Wer hätte das gedacht?
Warum Haushalte seit Jahren immer weniger fürs Wohnen zahlen

Wer hätte das gedacht: Die Schweizer Haushalte geben seit Jahren einen immer kleineren Teil ihres Budgets fürs Wohnen aus. Doch die Wohnkosten sind jüngst deutlich gestiegen – und werden weiterhin kräftig zulegen, so eine Raiffeisen-Studie.
Publiziert: 13.07.2023 um 10:48 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2023 um 11:05 Uhr
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

In vielen Städten gibt es kaum leere Wohnungen. Wird man doch fündig, haben es die Mieten in sich. Vor diesem Hintergrund liefert die Raiffeisen in ihrer Immobilienstudie zum 2. Quartal 2023 überraschende Zahlen: Der Anteil der Wohnkosten am Haushaltsbudget ist in den letzten sieben Jahren kontinuierlich gesunken. 2015 musste ein Haushalt durchschnittlich noch 15,3 Prozent des Budgets für Miete, Energie, Unterhalt, Zweitwohnsitz und Nebenkosten aufbringen. 2022 waren es gerade mal noch 13,8 Prozent.

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«Wir geben aktuell einen so geringen Anteil fürs Wohnen aus wie noch nie seit der erstmaligen Erhebung dieser Statistik im Jahr 2006», schreibt die Raiffeisen. Und das für immer mehr Wohnfläche! Die gesunkenen Wohnkosten sind auf den Bauboom in den 2010er Jahren zurückzuführen. Das billige Geld und fehlende Anlagealternativen verleitete Investoren dazu, im grossen Stil Immobilien als Renditeobjekte zu bauen.

Die Folge war ein Überangebot und sinkende Neumieten. Die Bestandsmieten stiegen dank sinkendem Referenzzinssatz kaum, die Hypothekenbelastung für Eigentümer nahm ebenfalls ab, genauso wie die real anfallenden Energieausgaben. Gleichzeitig sind die Reallöhne leicht gestiegen.

Der Anteil der Wohnkosten am Haushaltsbudget ist in den letzten sieben Jahren kontinuierlich gesunken. Wohnsiedlung in Bern.
Foto: Zamir Loshi
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Teils über 50 Prozent des Budgets nur für Wohnen

Alles also halb so schlimm an der Front der steigenden Wohnkosten? Mitnichten, wie die Studienautoren schreiben: Der Blick auf den Durchschnittswert überdecke, dass die «Wohnkostenbelastung für einige Bevölkerungsschichten in den letzten Jahren spürbar gestiegen ist und für diese teilweise ein bedenklich hohes Niveau erreicht hat».

Am stärksten spüren dies die 20 Prozent der Haushalte mit den tiefsten Einkommen. Bei ihnen steigen die Wohnkosten bereits seit Jahrzehnten stärker als das Einkommen an. Am schlimmsten sei die Situation für einkommensschwache Haushalte in den wirtschaftlichen Zentren: Wer dort nicht das Privileg habe, in einer günstigen Genossenschaftswohnung zu leben oder von einer langjährigen, tiefen Bestandsmiete profitiert, «für den haben die Wohnkosten in der Stadt ein untragbares Niveau erreicht», schreiben die Autoren. In Zahlen ausgedrückt: Hier liegt die Wohnkostenbelastung zum Teil bei 50 Prozent oder sogar noch höher.

Wohnkosten steigen für alle kräftig an

Von einer sinkenden Wohnkostenbelastung hingegen haben Teile des Mittelstands und vor allem die einkommensstärksten Haushalte profitiert. Doch auch hier kann der Durchschnittswert täuschen: Denn die Belastung ist gerade bei Eigentumswohnungen wegen der über viele Jahre extrem niedrigen Hypothekarzinsen stark gesunken. Und nur 36 Prozent der Bevölkerung wohnen in einer Eigentumswohnung. Alle anderen leben zur Miete und die Mietzinsen sind gemäss Mietpreisindex allein seit 2015 um knapp 8 Prozent gestiegen.

Weil der Bau neuer Wohnungen nicht mit der hohen Nachfrage mithalten kann, «werden die Wohnkosten in der Schweiz für alle kräftig steigen», schreiben die Studienautoren. Die Trendwende auf dem Immobilienmarkt hat bereits stattgefunden: «Sämtliche günstigen Faktoren sind bereits weggefallen oder aber fallen nun allmählich weg.» Die Angebotsmieten steigen bereits seit längerem. Die Erhöhung des Referenzzinssatzes per 1. Juni lässt derzeit auch die Bestandesmieten steigen. Und bis 2025 dürfte der Referenzzinssatz noch zweimal angehoben werden. Hinzu kommen die Teuerung, massive Preissteigerungen bei den Nebenkosten und bei Eigentümern steigende Hypothekarzinsen.

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