Umweltkatastrophe in Brasilien
Brände im Amazonas-Gebiet nehmen zu

Im brasilianischen Amazonas-Gebiet nimmt die Zahl der Feuer trotz eines Abbrenn-Verbots weiter stark zu. In den neun brasilianischen Bundesstaaten mit Anteilen am Amazonas-Becken stieg die Zahl der Brände im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 20 Prozent.
Publiziert: 02.08.2020 um 05:23 Uhr
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Aktualisiert: 03.08.2020 um 09:28 Uhr
Die Brände im Amazonas-Gebiet legen im Vergleich mit dem Vorjahr wieder zu.
Foto: Fernando Bizerra Jr.
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Dies zeigen Daten des Nationalen Instituts für Weltraumforschung Inpe vom Samstag (Ortszeit). Demnach wurden im Juli diesen Jahres 6804 Feuer registriert, 5318 waren es im Juli 2019 gewesen. Damit werden Befürchtungen verstärkt, dass das Jahr 2020 für den Regenwald in Brasilien noch schlimmer werden könnte als das Vorjahr, in dem der Wald schon grossflächig in Flammen stand.

Abbrennen verboten

Allein am Donnerstag machten die Satelliten 1007 Feuer in Amazonien aus. Es ist Greenpeace Brasil zufolge der Negativ-Rekord an Feuern für einen Juli-Tag in 15 Jahren. «Das Dekret, das die Brände auf dem Papier verbietet, funktioniert nicht, wenn es im Feld nicht auch mehr Überwachung gibt» sagte Greenpeace-Aktivist Rômulo Batista. Mitte Juli hatten Umweltminister Ricardo Salles und Präsident Jair Bolsonaro das Abbrennen von Flächen im Amazonas-Gebiet und im Pantanal, dem grössten Sumpfgebiet der Welt, für 120 Tage verboten.

Bolsonaro unterstützt Ausbeutung

Der rechte Bolsonaro ist ein Befürworter der wirtschaftlichen Ausbeutung Amazoniens. Seine Regierung plant, die Streitkräfte des Landes bis 2022 im Kampf gegen Abholzung und Brände im Amazonas-Gebiet einzusetzen. Umweltschützern zufolge können die Streitkräfte die illegale Zerstörung des Waldes aber nur kurzfristig eindämmen und nicht die Arbeit der von Bolsonaro geschwächten Umweltbehörden ersetzen. (SDA)

Wie wir den Regenwald noch retten können

Es ist still geworden um die Amazonas-Katastrophe, doch die Zerstörung des Regenwalds schreitet voran. Eine Idee, wie man ihn retten könnte, hat der Berner Jonas Perrin (33). Der ist nicht etwa Umweltwissenschaftler – sondern Jurist. SonntagsBlick trifft Perrin im Botanischen Garten in Bern, eine idyllische Oase mitten in der Stadt. Ein Kontrast zum Amazonasgebiet, wo Landwirte munter zündeln und roden, um Ackerfläche zu gewinnen.

Der Raubbau am Regenwald wirft die Frage auf: Wem gehört er eigentlich?
Jonas Perrin: Aus der Sicht des Völkerrechts unterliegt der Regenwald, wie sämtliches Gebiet innerhalb der Staatsgrenzen, der Souveränität der jeweiligen Staaten. Der Staat kann zum Beispiel enteignen, roden oder Staudämme bauen. Der Gegenpart ist das Privateigentum. Da kann ein Einzelner innerhalb der gesetzlichen Vorgaben über ein Gebiet verfügen. Das ist das vorherrschende Konzept seit der Conquista.

Sie sind damit nicht einverstanden.
Schon die Frage, wem der Wald gehört, ist eine sehr westliche. Im Amazonas gibt es die indigenen Völker, die schon lange vor der Eroberung und Erschliessung Südamerikas da waren. Sie verstehen sich eher als Teil des Waldes. Man sollte ihnen die Verwaltung zurückgeben. 

Und so einfach retten wir den Regenwald?
Die Indigenen sind zumindest die Einzigen, die es geschafft haben, mit der Natur so umzugehen, dass sie bestehen bleibt. Natürlich gibt es verschiedene Völker mit verschiedenen Ansichten – aber im Umgang mit der Natur sind sie voraus.

Wie funktioniert Ihre Idee praktisch?
Das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker ernst zu nehmen, wäre schon mal gut. Vor der Conquista hatte jedes Volk sein Territorium. Diese uralten Landrechte gelten auch heute noch – oder besser: wieder. Staaten sind auch vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) eigentlich verpflichtet, zu prüfen, wer ein Gebiet traditionell beansprucht und dieses kollektive Eigentum zu respektieren.

Was ist bislang das Problem?
Wenn beispielsweise Brasilien einem Unternehmen die Genehmigung erteilt, eine Fläche innerhalb indigener Gebiete zu nutzen, müsste der Staat eigentlich erst die Indigenen konsultieren. Wenn er das nicht macht, verletzt er deren kollektives Eigentumsrecht.

Aber dann können die Indigenen doch klagen.
Ja, aber eben nur vor dem Menschengerichtshof. Da hapert es dann oft an der Umsetzung von Urteilen, weil dafür der Staat verantwortlich ist – dem sind Indigene rechtlich untergeordnet. Zudem sind Menschenrechte in aller Regel einschränkbar.

Wie werden Indigene mächtiger?
Dafür müsste man die Völkerrechtsordnung reformieren. Ein indigenes Volk kann nämlich nicht vor den Internationalen Gerichtshof ziehen, wo viele Grenzstreitigkeitsfälle ausgefochten werden. Bislang steht dies ausschliesslich den Staaten zu. Dabei wäre es eine sehr gute Idee, wenn Indigene dort auf Augenhöhe mit einem Staat gestellt würden.

Wollen und könnten sie das denn?
Indigene ziehen zunehmend vor die Gerichtshöfe, um zu ihren Rechten zu gelangen. Je besser sie rechtlich informiert sind, desto eher machen sie das.

Es ist still geworden um die Amazonas-Katastrophe, doch die Zerstörung des Regenwalds schreitet voran. Eine Idee, wie man ihn retten könnte, hat der Berner Jonas Perrin (33). Der ist nicht etwa Umweltwissenschaftler – sondern Jurist. SonntagsBlick trifft Perrin im Botanischen Garten in Bern, eine idyllische Oase mitten in der Stadt. Ein Kontrast zum Amazonasgebiet, wo Landwirte munter zündeln und roden, um Ackerfläche zu gewinnen.

Der Raubbau am Regenwald wirft die Frage auf: Wem gehört er eigentlich?
Jonas Perrin: Aus der Sicht des Völkerrechts unterliegt der Regenwald, wie sämtliches Gebiet innerhalb der Staatsgrenzen, der Souveränität der jeweiligen Staaten. Der Staat kann zum Beispiel enteignen, roden oder Staudämme bauen. Der Gegenpart ist das Privateigentum. Da kann ein Einzelner innerhalb der gesetzlichen Vorgaben über ein Gebiet verfügen. Das ist das vorherrschende Konzept seit der Conquista.

Sie sind damit nicht einverstanden.
Schon die Frage, wem der Wald gehört, ist eine sehr westliche. Im Amazonas gibt es die indigenen Völker, die schon lange vor der Eroberung und Erschliessung Südamerikas da waren. Sie verstehen sich eher als Teil des Waldes. Man sollte ihnen die Verwaltung zurückgeben. 

Und so einfach retten wir den Regenwald?
Die Indigenen sind zumindest die Einzigen, die es geschafft haben, mit der Natur so umzugehen, dass sie bestehen bleibt. Natürlich gibt es verschiedene Völker mit verschiedenen Ansichten – aber im Umgang mit der Natur sind sie voraus.

Wie funktioniert Ihre Idee praktisch?
Das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker ernst zu nehmen, wäre schon mal gut. Vor der Conquista hatte jedes Volk sein Territorium. Diese uralten Landrechte gelten auch heute noch – oder besser: wieder. Staaten sind auch vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) eigentlich verpflichtet, zu prüfen, wer ein Gebiet traditionell beansprucht und dieses kollektive Eigentum zu respektieren.

Was ist bislang das Problem?
Wenn beispielsweise Brasilien einem Unternehmen die Genehmigung erteilt, eine Fläche innerhalb indigener Gebiete zu nutzen, müsste der Staat eigentlich erst die Indigenen konsultieren. Wenn er das nicht macht, verletzt er deren kollektives Eigentumsrecht.

Aber dann können die Indigenen doch klagen.
Ja, aber eben nur vor dem Menschengerichtshof. Da hapert es dann oft an der Umsetzung von Urteilen, weil dafür der Staat verantwortlich ist – dem sind Indigene rechtlich untergeordnet. Zudem sind Menschenrechte in aller Regel einschränkbar.

Wie werden Indigene mächtiger?
Dafür müsste man die Völkerrechtsordnung reformieren. Ein indigenes Volk kann nämlich nicht vor den Internationalen Gerichtshof ziehen, wo viele Grenzstreitigkeitsfälle ausgefochten werden. Bislang steht dies ausschliesslich den Staaten zu. Dabei wäre es eine sehr gute Idee, wenn Indigene dort auf Augenhöhe mit einem Staat gestellt würden.

Wollen und könnten sie das denn?
Indigene ziehen zunehmend vor die Gerichtshöfe, um zu ihren Rechten zu gelangen. Je besser sie rechtlich informiert sind, desto eher machen sie das.

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