Carbonara? Parmesan? Von wegen italienisch
Professor entlarvt italienische Klassiker

Ein Wirtschaftsprofessor bringt die italienische Volksseele zum Kochen. Seine Thesen drehen sich um die Geschichte der italienischen Küchen: Spaghetti Carbonara etwa sei ein US-amerikanisches Gericht. Nun hat sich sogar die italienische Regierung eingeschaltet.
Publiziert: 28.03.2023 um 18:15 Uhr
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Aktualisiert: 28.03.2023 um 20:17 Uhr

Er räumt in der italienischen Küche auf – und macht sich jede Menge Feinde. «Die Leute hassen mich hier», sagt Alberto Grandi (56). Der Wirtschaftsprofessor doziert in der italienischen Stadt Parma. Sein Spezialgebiet: die Geschichte der italienischen Küche. Doch mit den berühmten Speisen des Landes geht er hart ins Gericht.

Seine Thesen werden deswegen auch als Affront wahrgenommen. Bereits 2018 hat Grandi ein Buch über «Marketinglügen über typisch italienische Produkte» publiziert. Ein Interview mit Grandi in der «Financial Times» hat jüngst das italienische Temperament offenbar endgültig ausgereizt.

Grandi nimmt Mythen rund um italienische Traditionsgerichte ins Visier: Der Kultklassiker Spaghetti Carbonara sei eine US-amerikanische Erfindung. Dasselbe gelte für Parmesan. Das Originalrezept stamme aus dem US-Bundesstaat Wisconsin. Und: Der Wisconsin-Parmesan ist laut Grandi der Beste.

Alberto Grandi hat sich mit seinen kulinarischen Thesen viele Feinde gemacht.
Foto: ROPI
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«Die Küche ist in Wirklichkeit amerikanischer als italienisch»

Die italienische Kochkunst sei im Übrigen auch nicht so geschichtsträchtig, wie häufig behauptet wird. Den Dessert-Hit Tiramisù etwa gebe es gar nicht so lange. Auch der fluffige Weihnachtsklassiker Panettone existiere noch nicht so lange – und sei ursprünglich ein hartes Fladenbrot mit Rosinen gewesen.

Selbst das kulinarische Aushängeschild Italiens verschont Grandi nicht: Die Mehrheit der Italiener habe in den Fünfzigerjahren erstmals etwas von Pizza gehört. «Selbst in den Siebzigerjahren war Pizza für meinen Vater genauso exotisch wie Sushi heute für uns.»

Grandis Fazit: «Die Küche ist in Wirklichkeit amerikanischer als italienisch.» Trotz Gegenwind bleibt der Wissenschaftler standhaft: «Ich rekonstruiere die Geschichte dieser Gerichte auf historisch und philologisch korrekte Weise.»

Regierungsmitglied spricht von Neid

Grandis Thesen schlagen hohe Wellen. Der grösste italienische Bauernverband Coldiretti bezeichnet die Aussagen des Professors als «surrealen Angriff» auf die symbolträchtige italienische Küche. Gerade jetzt, da Italien seine Küche als immaterielles Unesco-Kulturerbe anerkennen lassen will, seien solche Behauptungen fehl am Platz.

Selbst in der italienischen Regierung sorgt Grandi für Aufruhr: Matteo Salvini (50), stellvertretender Ministerpräsident und Vorsitzender der rechtsextremen Lega, ist der Kragen geplatzt: «‹Experten› und Zeitungen sind neidisch auf unseren Geschmack und unsere Schönheit», schreibt der Politiker auf Facebook.

Für die gehässigen Reaktionen hat Grandi kein Verständnis: Die italienische Küche nehme «eine Identitätsdimension jenseits aller Vernunft» an. (bab)

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