Alle Corona-Massnahmen aufheben?
Deutschland streitet über den «Freedom Day»

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) fordert, dass bis Ende Oktober in Deutschland alle Corona-Massnahmen aufgehoben werden. Die Idee kommt aber nicht bei allen gut an.
Publiziert: 21.09.2021 um 20:52 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2021 um 20:53 Uhr

In Grossbritannien fand der sogenannte Freedom Day bereits im Juli statt. Premierminister Boris Johnson (57) kündigte damit die Aufhebung fast aller Corona-Massnahmen an. Die Bevölkerung feierte den Entscheid ausgelassen.

Grossbritannien hebt alle Corona-Massnahmen auf
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«Freedom» trotz Delta-Variante:Grossbritannien hebt alle Corona-Massnahmen auf

Nun soll auch die deutsche Bevölkerung wieder alle Freiheiten zurückbekommen – das zumindest fordert der Kassenärztechef Andreas Gassen (57). «Nach den Erfahrungen aus Grossbritannien sollten wir auch den Mut haben zu machen, was auf der Insel geklappt hat», sagte er gegenüber der «Neuen Osnabrücker Zeitung».

«Alle Beschränkungen in sechs Wochen aufgehoben»

Gassens Forderung: «In sechs Wochen ist auch bei uns Freedom Day! Am 30. Oktober werden alle Beschränkungen aufgehoben!» Laut Gassen hätte damit, jeder der will, noch genug Zeit, um sich impfen zu lassen.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, fordert die Aufhebung der Corona-Massnahmen in Deutschland.
Foto: axentis.de
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Denn ohne die Ankündigung eines «Freiheitstages» würde sich Deutschland endlos weiter durch die Pandemie schleppen, sagt er.

«Mal austesten, was Gesundheitssystem aushält»

Doch die Idee stösst auf viel Widerstand. Der deutsche Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (58, SPD) etwa kritisiert den Vorschlag heftig. Er halte es für unvertretbar «einfach mal auszutesten, was unser Gesundheitssystem aushält», wie er gegenüber der Zeitung sagte.

Eine Öffnung sei besser erst ab einer Impfquote von 85 Prozent vertretbar. Derzeit sind es laut dem Robert Koch-Institut erst etwas mehr als 63 Prozent. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (41) sieht wegen der deutlichen regionalen Unterschiede bei den Impfquoten in Deutschland Aufholbedarf.

«Brauchen zuerst Impf-Days»

Auch Gesundheitspolitiker Alexander Krauss (45, CDU) ist gegen den Vorstoss von Gasse. «Wir brauchen zuerst noch einige Impf-Days», sagt er gegenüber der «Ärzte Zeitung». Denn die Impfquoten seien noch nicht ausreichend – die Herdenimmunität sei noch nicht erreicht.

Gegenwind gibt es auch von Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen (40). «Jetzt so zu tun, als sei die Pandemie ein Privatvergnügen und Ungeimpfte letztlich selbst dran schuld und wir könnten uns jetzt von allen Schutzmassnahmen verabschieden, das halte ich für zynisch», sagte er in einem Interview mit dem Sender NDR Info. Die Forderung widerspreche der Haltung der Mehrheit der Ärzte. (bra)


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