Die Freilassung des Massenmörders der Mafia Giovanni Brusca (64) sorgt für Empörung
«Er tötete mein Kind, ich werde ihm nie verzeihen»

Nach 25 Jahren Knast ist einer der schlimmsten Verbrecher der sizilianischen Mafia wieder auf freiem Fuss. Giovanni Brusca (64) hatte mit den Behörden kooperiert und zur Verhaftung und Verurteilung von Mafia-Legende Salvatore «Totò» Riina (†87) verholfen.
Publiziert: 03.06.2021 um 18:16 Uhr
Myrte Müller

Die Nachricht reisst alte Wunden auf – und schafft neue. Am Montagabend verlässt Giovanni Brusca den Knast. Einer der brutalsten Massenmörder der italienischen Mafia-Geschichte ist wieder ein freier Mann. Mit 64. Im Alter, in dem andere in Rente gehen. Unvorstellbar, ja fast unerträglich.

«Die Freilassung ist eine Schande für Italien und ein Affront gegenüber den Mafia-Toten und ihren Angehörigen.», sagt die Rechtspolitikerin Giorgia Meloni, Chefin der Oppositionspartei «Fratelli d'Italia». Brusca ist ein eiskalter Killer. Er arbeitete für den Boss der Bosse, Salvatore «Totò» Riina (1930–2017), und hat über 150 Menschen auf dem Gewissen.

Darunter Morde von unbeschreiblicher Grausamkeit. Giovanni Brusca, auch «das Schwein» genannt, drückte den Auslöser der 400-Kilo-Bombe, die den Richter Giovanni Falcone (1939–1992), dessen Frau und drei Leibwächter zerriss. Er entführte den Sohn (†13) eines Mafia-Paten, erdrosselte ihn nach zwei Jahren Gefangenschaft und löste den Körper des Buben in Salzsäure auf. Er tötete eine unschuldige 23-jährige Schwangere, nur weil sie mit einem Mafia-Rivalen liiert war. Er habe so viele Morde begangen, dass er gar nicht die Namen all seiner Opfer kenne, erzählte der Mafioso später im Verhör.

Giovanni Brusca wurde am 21. Mai 1996 auf Sizilien verhaftet. Da er gegen die Mafia aussagte, kam der Massenmörder nach 25 Jahren Haft wieder frei. Zum Entsetzen vieler Italiener.
Foto: keystone-sda.ch
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«Ich bete zu Gott, dass ich ihm nie begegne»

Nun ist er frei. Zum Entsetzen der Angehörigen. Sie verstehen die Welt nicht mehr. «Wie soll ich tief in meinem Herzen diesem Mann verzeihen?», sagte Franca Castellese, Mutter von Giuseppe Di Matteo (†13), gegenüber der Nachrichtenagentur Ansa. Über ihre Anwältin lässt sie ausrichten: «Während der Prozesse hat Brusca uns nie um Verzeihung gebeten. Er hat nie Reue gezeigt für eine Tat, die nicht nur ein Mafia-Delikt, sondern ein grauenvolles Verbrechen war.»

Santino Di Matteo (66) schäumt vor Wut. «Brusca kannte meinen Sohn gut, spielte mit ihm mit der Playstation. Dennoch hat er ihn in Säure aufgelöst. Für diesen Horror zahlt er mit 20 Jahren Haft?», fragt der Vater gegenüber dem «Corriere della Sera». «Ich kann nicht einmal an einem Grab weinen, und er darf wieder herumspazieren. Ich bete zu Gott, ihm nie wieder zu begegnen. Denn ich wüsste nicht, was dann passiert.»

«Ganz Italien sollte sich empören»

Der Bruder des Buben hat noch das Geständnis Bruscas im Ohr, in dem der Mafioso beschreibt, wie er und zwei weitere Männer den zarten Buben, der «weich war wie Butter» am Boden festhielten, mit einer Kordel erwürgten, den Jungen entblössten und in ein Säurefass warfen. «Der Schmerz über den Tod meines Bruders wird nie vergehen», sagt Nicola Di Matteo.

Tina Montinaro ist ausser sich. «Ganz Italien sollte sich empören, nicht nur ich, die ihren Mann verloren hat», sagt die Witwe von einem der Leibwächter. «Man sollte auf die Strasse gehen. Ich bin verbittert darüber, dass die Leute Entscheidungen treffen wie die Freilassung dieses Mörders. Sie denken nicht an uns Angehörige, nicht an die Opfer». Es gebe eine Justiz, die nicht gerecht sei.

Den Verrat vergisst die Cosa Nostra nicht so schnell

Die Nachricht schmerze, sagt Maria Falcone. Aber es sei nun einmal das Gesetz. «Ein Gesetz, das mein Bruder so wollte», sagt die Schwester von Richter Giovanni Falcone. Nie habe die Staatsanwaltschaft das Vermögen des Giovanni Brusca klar umfassen können, und nicht alles sei damals am Tag der Verhaftung am 20. Mai 1996 beschlagnahmt worden. «Es wäre ein Hohn für die Opfer, wenn Brusca nun als freier Mann sein Blutgeld geniessen könnte.»

Doch entspannt wird Giovanni Brusca nicht in Rente gehen, er wird jeden Tag über die Schulter schauen müssen. Denn er hatte nach seiner Verhaftung einen Deal ausgehandelt. Er verpfeift andere und bekommt dafür eines Tages die Freiheit zurück. Jetzt hat er sie. Doch den Verrat, der neben anderen Mafiaboss Totò Riina lebenslänglich hinter Gitter brachte, vergisst die Cosa Nostra nicht so schnell. Und auch die Morde nicht. Brusca erhält eine neue Identität, wird an einem geheimen Ort leben und noch vier Jahre von den Sicherheitsbehörden geschützt.

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