Die 3 wichtigsten Erkenntnisse der Vize-Debatte zwischen Walz und Vance
Europas grösste Bedrohung ist beiden egal

Die beiden Vizekandidaten von Kamala Harris und Donald Trump haben in New York City die Klingen gekreuzt: extrem anständig und geprägt von gegenseitigem Respekt. Drei Dinge muss man über die einzige Vize-Debatte dieses Wahljahres wissen.
Publiziert: 02.10.2024 um 06:16 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2024 um 11:03 Uhr

Auf einen Blick

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Der Demokrate Tim Walz und der Republikaner J. D. Vance möchten beide Vizepräsident der USA werden.
Foto: keystone-sda.ch
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

J. D. Vance (40) und Tim Walz (60) sollten gemeinsam Amerika regieren. Das wäre Balsam für die gespaltene amerikanische Seele – und könnte das Land auf einen spannenden neuen Pfad führen. Diesen Eindruck erhält, wer dem Republikaner Vance und dem Demokraten Walz bei ihrer Vizepräsidentschaftsdebatte in der Nacht auf Mittwoch zugeschaut hat. 

Hochanständig und über weite Strecken fast schon langweilig korrekt war die einzige Debatte der beiden Running Mates von Donald Trump (78) und Kamala Harris (59). «Ich gebe Gouverneur Walz recht» und «Senator Vance liegt richtig» waren gefühlt die beiden meistgehörten Sätze des Abends. Unvorstellbar, dass diese Worte bei der Trump-Harris-Debatte auch nur einmal hätten fallen können. Und obwohl die Direktbegegnung der beiden Vizekandidaten in der Geschichte noch nie wirklich einen Einfluss auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen hatte: Im bislang knappsten aller Rennen der amerikanischen Geschichte könnte die Vize-Debatte den entscheidenden Unterschied machen. Diese drei Dinge musst du über Vance’ und Walz’ Nacht im Rampenlicht wissen:

Beim Thema Migration muss der TV-Sender eingreifen
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Vize-Debatte in den USA:Bei Migration greift der TV-Sender ein
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Amerika hat einen neuen Versprecher-in-Chief

US-Präsident Joe Bidens (81) verbale Ausrutscher auf der Debatten-Bühne waren legendär. Kamala Harris’ Vizekandidat Tim Walz steht Biden punkto Versprecher-Quote allerdings in nichts nach. Der amtierende Regierungschef von Minnesota sagte gleich zweimal während des Abends, er sei «gut befreundet mit Amokläufern». Kurz darauf kursierte in den sozialen Medien ein erstes Meme mit einer Fotomontage eines Trump-Wahlplakats: «Trump Vance 2024: *nicht befreundet mit Amokläufern*».

Walz bezeichnete sich selbst als «Trottel», der dazu neige, immer mal wieder Ungenauigkeiten zu verbreiten. Seine fehlende Erfahrung auf dem nationalen Politparkett war während der gesamten Debatte offenkundig. Dass er seit seiner Ernennung zu Harris’ Vizekandidat kaum Interviews gegeben und entsprechend wenig Übung im spontanen Argumentieren hat, hat sich deutlich gezeigt.

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J. D. Vance weiss, wie man Donald Trump verführt

Ganz anders wirkte der geschliffene Auftritt des republikanischen Nachwuchs-Stars J. D. Vance. Der frischgebackene Senator aus Ohio mit der eindrücklichen Biografie (Sohn einer Drogensüchtigen, aufgewachsen in Armut, danach steiler amerikanischer Traum) machte seinem Ruf als geschickter Debattierer alle Ehre.

Dabei fiel auf, dass Vance immer wieder scheinbar direkt zu Donald Trump sprach, um ihn für politische Vorhaben zu gewinnen. So erklärte Vance etwa, den Klimawandel könne man am besten bekämpfen, indem man möglichst alles in Amerika produziere und damit die CO₂-Belastung weltweit senke. Und eigentlich urdemokratische Anliegen wie ein bezahlter Mutter- und Vaterschaftsurlaub (gibts in den USA bis heute nicht) oder Fruchtbarkeitsbehandlungen seien «pro Familie» und «pro Baby». Vance dürfte eine stark mässigende Wirkung auf Trump haben, sollte dieser die Präsidentschaft tatsächlich gewinnen. Trump jedenfalls zeigte sich in seinen 45 Posts (!), die er während der Debatte auf Truth Social abfeuerte, begeistert von seinem Vizekandidaten.

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Europas grösste Bedrohung ist den beiden egal

Als US-Vizepräsidenten hätten Walz und Vance nicht nur mit inländischen Problemen zu tun, sondern auch mit weltpolitischen Entscheidungen. Mit Ausnahme eines kurzen Einschubs zur Eskalation im Nahen Osten aber diskutierten die beiden ausschliesslich inneramerikanische Belange. Die Ukraine? Die Bedrohung durch den Kreml-Chef Wladimir Putin (71)? Die haben weder Walz noch Vance auch nur in einem Wort erwähnt.

Das zeigt: Europa hätte in keinem der beiden einen starken Fürsprecher im Weissen Haus. Die alte Welt wird rasch lernen müssen, ihr Russland-Problem ohne allzu starke amerikanische Schützenhilfe zu lösen.

Fazit: Amerikanische Politik kann erfrischend langweilig sein. Das hat die Vize-Debatte überdeutlich gezeigt. Von beiden Parteien getragene neue Gesetze (etwa die Einführung einer bezahlten Elternzeit) scheinen im Bereich des Möglichen, wenn man die Rhetorik – wie das Vance und Walz getan haben – auf ein vernünftiges Level abkühlt. Bleibt zu hoffen, dass sich ihre beiden Chefs eine Scheibe davon abschneiden.

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