Atom-Angst in der Ukraine
Saporischschja bereitet sich auf Super-GAU vor

Die Ukraine warnt vor einem unmittelbar bevorstehenden russischen Anschlag auf das AKW Saporischschja. Denn: Auf dem Dach des AKW werden angeblich Sprengsätze gefunden. Die Angst vor dem Super-GAU wächst. Erste Massnahmen werden bereits getroffen.
Publiziert: 05.07.2023 um 11:33 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2023 um 11:33 Uhr
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Alexander TerweyTagesleiter Desk

Wieder Atom-Angst um das grösste Atomkraftwerk Europas! Die Ukraine verdächtigt Russland eines angeblich bevorstehenden Anschlags auf das AKW Saporischschja im Süden des Landes. «Wir haben jetzt von unserem Geheimdienst die Information, dass das russische Militär auf den Dächern mehrerer Reaktorblöcke des AKW Saporischschja Gegenstände platziert hat, die Sprengstoff ähneln», sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (45) am Dienstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Möglicherweise solle ein Anschlag auf das Kraftwerk simuliert und die Ukraine als Drahtzieher beschuldigt werden. Selenski sprach weiter von «gefährlichen Provokationen».

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Ukraine warnt vor False-Flag-Aktion

Zuvor hatte bereits der ukrainische Generalstab in seinem täglichen Lagebericht über angebliche Sprengkörper auf dem Dach des AKW geschrieben. Die Sprengsätze seien an den Dächern von vier der sechs Reaktorblöcken angebracht worden, sollten die Reaktoren selbst aber wohl nicht beschädigen. Deren Explosion solle den Eindruck eines Beschusses wecken. Es würde sich also um eine sogenannte False-Flag-Aktion handeln.

Moskau hingegen dementiert und bezichtigt wiederum Kiew eines mutmasslich bevorstehenden Anschlags auf das AKW Saporischschja. Ein Berater des staatlichen russischen Atombetreibers Rosatom beschuldigte Kiew, einen «Angriff» auf das Kraftwerk bereits für die Nacht auf Mittwoch vorzubereiten. Dabei sollten «Präzisionswaffen mit grosser Reichweite» sowie Drohnen zum Einsatz kommen, so der Berater.

Immer wieder gibt es Meldungen über einen drohenden Anschlag auf Europas grösstes Atomkraftwerk, das AKW Saporischschja.
Foto: AFP
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Vorbereitungen für atomaren Super-GAU

Zwar werfen sich beide Kriegsparteien immer wieder geplante Provokationen rund um das Kraftwerk vor, zuletzt wurden die Anschuldigungen aber stetig schärfer. So scharf, dass Rettungskräfte in den Regionen um die ukrainischen Städte Cherson, Mykolajiw, Saporischschja und Dnipro bereits für einen möglichen atomaren Notfall trainierten.

Wie die Open-Source-Intelligence «OSINTdefender» am Dienstagabend auf Twitter meldete, seien in den Städten Enerhodar und Mariupol sowie unweit des AKW Saporischschja Ausrüstung und Personal der mobilen Strahlungseinheiten des russischen Katastrophenschutzministeriums gesichtet worden. Jenes Ministerium untersteht direkt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (70). 

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Anwohner sollen Notfallkoffer packen

Wie ernst die Lage ist, zeigen auch andere Massnahmen, die in und um das Kraftwerk getroffen werden. Wie der Nachrichtensender Euronews berichtet, würden auch Anwohner auf den atomaren Ernstfall vorbereitet. Demnach würden sie geschult, einen Notfallkoffer zu packen und improvisierte Atemschutzmasken herzustellen. «Ich erinnere mich an Tschernobyl», sagte ein Anwohner dem Sender. «Ich glaube nicht, dass man sich darauf wirklich vorbereiten kann.» Er stellt sich schon jetzt darauf ein, im Katastrophenfall so schnell wie möglich zu fliehen.

Auch eine andere Anwohnerin ist voller Sorge. «Natürlich machen wir uns Sorgen, weil unsere Kinder und Enkelkinder hier leben», sagte sie gegenüber Euronews.

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Mitarbeiter offenbar aus AKW abgezogen

Russland soll nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes ausserdem zuletzt damit begonnen haben, Mitarbeiter aus dem Kraftwerk abzuziehen. Ende Juni hatte der ukrainische Militärgeheimdienst auf Telegram mitgeteilt, Angestellte hätten bis zum 5. Juli Zeit, das von russischen Truppen besetzte Kraftwerk zu verlassen.

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Selenski fordert Druck auf Russland

Auch international ist die Sorge vor einem atomaren Super-GAU gross. Selenski forderte vor diesem Hintergrund internationalen Druck auf Russland, um einen Angriff auf das AKW Saporischschja zu verhindern. «Leider gab es keine rechtzeitige und breite Reaktion auf den Terroranschlag gegen das Wasserkraftwerk Kachowka. Und das kann den Kreml zu neuen Übeltaten inspirieren», sagte der ukrainische Staatschef.

Selenskis Ansprache ging ein Telefonat mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (45) voraus. Er bedankte sich bei Macron für dessen Bereitschaft, sich für die Sicherheit der Nuklearanlage einzusetzen. Beide hätten über das Kernkraftwerk, aber auch über Waffenlieferungen und den bevorstehenden Nato-Gipfel kommende Woche in Litauen gesprochen, sagte der ukrainische Staatschef. (ter/SDA/AFP)

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