm, der Bundesrat muss handeln, und höhere Löhne sind für die Unternehmen nicht tragbar. Das sagt Swissmem-Präsident Hans Hess (64) im BLICK-Interview. Lesen Sie hier weiter.

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Moderater Anstieg der Kurzarbeit

Alles deutet daraufhin, dass in den nächsten Wochen noch weitere Firmen dem Beispiel Schurter und Swiss Steel folgen werden. Gemäss aktuellen Zahlen des Kantons Luzern haben bereits weitere Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Und auch beim Branchenverband Swissmem häufen sich Anfragen zu Kurzarbeit. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) weist die Kurzarbeit zwischen Februar und Mai zwar einen leichten Anstieg auf. «Das Niveau ist aber im zeitlichen Vergleich nach wie vor ausgesprochen tief», schreibt das Seco auf Anfrage. 

Swissmem rechnet im gegenwärtigen Umfeld nicht damit, dass Schweizer Industrieunternehmen im grossen Stil Stellen abbauen oder ins Ausland verlagern werden. Ende des ersten Quartals 2019 – neuere Angaben liegen noch nicht vor – waren im hiesigen MEM-Sektor 323'000 Personen beschäftigt. Dies entspricht sogar einem Zuwachs von 2,6 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode.

Entscheidend für das zweite Halbjahr wird nun sein, was sich an der Währungsfront tut. Wenn der Euro unter 1.10 Franken fällt, ist laut Swissmem die «Schmerzgrenze» für zahlreiche Unternehmen erreicht. Nur: Aktuell kostet der Euro ja bereits schon 1.08 Franken.

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