Weil reiche Ausländer die Immobilien-Preise in die Höhe treiben
Einheimische können sich ihr Haus nicht mehr leisten

Warum ist es ein Problem, wenn Millionäre sich Chalets in Gstaad und Grindelwald kaufen? Es hat zur Folge, dass sich die Einheimischen ihre Immobilien nicht mehr leisten können. In den Gemeinden regt sich Widerstand.
Publiziert: 14.05.2021 um 00:53 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2021 um 16:51 Uhr
Das rund eine Stunde Fussmarsch vom Dorf Lauenen BE entfernt gelegene Eigenheim von Martina (51) und Hansueli Reichenbach (52). Das Haus ist seit 2020 plötzlich 2,6-mal mehr wert als zuvor.
Foto: zVg
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Dorothea Vollenweider

Im Berner Oberland besitzen die Reichsten dieser Welt unzählige zu grosse Anwesen. Und das, obwohl das «Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland» – auch Lex Koller genannt – den Ausverkauf von Schweizer Boden an Ausländer seit 1985 stark einschränkt.

Blick deckte in den vergangenen Tagen jedoch mehrere Immobilien-Deals auf, bei denen die Gemeinden und der Kanton Bern das Bundesgesetz einfach ausser Kraft setzte. Indem sie bei Bewilligungen beide Augen zudrücken, Ausnahmen zur Regel werden lassen und Auflagen nicht kontrollieren.

Gstaad sorgt für Preisexplosion

Das ist nicht nur widerrechtlich, sondern kann für Einheimische dramatische Folgen haben. Denn diese können sich ihr Eigenheim plötzlich nicht mehr leisten. Einerseits steigen natürlich die Preise der Liegenschaften in der Region, wenn Millionäre sich Chalets in Gstaad BE und Grindelwald BE kaufen.

Nun könnte man argumentieren, dass Einheimische, die bereits ein Eigenheim besitzen, davon auch profitieren. Schliesslich sind damit auch ihre Immobilien mehr wert.

Steuerwert unbezahlbar

Doch genau da liegt das Problem. Denn der Immobilienboom führt dazu, dass die Liegenschaften höher versteuert werden müssen. Anfang 2020 hat der Kanton Bern eine amtliche Neubewertung der Grundstücke vorgenommen. Sie machte im Saanenland, zu dem auch Gstaad BE gehört, manch ein Einwohner über Nacht zum Millionär – ohne mehr Geld auf dem Konto zu haben.

Davon betroffen sind auch Martina (51) und Hansueli Reichenbach (52). Ihr Eigenheim steht auf 1400 Meter Höhe in Lauenen BE und ist an einigen Wintertagen selbst mit Vierradantrieb und Spikes nur schwer zugänglich. Trotzdem ist das Haus seit 2020 plötzlich 2,6-mal mehr wert als zuvor.

Verheerende Neubewertung

Die amtliche Neubewertung der Liegenschaften wurde im Kanton Bern zum letzten Mal vor 20 Jahren angepasst. Seither sind die Immobilienpreise laut der Steuerverwaltung stetig angestiegen. «Der amtliche Wert muss deshalb dem Verkehrswert angepasst werden», erklärt Sprecherin Tanja Bertholet.

Die Anpassungen fallen in Gemeinden wie etwa Hasliberg BE oder Iseltwald BE vergleichsweise moderat aus. In Grindelwald stieg der Liegenschaftswert um 68 Prozent. Für die Anwohner in Saanen BE war die Neubewertung verheerend: Der Steuerwert ihrer Immobilien stieg um 154 Prozent. Wer bisher also ein Eigenheim für 500'000 Franken besass, muss dieses nun für 1,5 Millionen Franken versteuern.

Grosse regionale Unterschiede

Der Grund: Die Neubewertung basiert auf den Handänderungspreisen von 2013 bis 2016, also den Preisen im Immobilienmarkt während dieser Zeitperiode. Wurden in diesen drei Jahren in Gstaad Luxusimmobilien in Millionenhöhe veräussert, lässt das den Medianwert der Häuser in Saanen explodieren.

Und damit werden die Millionendeals ausländischer Immobilienkäufer für Reichenbachs und viele weitere Einwohner zu einer akuten Bedrohung. «Auch wenn der Nobelkurort Gstaad nah ist, wir wohnen in einer Randregion», sagt Reichenbach.

Einheimische wehren sich

«Für einige Familien bedeutet die Neubewertung, dass sie sich ihr Haus nicht mehr leisten können», sagt der 52-Jährige. Er sei nicht grundsätzlich gegen eine Neubewertung der Liegenschaften. «Aber man kann nicht alle in denselben Topf werfen.»

Zusammen mit seiner Frau lancierte er im Sommer 2020 deshalb eine Petition gegen die steuerliche Mehrbelastung. «2323 Unterschriften konnten wir einreichen», sagt Reichenbach stolz. Mehrere Grossräte setzten sich ebenfalls für das Anliegen ein. Mit Bild will Reichenbach nicht in die Zeitung, weil er in den vergangenen Monaten Drohungen erhalten habe.

Auch die Gemeinde Saanen ist inzwischen aktiv geworden. Gegen die amtliche Neubewertung der Liegenschaften hat sie bei der kantonalen Steuerverwaltung Einsprachen erhoben. Die Einsprachen der Gemeinde und der einzelnen Eigentümer sind noch hängig.

Lex Koller soll den «Ausverkauf der Heimat» verhindern

Könnten reiche Ausländer ungehindert Grundstücke in der Schweiz kaufen, würden die Immobilienpreise hierzulande noch stärker durch die Decke gehen. Unter Druck kämen dann die Normalverdienenden in der Schweiz, die sich dann ein Eigenheim noch weniger leisten könnten – oder mit steigenden Mieten konfrontiert wären.

Darum wird seit 1961 der Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland reglementiert. 1985 trat das Gesetz in Kraft, das heute als «Lex Koller» bekannt ist – benannt nach dem Bundesrat, der Ende 90er Jahre eine Revision des Gesetzes vorangetrieben hatte. Das Gesetz hat ein Ziel: Ausländern, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben, den Zugang zum Immobilienmarkt in der Schweiz massiv zu erschweren.

Immer wieder gibt es Versuche, das Gesetz zu entschärfen. 2007 wollten es gar alle grossen Parteien und der Bundesrat ganz abschaffen. Der Anlauf scheiterte. Damals entstand im Ausland eine hohe Nachfrage nach Schweizer Grund und Boden – der Bundesrat sah ein, dass die Lex Koller «das derzeit einzige Instrument (ist), das die Nachfrage auf dem schweizerischen Immobilienmarkt zu dämpfen vermag».

Könnten reiche Ausländer ungehindert Grundstücke in der Schweiz kaufen, würden die Immobilienpreise hierzulande noch stärker durch die Decke gehen. Unter Druck kämen dann die Normalverdienenden in der Schweiz, die sich dann ein Eigenheim noch weniger leisten könnten – oder mit steigenden Mieten konfrontiert wären.

Darum wird seit 1961 der Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland reglementiert. 1985 trat das Gesetz in Kraft, das heute als «Lex Koller» bekannt ist – benannt nach dem Bundesrat, der Ende 90er Jahre eine Revision des Gesetzes vorangetrieben hatte. Das Gesetz hat ein Ziel: Ausländern, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben, den Zugang zum Immobilienmarkt in der Schweiz massiv zu erschweren.

Immer wieder gibt es Versuche, das Gesetz zu entschärfen. 2007 wollten es gar alle grossen Parteien und der Bundesrat ganz abschaffen. Der Anlauf scheiterte. Damals entstand im Ausland eine hohe Nachfrage nach Schweizer Grund und Boden – der Bundesrat sah ein, dass die Lex Koller «das derzeit einzige Instrument (ist), das die Nachfrage auf dem schweizerischen Immobilienmarkt zu dämpfen vermag».

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