Pro-Russischer Beamter überrascht mit Internetvideo
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Propaganda-Auftritt:Pro-Russischer Beamter überrascht mit Internetvideo

«Die ganze Welt liebt Russland»
Soll dieses bizarre Russen-Gedicht den Imperialismus rechtfertigen?

In den sozialen Medien sorgt ein Video für Aufsehen, auf dem ein ukrainischer Politiker mit Begeisterung ein absurdes Gedicht vorträgt. Auf den ersten Blick wirkt es amüsant. Doch der Hintergrund ist ernst.
Publiziert: 19.10.2022 um 15:38 Uhr

Auf den ersten Blick wirkt das Video, das gerade auf Twitter die Runde macht, wie ein Scherz oder eine Parodie. Doch die Symbolik und der Kontext wirken höchst merkwürdig.

Mit voller Inbrunst präsentiert der Ukrainer Kirill Stremousow (45), ein kremlnaher Politiker, ein patriotisches Gedicht. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der russischen Administration in Cherson. «Ich sehe Prag und Warschau, Budapest und Bukarest. Das ist die russische Nation. Wie viele herrliche Orte gibt es hier!», ruft er begeistert in die Kamera. Währenddessen sieht man Luftaufnahmen von grünen Wiesen, breiten Flüssen und grossen Städten Europas.

Plötzlich taucht ein Panzer auf, dann erkennt man eine Fahne mit Hakenkreuz. Was wie ein Scherz wirkte, hat plötzlich eine morbide Symbolik. «Wo auch immer ich einen Panzer fahre, es ist immer mein geliebtes Heimatland», spricht Stremousow weiter.

Das Video des prorussischen Politikers Kiril Stremousow sorgt im Netz für Wirbel.
Foto: Twitter
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«Mein Russland, ich bin stolz auf dich»

Doch das ist nur der Anfang. «Ich sehe den Amazonas-Fluss, ich sehe auch Krokodile. Es ist russisches Land, mein Heimatland. Nahe sind die Pyramiden, der Nil ist voll mit Wasser und fliesst an russischem Ufer entlang. Mein Russland, ich bin stolz auf dich. Ich sehe Washington im Tal, ich sehe Dallas und Texas.» Stremousow verherrlicht den russischen Imperialismus und stellt Russland mit der Welt gleich. Während der Politiker darüber spricht, dass die ganze Welt Russen liebe, ertönt im Hintergrund die russische Nationalhymne.

Verfasst wurde das Gedicht im Jahr 1967 vom russischsprachigen Ukrainer Boris Chersonski (71). Zu dieser Zeit war der Autor 17 Jahre alt, die Ukraine noch Teil der Sowjetunion, und man befand sich mitten im Kalten Krieg. Im historischen Kontext betrachtet, wird klar: Das Gedicht hatte einen satirischen Charakter. Chersonski regt sich denn in einer via Twitter verbreiteten Nachricht auch darüber auf, dass sein Gedicht nun in dem neuesten Video – völlig aus dem Zusammenhang gerissen – politisiert wird.

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Stremousow macht aus dem humorvollen Gedicht bitteren Ernst. Soll das patriotisch vorgeführte Gedicht die Invasion in der Ukraine rechtfertigen? Und was macht die Flagge mit dem Hakenkreuz in dem Video? Am Ende der absurden Performance hat der Zuschauer mehr Fragen als zuvor. (jwg)


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